Drucksache 17 / 14 238 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sabine Bangert (GRÜNE) vom 17. Juli 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Juli 2014) und Antwort Zum aktuellen Stand der Provenienzforschung in Berlin III Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele der Kunstobjekte und Werke auf Papier im Eigentum der vom Land Berlin geförderten Einrichtungen sind vor 1945 entstanden und wurden nach 1933 von der Stadt oder den geförderten Einrichtungen angekauft bzw. sind in deren Eigentum übergegangen? a.) In welchen Einrichtungen inklusive der Archive befinden sich diese Objekte und Werke derzeit jeweils? b.) Wie viele dieser Objekte und Werke haben eine lückenlose Provenienz? c.) Für wie viele der Objekte und Werke kann der Senat ausschließen, dass es sich um NS-Raubkunst handelt? (Wir bitten um eine tabellarische Darstellung, mit Nennung der Einrichtungen. Falls sich nur einzelne Teile der Frage beantworten lassen, bitten wir um Nennung der Teil-Ergebnisse und Angabe, warum weitere Antworten nicht möglich sind) Zu 1.: Zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung , der Länder und der kommunalen Spitzenverbän- de zur Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999 werden vom Senat Projekte gefördert, bei der Sammlungen oder Teile von Sammlun- gen geprüft werden, die zwischen 1933 und 1945 erwor- ben wurden sowie Sammlungen oder Teile von Samm- lungen, die Provenienzlücken in diesem Zeitraum aufwei- sen. Zu 1. a): Sammlungen oder Werke, die vor 1945 ent- standen sind und zwischen 1933 und 1945 erworben wur- den oder in diesem Zeitraum Provenienzlücken aufwei- sen, befinden sich im Brücke-Museum, in der Berlini- schen Galerie und in der Stiftung Stadtmuseum. Angaben zur Anzahl dieser Werke sind nur möglich, soweit sie in den Dokumentationssystemen der Einrich- tungen bereits erfasst worden sind. Bei der Stiftung Stadtmuseum ist außerdem zu berücksichtigen, dass der Bestand seit 1995 insgesamt ca. 4,5 Mio. Objekte umfasst und die Inventare der Vorgängerinstitutionen Märkisches Museum (gegründet 1874) und Berlin Museum (1962 bis 1995) nicht vollständig vorhanden sind. Die Inventarbände des Märkischen Museums für die Jahre 1943 bis 1945 gelten als verschollen. Im Kunstge- werbebestand wurden bisher die Objekte erfasst, die zwi- schen 1933 und 1942 im Märkischen Museum eingegan- gen sind. Das Brücke-Museum wurde im Jahr 1964 gegründet. 2.264 Werke wurden dem Museum nach der Gründung von den Künstlerinnen und Künstlern bzw. deren Erbin- nen und Erben geschenkt oder vom Museum direkt er- worben. Für diese Werke kann aus-geschlossen werden, dass es sich um NS-Raubkunst handelt. Die Berlinische Galerie wurde im Jahr 1975 gegrün- det. Alle Werke im Bestand der Berlinischen Galerie wurden erst danach erworben. Aus der Gründungs- und Frühzeit der Berlinischen Galerie sind Ankaufs- und Kor- respondenzakten nur lückenhaft überliefert. Zu 1. b): Die Angaben über Werke ohne Provenienz- lücken im Zeitraum 1933 - 1945 beziehen sich auf bereits abgeschlossene Projekte oder geben den Zwischenstand noch laufender Projekte in den Einrichtungen wieder. In der Berlinischen Galerie ist die Prüfung von Werken mit Provenienzlücken noch nicht beendet. Dies gilt auch für die Prüfung des Kunstgewerbestandes der Stiftung Stadt- museum. Soweit (noch) Provenienzlücken bestehen, kann ein NS-verfolgungsbedingter Verlust zwar nicht ausgeschlos- sen werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dieser im Einzelfall vorliegt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 238 2 Einrichtung Bestand vor 1945 entstanden Zugang 1933-1945 bzw. 1942 Objekte ohne Prove- nienzlücken Stiftung Stadtmuseum Berlin Gemälde Märkisches Muse- um ca. 2.500 122 107 Grafische Samm- lung Märkisches Museum ca. 80.000 Blatt 4.372 4.245 Grafische Samm- lung Berlin Museum ca. 3.509 Blatt entfällt 2.901 Skulpturen 1.800 31 1.778 Kunstgewerbe Märkisches Muse- um ca. 10.000 3.578 2.867 Kunstgewerbe Berlin Museum 133 entfällt 133 Stiftung Berlinische Galerie Sammlung Moderne Kunst 969 entfällt 134 Grafische Samm- lung 2.470 Blatt entfällt 1.283 Brücke-Museum Gesamtbestand 2.643 entfällt 2.473 Zu 1. c): Die Ergebnisse der Projekte werden von den Einrichtungen auf der Grundlage der Handreichung (Fas- sung vom November 2007) zur Umsetzung der „Gemeinsamen Erklärung“ bewertet und nicht vom Senat. Als Ergebnis bereits abgeschlossener Projekte oder als Zwischenstand noch laufender Projekte haben die Ein- richtungen folgende Bewertungen mitgeteilt: Einrichtung Bestand NS-Raubkunst ausgeschlossen Stiftung Stadt- museum Berlin Kunstgewerbe 3.000 Gemälde 2.485 Grafische Sammlung Märkisches Museum 4.245 Grafische Sammlung Berlin-Museum 2.901 Skulpturen 1.978 Stiftung Berlini- sche Galerie Sammlung Mo- derne Kunst 134 Grafische Sammlung 1.283 Brücke- Museum Gesamtbestand 2.473 2. Was ist für das Projekt „Galerie des 20. Jahrhunderts“ vor der Buch-Publikation der Ergebnisse Ende 2015 - und über die Antworten zu Frage 3 in der Drucksache 17/13707 und die Vorstellung der bisherigen Ergebnisse am 07.07.2014 hinaus - das weitere Vorgehen für die 61 Werke, deren Provenienzlücken bisher nicht vollständig geschlossen werden konnten? a.) Wann bzw. nach welchen weiteren Schritten werden die 52 von diesen Werken noch nicht in die Datenbank „Lost Art“ eingestellten Werke in die Datenbank eingestellt? b.) Wer wird vor der Buch- und CD-RomVeröffentlichung der Projektergebnisse Ende 2015 von den weiteren (Zwischen-)Ergebnissen zu den oben genannten 61 Werken wann in Kenntnis gesetzt werden? c.) Wird der turnusmäßige Bericht an das Abgeordnetenhaus auf Grundlage des Beschlusses des Abgeordnetenhaus Drs. Nr. 16/1403 zum 30.09.2014 genauere Angaben als die Präsentation am 07.07.2014 und die Ankündigung der Buchveröffentlichung enthalten? d) Warum wurden auf der Präsentation am 07.07.2014 auch auf Nachfrage nicht die drei Werke aus dem Bestand der Galerie des 20. Jahrhunderts genannt, bei denen es sich möglicherweise um NS-verfolgungsbedingte Verluste handelt, sondern wurde lediglich auf die Publikation des Forschungsprojektes verwiesen die erst für in ungefähr anderthalb Jahren angesetzt ist? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 238 3 Zu 2. a) und b): Bei den 61 Werken konnten trotz aus- führlicher Recherchen die Provenienzen nicht lückenlos geklärt werden. Aus diesem Grund kann ein NS- verfolgungsbedingter Verlust für diese Werke zwar nicht vollständig ausgeschlossen werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dieser im Einzelfall vorliegt. Die Rechercheer- gebnisse werden nunmehr rechtlich geprüft, und es wer- den Werke sukzessive in die Datenbank Lostart einge- stellt, um eventuell weitere Hinweise zur Provenienz zu erhalten, insbesondere zu früheren Eigentümerinnen und Eigentümern oder deren Rechtsnachfolgerinnen und Rechtsnachfolgern. Die Fundmeldungen enthalten die ausdrückliche Bitte um Übermittlung neuer Erkenntnisse und einer eventuellen Anspruchsberechtigung. Sollten sich durch die Fundmeldungen neue Rechercheansätze ergeben, wird diesen nachgegangen werden. Sofern dem Senat Informationen über frühere Eigentümerinnen und Eigentümer oder deren Rechtsnachfolgerinnen und Rechtsnachfolger vorliegen, wird er mit diesen Kontakt aufnehmen, um eventuelle Ansprüche zu prüfen. Zu den bereits in der Datenbank Lostart verzeichneten 9 Werken hat der Senat noch keine weiteren Hinweise erhalten. Der Senat wird das Abgeordnetenhaus über die Ergebnisse des weiteren Vorgehens in den turnusmäßigen Berichten auf der Grundlage seines Beschlusses vom 29. Mai 2008 (Drucksache Nr. 16/1403) informieren. Zu 2. c): Das mit der Stiftung Preußischer Kulturbe- sitz vereinbarte Publikationsprojekt hat eine Laufzeit vom 15.04.2014 bis 14.11.2015. In diesem Zeitraum wird eine wissenschaftliche Mitarbeiterin, die von der Stiftung befristet eingestellt wurde, die notwendigen und umfang- reichen Vorarbeiten für das Buch und die Online- Publikation durchführen. Die Publikation wird neben Beiträgen zu Schwerpunkten der Sammlung erstmals auch die historische Entwicklung der Galerie des 19. Jahrhun- derts enthalten und einen bedeutenden Beitrag für die Provenienzforschung in Deutschland darstellen. Ein Kata- log der Werke mit den Provenienzen und weiteren um- fangreichen Angaben wird online zur Verfügung gestellt werden. Auf Grund des Konzeptes und der Laufzeit die- ses Projektes kann der turnusmäßige Bericht an das Ab- geordnetenhaus von Berlin zum 30.09.2014 weitere De- tails zu den Forschungsergebnissen nicht enthalten. Zu 2. d): Im Rahmen der Pressekonferenz am 07.07.2014 wurden die drei Werke (Titel und Künstler) genannt, bei denen möglicherweise ein NS-verfolgungs- bedingter Verlust in Betracht kommt. 3. Welche vom Land Berlin geförderten Einrichtungen setzen neben Bundes-Fördermitteln für Provenienzforschung eigene Mittel zur Erforschung ihrer Bestände ein, die nicht dem Titel 52609 „Thematische Untersuchungen“ im Landeshaushalt Kapitel 03, Einzelplan 10 entstammen, und in welchem Umfang setzen diese die Mittel ein? Zu 3.: In der Stiftung Stadtmuseum wurden im Zeit- raum 2008 bis 2013 eine Stelle bzw. zwei Stellen wissen- schaftliche Angestellte/wissenschaftlicher Angestellter mit der Vergütungsgruppe TVöD-VKA, EG 14 anteilig mit 20 bzw. 25% für die Provenienzforschung eingesetzt; dies entspricht einem Betrag von insgesamt 136.922 €. Im Jahr 2014 wurde eine Stelle einer wissenschaftlichen Angestellten/eines wissenschaftlichen Angestellten, TVöD-VKA, EG 14 mit anteilig 25% bis zum 30.06.2014 für die Provenienzforschung eingesetzt; dies entspricht einem Betrag von 9.750 €. Die Stiftung Berlinische Galerie finanziert aus eigenen Mitteln im laufenden Jahr eine Stelle wissenschaftliche Volontärin/wissenschaftlicher Volontär für Provenienzforschung mit einem Betrag von 20.806 €. Berlin, den 04. August 2014 Der Regierende Bürgermeister In Vertretung Björn Böhning Chef der Senatskanzlei (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. August 2014)