Drucksache 17 / 14 256 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher und Jutta Matuschek (LINKE) vom 18. Juli 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Juli 2014) und Antwort Positiver Bauvorbescheid des Senates für das Freudenberg-Areal (Boxhagener Straße, Holteistraße, Weserstraße) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wann und mit welchen Argumenten hat der Senat einen positiven Bauvorbescheid für das Freuden- bergareal erteilt (bitte den Bescheid als Anlage beifügen)? Antwort zu 1: Der Widerspruch zum Vorbescheid wurde am 08.07.2014 beschieden. Bereits das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hat im Vorbescheid 5 der ins- gesamt 12 Fragen positiv beantwortet. Das sind die Fra- gen Nr. 3, 6, 7, 9 und 12 zu den Themen - Gebäudetiefe, - Einzelhandels- und Büronutzung entsprechend Standort und Umfang nach Lageplan, - Umfang und Nutzung der im Lageplan dargestellten Untergeschosse, - Unterbrechung der Grenzbebauung an der Grundstücksgrenze zur Weserstraße 36, - zweigeschossige Kindertagestätte im Bereich Weserstraße 43. Zur Frage 5 hat der Bezirk ausgeführt, dass die Anzahl der Vollgeschosse bei der Beurteilung eines Vorhabens nach § 34 Baugesetzbuch (BauGB) nicht beurteilt würde. Die Frage 10 zu Abweichungen vom Abstandsflächen- recht hat der Bezirk so beantwortet, dass eine Abwei- chung positiv gesehen würde, wenn der Nachbar einer Bebauung in diesem Bereich zustimme. Die Fragen 1, 2, 4, 8a, 8b, und 11 hat der Bezirk dagegen abschlägig beschieden. Sie umfassen die Themenbe- reiche: - überwiegende Wohnnutzung – Nutzungsmix (Art der baulichen Nutzung), - Lage der Gebäude auf dem Grundstück - überbaubare Grundstücksfläche, - Gebäudehöhe, - Erschließungsanlagen – Durchwegung des Blocks, - Staffelgeschosse. Gegen die Beantwortung der Fragen 1, 2, 4, 5, 8a, 8b, 10 und 11 hat die Antragstellerin Widerspruch eingelegt. Zudem wurden neue Lagepläne mit Eintragung der Nut- zungen eingereicht. Dem Widerspruch hat die Senatsver- waltung für Stadtentwicklung und Umwelt teilweise statt- gegeben: Die Fragen 1, 2, 5, 8b, 10 und 11 wurden neu beantwortet, während der Widerspruch zu den Fragen 4 und 8a zurückgewiesen wurde. Aufgrund anderer Rechtsauffassung hat die Senats- verwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt die Ent- scheidung des Bezirkes in Teilen aufgehoben. Das Vor- haben fügt sich demnach auch hinsichtlich der Nutzung, der Lage der Gebäude auf dem Grundstück, der Anzahl der Geschosse und der Durchwegung des Blocks in die Eigenart der näheren Umgebung (§ 34 BauGB) ein. Die Beschreibung der näheren Umgebung und die Begrün- dung der Entscheidung zu jeder einzelnen Frage ist Teil des Widerspruchsbescheides. Eine Aushändigung von förmlichen Bescheiden als Anlage zu Schriftlichen An- fragen ist in der Gemeinsamen Geschäftsordnung nicht vorgesehen, der Bescheid kann aber bei der Senatsverwal- tung für Stadtentwicklung und Umwelt eingesehen wer- den. Frage 2: Warum halten der Senat und der Bezirk das Bauvorhaben, zumindest in Teilen, nunmehr für genehmi- gungsfähig nach § 34 BauGB, obwohl im Aufstellungsbe- schluss zum B-Plan 2-27, dies ausdrücklich ausgeschlos- sen wird? Antwort zu 2: Im Rahmen der Widerspruchsentschei- dung ist nach der aktuellen Sach- und Rechtslage über den Antrag zu entscheiden. Daher wurde die Eigenart der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks u.a. im Rahmen einer Begehung erfasst und als Mischgebiet gemäß § 6 Baunutzungsverordnung (BauNVO) eingestuft. Die Antragstellerin hat im Blockinnenbereich sowie an der Holtei- und Weserstraße Wohnnutzung beantragt. Entlang der Boxhagener Straße sind in den Gebäuden Wohnungen nur in den beiden oberen Geschossen vorge- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 256 2 sehen, während darunter Bürogewerbe- und Einzelhan- delsflächen geplant sind. Die Nutzungen sind im Misch- gebiet zulässig und auch nach ihren Anteilen mit dem Gebietscharakter eines Mischgebietes vereinbar. Aussa- gen zur planungsrechtlichen Einschätzung zum Zeitpunkt des Aufstellungsbeschusses des Bebauungsplans 2010 sind für diese Entscheidung nicht bindend. Frage 3: Warum hat der Senat den positiven Bauvor- bescheid erteilt, obwohl im Bescheid des Bezirksamtes vom 28.10.2013 die Zulässigkeit der überwiegenden Wohnnutzung im Mischgebiet verneint wird, da „…bodenrechtliche Spannungen (entstünden). Denn es entstünde ein erhöhter Nutzungsdruck auf öffentliche Einrichtungen wie etwa Schulen und öffentliche Grünflä- chen in dem Gebiet, das ohnehin bereits mit Grünflächen unterversorgt ist…“? Antwort zu 3: Wohnen ist in Mischgebieten allgemein zulässig und kann nach § 15 BauNVO nur versagt wer- den, wenn der Gebietscharakter aufgrund eines insgesamt zu hohen Wohnanteils nicht gewahrt oder das Rücksicht- nahmegebot verletzt wird. Der Gebietscharakter wird durch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wohnen und Gewerbe geprägt; was aber nicht gleichbedeutend ist mit gleichen Flächenanteilen für beide Nutzungen. Fragen der sozialen Infrastruktur oder einer ausreichenden Ver- sorgung mit öffentlichen Grünflächen sind bei der Prü- fung nach § 34 BauGB unbeachtlich. Frage 4: Warum hat der Senat, anders als das Bezirk- samt in seinem Bescheid, die Lage der Gebäude und die Gebäudehöhe als zulässig bewertet? Antwort zu 4: In Frage 2 des Vorbescheidsantrags wird nach der Zulässigkeit der Lage der Gebäude auf dem Grundstück gefragt. Die Frage wurde im Widerspruchs- bescheid mit ja beantwortet. Das Ja steht allerdings unter der Bedingung, dass der Grundstücksnachbar Boxhagener Straße 76-78 sich mit der geplanten Bebauung einver- standen erklärt. Als Begründung wird ausgeführt: „Aus der näheren Umgebung lässt sich keine eindeutige hintere Baugrenze erkennen. Die jeweilige Bebau- ungstiefe hängt von der Größe der Grundstücke ab. Die zum Zeitpunkt der Errichtung der Altbauten geltenden Bauvorschriften wurden dabei häufig maximal ausge- nutzt. Wo die Grundstücke nur eine geringe Tiefe aufwei- sen, ist teilweise nur ein Vorderhaus vorhanden, ansons- ten wurde mit Seitenflügel und Quergebäude bis an die hintere Grundstücksgrenze heran gebaut. Bei etwas tiefe- ren Grundstücken vergrößert sich der Abstand zwischen Vorderhaus und Quergebäude, hinter dem zudem noch Freiflächen verbleiben. Die drei rein gewerblich genutz- ten Grundstücke erstrecken sich quer durch den ganzen Block bzw. bis zu 2/3 und Hälfte der Blocktiefe. Auf zwei dieser Grundstücke sind die dominierenden mehrgeschos- sigen Gewerbebauten zentral in der Blockmitte angeord- net. Das Vorhaben fügt sich daher hinsichtlich der Grundstücksfläche, die überbaut werden darf, in diese Umgebung ein. Die geschlossene Bauweise wird mit den straßenseitig meist mehr als 50 m langen Baublöcken aufgenommen. An die vorhandenen mehrgeschossigen Brandwände auf den Grundstücken Weserstraße 35 und 36 sowie Boxha- gener Straße 76-78 wird angebaut. Hiergegen bestehen keine Bedenken. Bedenken bestehen jedoch gegen den Gebäudeblock B, der nicht an der seitlichen Grund- stücksgrenze errichtet werden soll, sondern mit einem Abstand von etwa 9,5 m zur Grenze. Die geplante Anord- nung des Gebäudes abweichend von der geschlossenen Bauweise kann den Nachbarn Boxhagener Straße 76-78 in seinen Rechten beeinträchtigen, der aus Gründen des Rücksichtnahmegebots bei einer möglichen Neubebauung gezwungen wäre, auf einen Anbau an die seitliche Grund- stücksgrenze zu verzichten.“ Der Widerspruch gegen die Beantwortung der Frage zu den zulässigen Gebäudehöhen (Frage 4) wurde mit folgender Begründung zurückgewiesen: „Gemäß amtlichen Lageplan vom 28.10. 2013 ist eine Traufhöhe von 58,0 m über NHN (das entspricht etwa 21,8 m über Gehweg) und eine Oberkante von 60,5 m über NHN (ca. 24,3 m über Gehweg) geplant. Bei vier der im Blockinnenbereich gelegenen Freifläche zugewandten Eckhäusern sind keine Rückstaffelungen und nur eine Oberkante von 60,5 m vorgesehen. Damit geht das Bau- vorhaben über den von der maßgeblichen Umgebung gesetzten Rahmen hinaus. Dieser wird vor allem durch die Gebäude im Baublock 74 bestimmt. Ferner sind die jeweils gegenüber liegenden Blockseiten in den Blick zu nehmen, die in Bezug auf die Gebäudehöhe eine ver- gleichbare Bebauungsstruktur aufweisen. Größtenteils handelt es sich um Altbauten mit Steildächern. Die First- höhen sind unterschiedlich und liegen zumeist zwischen 57 m und 60 m über NHN. Die Firsthöhe der unmittelbar angrenzenden Gebäude an der Weserstraße 35 und 36 beträgt etwa 58 m über NHN, die des fünfgeschossigen Gewerbegebäudes Schreibfederpassage bis zu 59,41 m über NHN. Die für die Wahrnehmung der Gebäudehöhe ebenso bedeutende Traufhöhe der Gebäude liegt zwischen 54 m und 56,3 m über NHN. Vom öffentlichen Straßen- raum aus wahrnehmbar sind lediglich die beiden denk- malgeschützten Altbauten Boxhagener Straße 70 und 72 sowie die Gewerbebauten Boxhagener Straße 76-78 / Weserstraße 44-45 deutlich niedriger. Trotz der angege- benen Schwankungsbreite besteht ein harmonisches Ge- samtbild und die Höhe der Gebäude wird als relativ ein- heitlich wahrgenommen. Dies gilt auch dort, wo statt des Steildaches ein Staffelgeschoss mit Flachdach vorhanden ist (Boxhagener Straße 73, Alte Bahnhofstraße 26A und 24). Die Auffassung, dass das Gebäude Boxhagener Stra- ße 55 aufgrund seiner Lage am Caroline-Herschel-Platz als städtebauliche Eckbetonung nicht bei der maßgebli- chen Umgebung zu berücksichtigen sei, wird nicht geteilt. Die üblichen Eckbetonungen aus der Zeit um 1900 zeich- nen sich durch eine Betonung der eigentlichen Ecksituati- on durch Türme, Giebel und ähnliches aus, nicht jedoch durch ein gleichförmiges Dach über das ganze Gebäude. Hinzu kommt, dass hier auch das angrenzende Nach- bargebäude Boxhagener Straße 54 die gleiche Firsthöhe aufweist. Aber auch der Einlassung der Wider- spruchsführerin kann nicht gefolgt werden, dass das Ge- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 256 3 bäude Boxhagener Straße 61 (Firsthöhe 60, 5 m über NHN) in die nähere Umgebung mit einzubeziehen sei. Das Gebäude liegt weder im Block 74 noch dem Bau- grundstück gegenüber und wird daher nicht bei der für die Gebäudehöhe maßgeblichen näheren Umgebung berücksichtigt. Eine Überschreitung des maßgeblichen städtebauli- chen Rahmens im vorgesehenen Umfang stößt insbeson- dere im Hinblick auf die Traufhöhe auf Bedenken, da eine negative Vorbildwirkung zu befürchten ist. Zwar sind die meisten Grundstücke bereits bebaut, doch ist sukzessiv durch Um- und Aufbauten eine schleichende Erhöhung der Gebäudehöhen nicht auszuschließen. Dies ist städte- baulich in diesem ohnehin hochverdichteten Quartier jedoch nicht erwünscht.“ Der Widerspruchsbescheid enthält ergänzend einen Hinweis, welchen Gebäudehöhen bei einem Bauantrag (oder einem weiteren Vorbescheidsantrag) zugestimmt werden könnte. Frage 5: Wie viel Quadratmeter Wohnfläche sind vor- gesehen und wie hoch ist der Anteil der Wohnfläche an der Gesamtbaufläche? Wie viel Wohnungen ergeben sich aus dieser Fläche (bitte Berechnungen über Anzahl und Wohnungsgrößen aufführen)? Antwort zu 5: Der Vorbescheidsantrag enthält keine konkreten Angaben zur Wohnfläche und zur Gesamtge- schossfläche, sondern lediglich Lagepläne mit Eintragung der unterschiedlichen Nutzungen. Insofern kann auch keine Aussage zur Anzahl und Größe der Wohnungen getroffen werden. Frage 6: Wie haben der Senat und der Bezirk die öf- fentlich kommunizierten Nebenabreden (z.B. Verkauf von 122 Wohnungen an eine kommunale Gesellschaft und Bereitstellung von Fördermitteln) rechtsverbindlich gesi- chert, nachdem die Möglichkeit einer planungsrechtlichen Sicherung nicht mehr besteht? Antwort zu 6: Etwaige Nebenabreden waren für die Beurteilung des Vorbescheidsantrags nicht maßgeblich. Frage 7: Zu welchen Konditionen und in welcher An- zahl sollen die privat errichteten Wohnungen auf dem Areal künftig vermietet oder verkauft werden? Antwort zu 7: Die Konditionen, zu denen die Woh- nungen vermietet oder verkauft werden, spielten bei der planungsrechtlichen Beurteilung des Vorhabens keine Rolle. Frage 8: Welche vertraglichen Regelungen haben der Senat bzw. der Bezirk mit dem Investor getroffen bzw. beabsichtigen diese, um den zusätzlichen Infrastrukturbe- darf durch das Vorhaben zu befriedigen? Antwort zu 8: Der Senat hat keine vertraglichen Ver- einbarungen für die Infrastruktur mit der Bauherrin ge- troffen und beabsichtigt auch nicht entsprechende Verein- barungen zu treffen. Die Howoge hat mit Kaufvertrag vom 23.06.2014 von der Bauwertgruppe zwei Häuser und eine Kita mit 90 bis 100 Plätzen erworben. Frage 9: Wer wäre berechtigt, gegen diesen Bauvorbe- scheid der Senatsverwaltung auf welchem juristischen Wege und in welcher Frist vorzugehen? Antwort zu 9: Gegen den Bauvorbescheid kann jeder klagen, der sich in seinen subjektiven Rechten verletzt sieht. Nach Kenntnis des Bauvorbescheides kann inner- halb eines Jahres Klage erhoben werden, wenn dem Be- troffenen keine Rechtsmittelbelehrung zugegangen ist. Die Klage ist beim Verwaltungsgericht Berlin einzu- reichen. Frage 10: Wie wird das weitere Genehmigungsverfah- ren ablaufen, wer ist für die weitere Prüfung der Bauab- sichten zuständig? Antwort zu 10: Der Bauantrag ist im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin einzureichen. Die Bauaufsichtsbehörde ist für die Geltungsdauer des Vorbe- scheids (3 Jahre) an dessen Entscheidungen gebunden. Frage 11: Hat die Senatsverwaltung für Stadtentwick- lung dem Bauherren Auflagen hinsichtlich der Errichtung von notwendiger sozialer oder verkehrlicher Infrastruktur gemacht? Wenn ja, welche, wenn nein, warum nicht? Antwort zu 11: Die vorgesehene Nutzungsart ist nach § 34 BauGB zulässig und das Grundstück ausreichend erschlossen. Für Auflagen zur Errichtung von sozialer oder verkehrlicher Infrastruktur bleibt daher kein Raum. Frage 12: Ist der Abschluss eines städtebaulichen Ver- trages trotz erteiltem Bauvorbescheid noch möglich und wird die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung oder der Bezirk einen solchen Vertrag mit dem Investor abschlie- ßen? Antwort zu 12: Nein. Soweit nach § 34 BauGB ein Rechtsanspruch auf Genehmigung des Vorhabens besteht, ist ein städtebaulicher Vertrag unzulässig (Koppelungs- verbot). Berlin, den 07. August 2014 In Vertretung Prof. Dr.- Ing. Engelbert Lütke Daldrup ............................................................. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. August 2014)