Drucksache 17 / 14 266 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Claudia Hämmerling (GRÜNE) vom 22. Juli 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Juli 2014) und Antwort Tierversuche und Ersatzmethoden Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie begründet der Senat seine Antwort auf meine Anfrage Drs. 17/12423, in welchem Umfang der Berliner Senat bislang die Ersatzmethoden finanziell gefördert hatte, dass „Neben der Vergabe des Tierschutzforschungpreises vor allem auf die an der Charité im vergangenen Jahr eingerichtete W 3-Pro-fessorenstelle für Experimen- telle Toxikologie und Alternativen zum Tierversuch zu verweisen“ sei, obwohl die Professur durch Bundesgelder und Drittmittel finanziert wurde? Zu 1.: Die Charité hat die Voraussetzungen für die gemeinsame Berufung einer/eines Hochschullehre- rin/Hochschullehrers für Experimentelle Therapie und Alternativen zum Tierversuch durch Einrichtung einer Professur geschaffen. Sie gibt der/dem Berufenen damit die Möglichkeit - und verpflichtet sie/ihn zugleich – an Prüfungen mitzuwirken, Doktorantinnen und Doktoran- den zu betreuen und eine auf Alternativen ausgerichtete Lehrtätigkeit auszuüben. Der/Dem Berufenen obliegt zugleich die Leitung der Abteilung 9 - ZEBET – Ersatzmethoden zum Tierversuch, Experimentelle Toxikologie des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Aus der Verbindung beider Funktionen profitiert Berlin und der Tierschutz in hohem Maße. Dabei kommt aus Sicht des Tierschutzes der Vermittlung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse über Alternativmethoden zum Tierversuch an Studierende der Medizin unter Berücksichtigung tier- schutzrechtlicher Vorgaben eine ausgesprochen große Bedeutung zu. 2. Welchen konkreten finanziellen Beitrag hat der Se- nat in der Vergangenheit zum Forschungspreis für Er- satzmethoden geleistet, vor dem Hintergrund, dass die forschenden Pharmaunternehmen und Tierschutzverbände das Preisgeld finanzieren? Zu 2.: Der Senat und das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) haben sich nachhaltig für die Realisierung der Idee eines Berliner Forschungspreises für Ersatzmethoden eingesetzt und konnten die forschen- den Pharmaunternehmen dafür gewinnen, die Finanzie- rung des Preises zu übernehmen. Eine finanzielle Beteili- gung des Landes war daher bislang nicht erforderlich. Dessen ungeachtet organisiert der Senat gemeinsam mit dem LAGeSo die feierliche Vergabe des Preises in einem würdigen Rahmen. 3. Vor dem Hintergrund, dass das LaGeSo seit Inkraft- treten des neuen Tierschutzgesetzes zahlreiche neue Auf- gaben übertragen bekommen hat, hält der Senat die Per- sonalausstattung dieser Behörde für angemessen, hinsicht- lich der vorgeschriebenen Kontrollen von Tierversuchs- vorhaben? Zu 3.: Aufgrund der neuen rechtlichen Rahmenbedin- gungen haben der Arbeitsumfang und die Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LAGeSo zugenom- men. Das LAGeSo wird einem sich ggf. ergebenden Be- darf bei der Personalanmeldung zum nächsten Haushalt Rechnung tragen. 4. Wie viele Kontrollen pro Jahr pro Tierversuchsla- bor hält der Senat für angemessen? Zu 4.: Einrichtungen, in denen Tierversuche durchge- führt oder Versuchstiere gehalten und gezüchtet werden, sind nach Auffassung des Senats unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben zu kontrollieren. Nach § 16 Abs. 1 Tierschutzgesetz (TierSchG) sollen sie regelmäßig und unter besonderer Berücksichtigung möglicher Risiken besichtigt werden. Besichtigungen sollen gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 und 3 TierSchG mindestens alle drei Jahre, in Einrichtungen, in denen mit Primaten gearbeitet wird, jährlich erfolgen. Wie häufig ein Tierlabor besichtigt werden sollte, hängt letztendlich von der Anzahl der durchgeführten Versuche, vom Schweregrad der Belas- tungen für die Tiere und von der eingesetzten Tierart ab. 5. Weshalb hat der Senat zwar einen Überblick über alle Einrichtungen an Hochschulen, an denen mit Tierver- suchen geforscht wird aber keine Ahnung wo Forschung und Lehre an Ersatzmethoden angeboten wird? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 266 2 6. Wird sich der Senat künftig einen Überblick über solche Einrichtungen verschaffen oder sind ihm Ersatz- methoden nicht so wichtig wie Tierversuche? Zu 5. und 6.: Die Daten über Tierversuche werden aufgrund rechtlicher Vorgaben erhoben, die es entspre- chend für den Bereich der Forschung und Lehre an Er- satzmethoden nicht gibt. Nach Auffassung des Senats kommt Alternativmethoden zum Tierversuch eine große Bedeutung zu, die sich insbesondere in den tierschutz- rechtlichen Regelungen wiederspiegelt. Soweit erforder- lich, wird sich der Senat Kenntnisse über Einrichtungen, an denen zu Alternativen geforscht wird, verschaffen. Für Einrichtungen, in denen Ersatzmethoden Gegenstand der Lehre sind, gilt dies grundsätzlich entsprechend; siehe jedoch auch Antwort zu Frage Nr. 1. 7. Welche fachlichen Voraussetzungen müssen Mitar- beiterInnen des LaGeSo erfüllen? Zu 7.: Soweit sich die Frage auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezieht, die Tierversuchsanträge bewerten und Kontrollen in Tierversuchseinrichtungen durchführen, müssen sie über den Abschluss eines Studiums der Vete- rinärmedizin verfügen. Spezielle Kenntnisse des Tier- schutzrechts, des Arzneimittelrechts und des Tierseuchen- rechts sowie der Versuchstierkunde sind erforderlich. Weiter sollten sie mit den verwaltungsrechtlichen Grund- lagen und Abläufen in der Berliner Verwaltung vertraut sein. 8. Inwieweit und zwischen welchen Behörden und Forschungseinrichtungen werden Daten in Bezug auf Tierversuche und Ersatzmethoden übermittelt? Zu 8.: Daten in Bezug auf Tierversuche und Ersatzme- thoden werden, wie im Tierschutzgesetz und in der Tier- schutz-Versuchstierverordnung vorgesehen, zwischen dem LAGeSo und dem BfR übermittelt. Dem BfR werden die nicht-technischen Projektzusammenfassungen der Tierversuchsvorhaben zur Veröffentlichung übermittelt. Bezüglich der Ersatzmethoden fragt das LAGeSo im Bedarfsfall bei der ZEBET an, ob es für einen bestimmten Tierversuch Ersatzmethoden gibt. Darüber hinaus gibt es einen gelegentlichen Austausch über Versuchsvorhaben zwischen den Genehmigungsbehörden der Länder. Soweit dem LAGeSo Ersatzmethoden bekannt werden, die für Forschungseinrichtungen interessant sein könnten, wer- den diese über die Tierschutzbeauftragten an die For- schungseinrichtungen weiter gegeben. Die Tierversuchs- einrichtungen übermitteln Daten entsprechend den Anfor- derungen der Versuchstiermeldeverordnung jährlich an das LAGeSo. Daten zu Ersatzmethoden werden in Fach- journalen publiziert. Von der ZEBET lassen sich auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu Alternativ- methoden beraten. Zudem erfolgt ein fachlicher Aus- tausch zu Tierversuchen und Ersatzmethoden zwischen Forschungseinrichtungen auf regelmäßigen Treffen des Arbeitskreises der Berliner Tierschutzbeauftragten. 9. Auf welche Datenbanken können die Behör- den/Einrichtungen zugreifen, um zu einer belastbaren Aussage zu gelangen, ob ein bestimmter Tierversuch bereits durchgeführt wurde oder ob es für den geplanten Versuch eine Ersatzmethode gibt? Zu 9.: Dem LAGeSo stehen alle Open Access Daten- banken zur Verfügung. Für Ersatzmethoden kann bei der ZEBET nachgefragt werden. Im Zuge der Beantragung von Tierversuchen sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an den Forschungseinrichtungen zu um- fassenden Recherchen verpflichtet, um die Unerlässlich- keit des Tierversuchs einschließlich der geplanten Metho- dik nachzuweisen. Dafür nutzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler international zugängliche und spezia- lisierte Literatur-Datenbanken sowie Portale (Web of Science, PubMed, ScienceDirect, Google Scholar oder ASFA-Aquatic Science and Fisheries Abstracts, Scopus, AnimalAlt-Zebet, www.knockoutmouse.org, www.Go3R.org, InterNICHE, norecopa). 10. Wie bewertet der Senat das Ethik- Hochschulranking von SATIS, nach dem Berlin hinsicht- lich des Biologie-Grundstudiums an der FU StudentInnen keine Tierversuche machen müssen, an der HU Tierver- suche durchgeführt werden müssen? Zu 10.: Das besagte Ranking stützt sich in Bezug auf die Humboldt-Universität zu Berlin auf Daten von 1997. Sofern an der Humboldt-Universität auch im Rahmen des seitdem grundlegend überarbeiteten Curriculums noch nach dem Tierschutzgesetz genehmigungs- oder anzeige- pflichtige Versuche zu Lehrzwecken durchgeführt werden bzw. wurden, erfolgt bzw. erfolgte dies in Übereinstim- mung mit den Anforderungen des Tierschutzgesetzes. Dabei gilt grundsätzlich, dass die Entscheidung darüber, ob und inwieweit ein Lernziel nur mit dem Einsatz von Versuchstieren zu erreichen ist, zunächst von der/vom Lehrenden zu treffen ist. Weiter muss er die Unerlässlich- keit des Einsatzes von Tieren beim LAGeSo anzeigen und wissenschaftlich begründet darlegen, dass andere Metho- den nicht geeignet sind, um dieses Lernziel zu erreichen. Unabhängig davon wird seitens des LAGeSo bei der Bewertung entsprechender Anzeigen darauf hingewirkt, dass über Alternativen diskutiert wird und ggf. auch auf bestimmte Lernziele zu Gunsten der Tiere verzichtet wird. Zurzeit ist nur ein gering belastendes Tierversuchsvorha- ben im Biologiestudium angezeigt. Berlin, den 6. August 2014 In Vertretung Sabine Toepfer-Kataw Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. August 2014)