Drucksache 17 / 14 297 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 29. Juli 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Juli 2014) und Antwort Unterbringung von Trans*Frauen, die Gewalt erleben oder von Gewalt bedroht sind Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Zufluchtsmöglichkeiten gibt es für Trans*Frauen, die Gewalt erleben oder von Gewalt bedroht sind? Zu 1.: Der Senat von Berlin stellt bereits seit langer Zeit für Frauen und ihre Kinder, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind, ein breites Unterstützungsangebot zur Verfügung. So fördert der Senat sechs Frauenhäuser, 40 Zufluchtswohnungen und fünf Beratungsstellen für Opfer häuslicher Gewalt sowie das Krisen- und Beratungszentrum LARA für von sexualisierter Gewalt Betroffene. Die Angebote stehen grundsätzlich allen betroffenen Frauen zur Verfügung. Transgeschlechtliche Frauen, die häusliche Gewalt erfahren oder von Gewalt bedroht sind, können im Frauenhaus Cocon Aufnahme finden. Transgeschlechtliche Frauen, die in ihrer Kindheit Opfer von sexualisierter Gewalt geworden sind, werden im Frauenladen bei Wildwasser e.V. beraten und unterstützt. In den anderen Hilfeeinrichtungen wird je nach individueller Situation entschieden, ob eine transgeschlechtliche Frau aufgenommen werden kann. 2. Welche Zufluchtsmöglichkeiten gibt es für Trans*Frauen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, mit ungesichertem Aufenthaltsstatus oder illegalisierte Trans*Frauen? Zu 2.: Für transgeschlechtliche Frauen mit unsicherem bzw. ohne legalen Aufenthaltsstatus gelten grundsätzlich die gleichen Zugangsmöglichkeiten – bzw. Hindernisse für die Aufnahme in Schutzeinrichtungen wie für Frauen, die sich nicht als transgeschlechtlich identifizieren. 3. Was sind die Aufnahmekriterien von Trans*Frauen in Zufluchtswohnungen und Frauenhäusern? Worin bestehen gegebenenfalls Hindernisse für die Aufnahme von Trans*Frauen? Zu 3.: Aufnahmekriterium für das Frauenhaus Cocon ist die Selbstdefinition der Betroffenen als Frau. In den anderen Einrichtungen wird im Einzelfall entschieden. Nach Auskunft der Frauenhäuser befinden sich Schutz suchende Frauen allgemein in immer komplexeren und schwierigeren Lebenssituationen, die mit einem erheblich erhöhten Beratungsbedarf einhergehen. Transgeschlecht- liche Frauen, die von Gewalt betroffen sind, benötigen unter Umständen differenziertere Angebote, die ihrer spezifischen Situation gerecht werden, die über die in den Einrichtungen leistbaren Angebote hinausgehen. Zu diesen Bedarfen kann z.B. eine kontinuierliche medizinische Versorgung oder therapeutische Begleitung gehören, die einen Versicherungsschutz voraussetzt, ohne den eine Einrichtung solchen Bedarfen nicht nachkommen kann. Besteht ein solcher Versicherungs- schutz nicht, stehen die Schutzeinrichtungen vor dem Problem, wie diese Versorgung im Sinne der Frauen gewährleistet werden kann. Hierin kann ein Aufnahmehindernis bestehen. Auch die räumlichen Gegebenheiten in den jeweiligen Einrichtungen und die Notwendigkeit, sich z.B. Bäder oder Schlafräume zu teilen, können den Schutz der Intim- und Privatsphäre jeder einzelnen Bewohnerin nicht in jedem Fall gewährleisten und ein Aufnahmehindernis darstellen. Die Einrichtungen geben darüber hinaus an, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Bewohnerinnen und die Mitarbeiterinnen in allen Häusern zum Thema Transgeschlechtlichkeit in einem Maß informiert oder sensibilisiert sind, um einen diskriminierungsfreien Aufenthalt und oder Zusammenleben bzw. bedarfsangemessene Unterstützung für transgeschlechtliche Frauen sicherzustellen. Solche Rahmenbedingungen werden von den Einrichtungen ebenfalls als Aufnahmehindernis genannt. 4. Werden Trans*Frauen ohne Vornamens- und/oder Personenstandsänderung aufgenommen, welche Rolle spielt dabei der Geschlechtsausdruck? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 297 2 Zu 4.: Im Frauenhaus Cocon werden transgeschlechtliche Frauen auch ohne Vornamens- oder Personenstandsänderung aufgenommen. Zur Frage des Geschlechtsausdrucks siehe die Antwort zu Frage 3. 5. Was unternimmt der Senat, um die Problemlagen zu verbessern? Zu 5.: Der Senat ist sich der Situation von transgeschlechtlichen Frauen, die von Gewalt betroffen sind, bewusst und der Auffassung, dass die bestehenden Angebote nur im Einzelfall einen geeigneten Zufluchtsort für diese Frauen darstellen. Der Senat unterstützt den Prozess der Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen der Einrichtungen zum Thema Transgeschlechtlichkeit und die damit in Zusammenhang stehenden, seit einiger Zeit intensiv geführten Fachdiskussionen der Einrichtungen untereinander. Zudem hat der Senat eine Studie zur Weiterentwicklung der Unterstützungsangebote für von Gewalt betroffene Frauen in Auftrag gegeben. Hier wird u.a. auch der Frage nachgegangen, wie das derzeitige Versorgungssystem weiterentwickelt und ausdifferenziert werden sollte, um bestimmten Zielgruppen – wie z. B. suchtkranke, von Gewalt betroffene Frauen, psychisch kranke Frauen oder transgeschlechtliche Frauen – adäquate Unterstützung anbieten zu können. Berlin, den 08. August 2014 In Vertretung Barbara L o t h Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. August 2014)