Drucksache 17 / 14 305 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Benedikt Lux (GRÜNE) vom 29. Juli 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Juli 2014) und Antwort Beschwerdestellen der Berliner Polizei Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Beschwerden wurden in den Jahren 2013 und 2014 (Stichtag 31.07.2014) an die Berliner Polizei gerichtet? (bitte nach Jahren und Dienststellen aufschlüsseln) Zu 1.: Die abgeschlossenen Beschwerdeverfahren werden in der Polizei Berlin quartalsweise ausgewertet, daher werden für das Jahr 2014 die Zahlen der halbjährli- chen Auswertung übermittelt. Die folgende Tabelle gibt eine dienststellenbezogene Übersicht über die Anzahl der jeweils abschließend bear- beiteten Beschwerden für die Jahre 2013 und 2014 (Stich- tag 30.06.2014): Jahr BehL 1) Dir 2) 1 Dir 2 Dir 3 Dir 4 Dir 5 Dir 6 Dir ZA 3) LKA 4) ZSE 5) Summe 2013 69 186 239 191 274 236 294 285 169 176 2119 2014 32 80 101 94 114 111 115 114 78 97 936 1) BehL = Behördenleitung einschließlich Stab des Polizeipräsidenten, Interne Revision und Konfliktkommission 2) Direktion 3) Direktion Zentrale Aufgaben 4) Landeskriminalamt 5) Zentrale Serviceeinheit 2. Was waren die häufigsten Beschwerdeanlässe? (bitte im Einzelnen aufzählen und gewichten) Zu 2.: Die vier häufigsten Beschwerdeanlässe waren: - die polizeiliche Maßnahme an sich (44%) - Untätigkeit (22%) - Tonfall/Argumentation (14%) - fehlende bzw. falsche Rechtsgrundlage (7%) 3. Wie vielen Beschwerden folgten Konsequenzen welcher Art? Zu 3.: Bezogen auf die zu Frage 1 genannte Gesamt- zahl der Beschwerden (3055) hatten 124 Beschwerden für die Polizeibediensteten Konsequenzen. In 92 Fällen wur- den gegen Polizeidienstkräfte Straf- oder Ordnungs- widrigkeitenverfahren eingeleitet, es gab 32 dienst- bzw. arbeitsrechtliche Prüfungen. 4. Wie viele MitarbeiterInnen sind in den dezentralen Beschwerdestellen beschäftigt? (bitte nach Dienststellen aufschlüsseln) Zu 4.: In den dezentralen Beschwerdestellen ist je Di- rektion (Dir 1 – 6, Dir ZA) und dem Landeskriminalamt planmäßig eine Dienstkraft beschäftigt. In der Zentralen Serviceeinheit (ZSE) gibt es keine dezentrale Beschwer- destelle. Aufgaben der Beschwerdebearbeitung für die ZSE (ohne Bußgeldstelle) werden dort von einer Dienst- kraft als Zugleichaufgabe koordiniert. In der Bußgeldstel- le werden Beschwerden im Rahmen der Bewältigung von Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 305 2 Grundsatzaufgaben nicht von speziell benannten Dienst- kräften bearbeitet. 5. Welche Erkenntnisse hat der Senat über die Zufriedenheit der Betroffenen mit dem Beschwer- demanagement der Berliner Polizei? Zu 5.: Anhand der Daten der statistischen Auswertung kann keine Aussage über die Zufriedenheit getroffen werden. Sowohl positive als auch negative Rückmeldun- gen der Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer sind eher selten. Um eine Aussage über die Zufriedenheit mit der Be- schwerdebearbeitung treffen zu können, wurden in den zurückliegenden Jahren im Rahmen eines Kundenmoni- tors im Jahr 2000, im Zusammenhang mit der der wissen- schaftlichen Studie „Analyse des Beschwerdemanagements der Berliner Polizei“ im Jahr 2006 und der daraus resultierenden Zufriedenheitsabfragen aus den Jahren 2009 und 2010 die Beschwerdeführerinnen und Be- schwerdeführer befragt. Der Umfang und auch die Zielrichtung der Fragen wa- ren in den Befragungen sehr unterschiedlich. Während in den ersten beiden Umfragen die Zufriedenheit und auch die Ausdrucksweise ausführlicher abgefragt wurden, befassten sich die Zufriedenheitsabfragen der Jahre 2009 und 2010 sehr allgemein mit dem Umgang mit einer Be- schwerde. Im Ergebnis konnte festgestellt werden, dass eine Un- zufriedenheit mit der Beschwerdebearbeitung meist mit der Unzufriedenheit über das Ergebnis der Be- schwerdebearbeitung einherging. Betrachtet man die Ergebnisse nach Einführung des gesamtbehördlichen Beschwerdemanagements, kann festgestellt werden, dass im Jahr 2009 ca. 50% der Teil- nehmerinnen und Teilnehmer an der Umfrage die Bear- beitung ihrer Beschwerde positiv bewertet haben und sie war für 49% nachvollziehbar. Im Jahr 2010 bewerteten 40,6% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Um- frage die Bearbeitung positiv und für 43,9 % war diese nachvollziehbar. Seit dem 1. Juli 2014 wird wieder eine Zufrieden- heitsabfrage durchgeführt. Hier werden die Beschwerde- führerinnen und Beschwerdeführer speziell zur Zufrie- denheit mit der Beschwerdebearbeitung befragt. Es wer- den Fragebogen entsprechend der Art der Erledigung (schriftlicher Bescheid oder persönliche Erledigung) ver- sandt. Erste Ergebnisse für das zweite Halbjahr 2014 werden frühestens im Februar 2015 vorliegen. 6. Welche Möglichkeiten haben die Beschäftigten der Polizei, unabhängig vom Dienstweg Beschwerden vorzu- bringen? Wie viele solcher Beschwerden gab es seit 2012 mit welchen inhaltlichen Schwerpunkten? (bitte nach Jahren, Dienststellen und Beschwerdeanlässen aufschlüs- seln) Zu 6.: Mit Neufassung der Geschäftsanweisung IR (Interne Revision) Nr. 01/2009 über die Bearbeitung von Beschwerden wurde die Möglichkeit geschaffen, dass sich die Beschäftigten der Polizei Berlin abweichend vom Beschwerdeweg gemäß § 92 Landesbeamtengesetz direkt an das Zentrale Beschwerdemanagement bei der Internen Revision der Polizei Berlin wenden können. Seit 2009 werden die internen Beschwerden auch sta- tistisch erfasst. Die folgende Tabelle gibt eine dienststel- lenbezogene Übersicht über die Anzahl der jeweils ab- schließend bearbeiteten internen Beschwerden für die Jahre 2012, 2013 und 2014 (Stichtag 30.06.2014): Jahr BehL* Dir 1 Dir 2 Dir 3 Dir 4 Dir 5 Dir 6 Dir ZA LKA ZSE Summe 2012 0 0 1 0 0 0 1 1 1 5 9 2013 2 2 1 0 0 3 2 5 3 7 25 2014 1 0 2 1 0 0 2 5 1 1 13 *BehL = Behördenleitung einschließlich Stab des Polizeipräsidenten, Interne Revision und Konfliktkom- mission Die vier häufigsten Beschwerdeanlässe waren: - Verhalten der oder des der Vorgesetzten (28%) - Verstoß gegen Rechtsvorschriften (21%) - Verhalten von anderen Mitarbeiterinnen und Mit- arbeitern (15%). 7. Welche Auswertungen der externen und internen Beschwerden nimmt die Berliner Polizei vor, um über den Einzelfall hinausgehende strukturelle Defizite zu erken- nen? Welche verbessernden Maßnahmen wurden bereits als Konsequenz dieser Auswertung ergriffen? Zu 7.: In der Mehrzahl sind die Beschwerden mit der Auswertung des Einzelfalles und möglicher Konsequen- zen für die betroffene Dienstkraft abgeschlossen. Darüber hinausgehende Maßnahmen werden statistisch nicht erho- ben. Mögliche verbessernde Maßnahmen, die in den letz- ten Jahren getroffen wurden, sind: - Einführung von Fortbildungsseminaren, um den Beschwerdeanlässen, die den Tonfall und/oder die Argumentation beanstanden, entgegenzutreten, z.B. „Gesprächsführung am Telefon“ oder „Kommunikation und Sozialkompetenz für Polizeibeam- tinnen und Polizeibeamte“, Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 305 3 - Korrektur von Polizeivordrucken, - Gesprächstermine mit Mitarbeiterinnen und Mitar- beitern von Dienststellen, die häufiger von inter- nen Beschwerden betroffen sind, auch unter Betei- ligung der Behördenleitung, - Veröffentlichung von Fachthemen, die häufiger Anlass zu Beschwerden geben, in den Mitarbeiter- zeitschriften, z.B. Rechte von Kraftfahrerinnen und Kraftfahrern mit Schwerbehindertenausweisen. 8. Kann sich der Senat vorstellen, das externe und interne Beschwerdemanagement der Polizei an eine gesetz- lich legitimierte unabhängige Beschwerdestelle abzuge- ben? Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein, wieso nicht? Zu 8.: Aus Sicht des Senats sollte das externe und in- terne Beschwerdemanagement nicht an eine weitere ge- setzlich legitimierte unabhängige Beschwerdestelle abge- geben werden. Bereits im Ergebnis einer wissenschaftli- chen Studie aus dem Jahr 2008 zur Analyse des Be- schwerdemanagements durch die Freie Universität Berlin – vertreten durch Herrn Prof. Dr. Klaus HoffmannHolland , Fachbereich Rechtswissenschaft – wurde festgestellt , dass das Beschwerdemanagement der Polizei Berlin sehr gut aufgestellt ist. Die festgestellten Optimierungspo- tentiale wurden umgesetzt. So ist das Zentrale Beschwerdemanagement seit 2009 bei der Internen Revision angebunden. Den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Behörde wurde ein interner Beschwerdeweg direkt (ohne Einhal- tung eines Dienstweges) zur Internen Revision eröffnet. Informationen über die Beschwerdestellen wurden für die Bürgerinnen und Bürger ins Internet bzw. für die Polizeidienstkräfte in das Intranet der Behörde gestellt. Im Rahmen der Beschwerdebearbeitung ist oftmals der Wunsch nach persönlichen Gesprächen von den Be- schwerdeführerinnen und Beschwerdeführern an die Be- schwerdesachbearbeiterinnen und Beschwerdesachbear- beiter herangetragen worden. Diesem Wunsch wird seit Jahren Rechnung getragen, sodass zurzeit etwa 50% aller Beschwerden mit einem Gespräch abgeschlossen werden. Dieses Vorgehen wurde durch die Studie ebenfalls als positiv bewertet, da ein persönliches Gespräch die Akzep- tanz der Beschwerdeentscheidung erhöhen kann. Die Organisation hat sich bewährt und sollte beibehal- ten werden, weil die Betroffenen sich durch die Vermitt- lung an speziell für ihr Anliegen zuständige Sachbearbei- terinnen und Sachbearbeiter kompetenter betreut fühlen. Zudem sind in diesem Zusammenhang auch die Bear- beitungszeiten hervorzuheben. In den letzten Jahren konn- ten über 55% aller Beschwerden innerhalb von 14 Tagen abgeschlossen werden. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass es sich bei dem Beschwerdeverfahren um ein formloses Verfahren han- delt, das sich ausschließlich aus dem Petitionsrecht des Artikels 17 GG ableitet und keine Spezialgesetzgebung die Rechte der Beschwerdeführerinnen und Beschwerde- führer regelt. In diesen formlosen Verfahren stehen den Beschwerdesachbearbeiterinnen und Beschwerdesachbe- arbeitern in der Regel das Beschwerdeschreiben, die Stel- lungnahmen der betroffenen Dienstkräfte und der Vorge- setzten sowie dienstliche Unterlagen zur Verfügung. Die Beschwerdevorwürfe lassen sich anhand dieser Unterla- gen in vielen Fällen nicht zweifelsfrei klären. Daran wird sich aus hiesiger Sicht auch nichts ändern, sollte die Prü- fung durch eine gesetzlich legitimierte unabhängige Be- schwerdestelle erfolgen, da auch dann keine anderen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden können. Vorwürfe, die Verstöße gegen Straf- oder Ordnungs- widrigkeitengesetze beinhalten, werden zudem im Rah- men der rechtsförmlichen Verfahren geprüft. Durch die Beschwerdestellen erfolgt schon jetzt regelmäßig eine Abgabe an die zuständigen Fachdienststellen. Mit der Konfliktkommission steht zudem ein weiteres Instrument für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung, das – wie die Interne Revision – direkt bei der Behördenleitung angesiedelt ist. Im Übrigen existiert mit dem Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses von Berlin bereits eine unabhängige Beschwerdestelle. Bürgerinnen und Bürger können sich an den Ausschuss wenden; ihm stehen alle Mittel des Parlaments zur Aufklärung von Vorwürfen zur Verfü- gung. Berlin, den 15. August 2014 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. August 2014)