Drucksache 17 / 14 374 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 11. August 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. August 2014) und Antwort „Zivile Tatbeobachter*innen“ der Berliner Einsatzhundertschaften (II) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen darf die Berliner Polizei die „zivilen Tatbeobachter*innen“ der Berliner Einsatzhundertschaften und andere zivile Aufklä- rungskräfte mit welchem jeweiligen Auftrag bei Ver- sammlungen einsetzen? Zu 1.: Durch die Anwesenheit der Polizei bei Ver- sammlungen wird das Versammlungsrecht gemäß Artikel 8 Grundgesetz (GG) geschützt. Somit werden auch die in bürgerlicher Kleidung eingesetzten Polizeikräfte im Rah- men ihrer gesetzlichen Aufgabenzuweisung zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung sowie zur Verfolgung von Straftaten eingesetzt. Die gefahrenabwehrenden Maßnahmen sind durch Eingriffsermächtigungen des Versammlungsrechtes (VersG) gedeckt, die je nach Einzelfall durch Befugnis- normen des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsge- setzes (ASOG Berlin) ergänzend konkretisiert werden (gemäß der sogenannten Ergänzungstheorie des Bundes- verwaltungsgerichts). Die Polizei wird dabei nicht nur zur Abwehr von Ge- fahren tätig, die von einer Versammlung ausgehen, son- dern auch zur Abwehr von Gefahren, die von außen auf die zu schützende Versammlung wirken. Besteht im Hin- blick auf eine angemeldete Versammlung die Gefahren- prognose, es könne dabei zu Gewalttätigkeiten kommen, ergibt sich für die Polizei insbesondere die Rechtspflicht, diese Straftaten zu verhindern. Strafprozessuale Maßnahmen der Polizei im Ver- sammlungsgeschehen sind ohne Einschränkungen mög- lich. Die Strafverfolgungspflicht gemäß §§ 161, 163 Strafprozessordnung (StPO) gilt uneingeschränkt. Die konkrete Aufgabenwahrnehmung erfolgt im Rahmen des Strafverfolgungsauftrages und zur Gefahren- abwehr. Weitere Informationen zum jeweiligen Auftrag können nicht veröffentlicht werden, da aus ihnen umfang- reiche Rückschlüsse auf das taktische Vorgehen der Poli- zei gezogen werden können. Das Bekanntwerden dieser Informationen in der Öffentlichkeit würde das polizeiliche Handeln voraussehbar machen und die Erfüllung des öffentlichen Auftrags erheblich erschweren oder verhin- dern. 2. Werden „zivile Tatbeobachter*innen“ der Berliner Einsatzhundertschaften und andere zivile Aufklärungs- kräfte standardmäßig bei Versammlungen eingesetzt? Wenn nein, welche konkreten Voraussetzungen in der polizeilichen Gefahrenprognose müssen für deren Einsatz vorliegen? Zu 2.: Ein standardmäßiger Einsatz von zivilen Auf- klärungskräften bei Versammlungen erfolgt nicht, das ist von der jeweiligen Lagebeurteilung im Einzelfall abhän- gig. 3. Wie unterscheidet sich der Auftrag der „Tatbeobachter *innen“ der Berliner Einsatzhundertschaften bei Versammlungen zu dem von anderen „zivilen Aufklärungskräften “ der Berliner Polizei? Zu 3.: Die Aufgabenwahrnehmung der Tatbeobachte- rinnen und Tatbeobachter erfolgt im Rahmen des Straf- verfolgungsauftrages. Andere „zivile Aufklärungskräfte“ werden im Einzelfall zur Gefahrenabwehr bzw. zur Strafverfolgung tätig. Je nach Aufgabenzuweisung durch die Polizeiführerin bzw. den Polizeiführer beschaffen diese insbesondere Informationen zur Umsetzung der polizeilichen Gefah- renabwehr oder ermittlungsrelevante Informationen zur Strafverfolgung. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 374 2 4. Welche Art von „zivilen Aufklärungskräften“ setzt die Berliner Polizei bei Versammlungen ein und welchen Organisationseinheiten der Berliner Polizei gehören diese jeweils an? Zu 4.: Im Zusammenhang mit sogenannten Aufklä- rungsmaßnahmen bei Versammlungen werden bürgerlich gekleidete Vollzugskräfte der örtlichen Direktionen, des Landeskriminalamtes (LKA) und der Direktion Zentrale Aufgaben eingesetzt. 5. Kann der Senat mit Sicherheit ausschließen, dass „Tatbeobachter*innen“ und andere „zivile Aufklärungskräfte “ der Polizei bei Versammlungen strafbare Handlungen begehen, dulden, andere Versammlungsteilneh- mer*innen zu strafbaren Handlungen ermutigen oder sich aktiv mit strafbaren Handlungen anderer einverstanden zeigen? 6. Kann der Senat mit Sicherheit ausschließen, dass „Tatbeobachter*innen“ und andere „zivile Aufklärungskräfte “ der Polizei sich bei Versammlungen vermummen? 7. Kann der Senat mit Sicherheit ausschließen, dass „Tatbeobachter*innen“ und andere „zivile Aufklärungskräfte “ der Polizei bei Versammlungen Schutzbewaffnung tragen? Zu 5. - 7.: Grundsätzlich ja, weil die beschriebenen Verhaltensweisen straf- bzw. disziplinarrechtlich bewehrt sind und auch bei zivilen Aufklärungskräften seitens der Polizei verfolgt werden. 8. Führen „Tatbeobachter*innen“ und andere zivile Aufklärungskräfte der Polizei in jedem Fall einen Dienst- ausweis mit sich und können sich gegebenenfalls legiti- mieren? Zu 8.: Grundsätzlich führen Tatbeobachter und andere zivile Aufklärungskräfte einen Dienstausweis als Legiti- mationsgrundlage mit sich. Aus Gründen der Eigensiche- rung kann in Einzelfällen davon abgesehen werden, Ge- genstände mitzuführen, die Rückschlüsse auf die Polizei- zugehörigkeit zulassen. 9. Kann der Senat mit Sicherheit ausschließen, dass „Tatbeobachter*innen“ und andere „zivile Aufklärungskräfte “ der Polizei mit ihren Dienst- und/oder Privathandys Bild- und Videoaufnahmen zur Beweissicherung anfertigen? Zu 9.: Ja. 10. Wie häufig ist es seit 2010 dazu gekommen, dass „zivile Tatbeobachter*innen“ der Berliner Einsatzhundertschaften bei Versammlungen zu dem von anderen „zivilen Aufklärungskräften“ der Polizei in Gewahrsam bzw. festgenommen wurden? Zu 10.: Festnahmen oder Gewahrsamsnahmen von Tatbeobachtern oder Tatbeobachterinnen bei Versamm- lungen durch „andere zivile Aufklärungskräfte“ können grundsätzlich ausgeschlossen werden bzw. sind nicht bekannt geworden. Siehe dazu insbesondere Antwort auf die Fragen 5 bis 7. 11. Nutzt die Berliner Polizei ein mobiles Führungs- system (wie etwa TARANIS von der Firma ESG) und wenn ja, welches? Zu 11.: Nein. 12. Nutzen „Tatbeobachter*innen“ und andere „zivile Aufklärungskräfte“ der Polizei ein mobiles Führungssystem (wie etwa TARANIS von der Firma ESG) und wenn ja, welches? Zu 12.: Nein. Berlin, den 01. September 2014 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Sep. 2014)