Drucksache 17 / 14 375 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 11. August 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. August 2014) und Antwort Der unheimliche Unbekannte – Der Polizeiliche Staatsschutz (IV): Auswertedatenbank Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welchen Zweck verfolgt die „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ der Berliner Polizei? 2. Seit wann führt die Berliner Polizei die „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“? Zu 1. und 2.: Die „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ wurde im Jahr 2006 errichtet und basierte zu diesem Zeitpunkt auf dem Windows-Datenbankpro- gramm „Access“. Mit der Änderung der Errichtungsanordnung vom 3. Juli 2009 wurde der Betrieb der Datenbank eingestellt. Eine Teilmenge der vorhandenen Daten wurde unter den Vorgaben der geänderten, aber gleichnamigen Errich- tungsanordnung in das Verfahren „Computergestützte Anwendung für Sachbearbeitung und Auswertung“ (CASA ) übertragen. Daten, die nur zur Ermittlungsunterstüt- zung laufender Strafermittlungsverfahren verarbeitet werden, sind in gesonderten CASA-Verfahren, die jeweils einer eigenen Errichtungsanordnung bedürfen, enthalten und werden nachfolgend nicht weiter betrachtet. Die ursprüngliche Datenbank „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ wurde gelöscht. Der Zweck der in CASA geführten und von der geän- derten Errichtungsanordnung „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ erfassten Verfahren ist die Unterstützung der auf dem Gebiet der politisch motivierten Kriminalität eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbei- ter des Landeskriminalamt Berlin bei der Erfüllung ihrer Aufgaben im Zusammenhang mit der Verhütung und Verfolgung von Straftaten, der vorbeugenden Verbre- chensbekämpfung und der allgemeinen Gefahrenabwehr. Insbesondere dient die Datei dem Erkennen von Perso- nen– und Sachzusammenhängen, der Dokumentation polizeilichen Handelns und der Unterstützung, Koordina- tion und Anregung von Ermittlungen. 3. Wie viele Datenabfragen in der „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ erfolgten durch die Berliner Polizei in den Jahren seit 2008? (Bitte nach Jahr und Anzahl aufschlüsseln.) Zu 3.: In den vergangenen zwei Jahren (20. August 2012 - 19. August 2014) wurden in den in CASA geführ- ten und von der geänderten Errichtungsanordnung „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ erfassten Verfahren 454.967 Abfragen zu einzelnen Entitäten getä- tigt. Entitäten sind Einzelangaben zu z.B. Ereignissen, Adressen, Objekten, Sachen oder Personen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch Mehrfachabfragen und Abfra- gen zur Datenpflege in dieser Zahl enthalten sind. Die Protokollierung wird jeweils nach zwei Jahren gelöscht; daher können keine Angaben über ältere Abfragen ge- macht werden. 4. Aufgrund welcher Rechtsgrundlagen können personenbezogene Daten, Institutionsdaten etc. in der „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ gespeichert werden? (Bitte nach Rechtsgrundlage aufschlüs- seln.) Zu 4.: Die Speicherung von Daten in den in CASA ge- führten und von der geänderten Errichtungsanordnung „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ erfassten Verfahren ist zulässig nach den §§ 42 und 43 Abs. 1 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes Berlin (ASOG) in Verbindung mit § 483 Abs. 3 Strafprozess- ordnung (StPO). 5. Wie viele Personen sind aufgrund der einzelnen Speicherungsgrundlagen derzeit jeweils in der „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ gespeichert? (Bitte nach Rechtsgrundlage und Personenzahl aufschlüsseln.) Zu 5.: Es sind mit Stichtag 19. August 2014 18.129 Personendatensätze in den in CASA geführten und von der geänderten Errichtungsanordnung „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ erfassten Verfahren ge- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 375 2 speichert. Diese Zahl schließt auch unvollständige Perso- nendatensätze und Datensätze zu Hinweisgebern oder Geschädigten ein. Sämtliche Daten werden aufgrund des ASOG verarbeitet. 6. Wie viele Institutionen sind aufgrund der einzelnen Speicherungsgrundlagen derzeit in der „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ gespeichert? (Bitte nach Rechtsgrundlage und Institutionenzahl aufschlüs- seln.) Zu 6.: Es sind mit Stichtag 19. August 2014 3.591 In- stitutionsdatensätze in den in CASA geführten und von der geänderten Errichtungsanordnung „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ erfassten Verfahren gespeichert . Sämtliche Daten werden auf Grundlage des ASOG verarbeitet. 7. Wie viele Kommunikationsmittel welcher Art (Telefon, Fax, E-Mail, Internetanschlüsse etc.) sind auf- grund der einzelnen Speicherungsgrundlagen derzeit jeweils in der „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz “ gespeichert? (Bitte nach Rechtsgrundlage und Anzahl/Kommunikationsmittel aufschlüsseln.) Zu 7.: Es sind mit Stichtag 19. August 2014 in den in CASA geführten -und von der geänderten Errichtungsan- ordnung „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ erfassten- Verfahren 16.959 Datensätze zu Kommunikati- onsmitteln gespeichert. Davon sind 2.742 Festnetz- Anschlüsse, 7.421 Mobilnetz-Anschlüsse, 3.669 Email- Kennungen, 263 Fax-Anschlüsse und 1.459 Internet- Kennungen. Die restlichen Datensätze sind ohne nähere Bezeichnung gespeichert. Sämtliche Daten werden auf Grundlage des ASOG verarbeitet. 8. Wie viele Kommunikationsmittel welcher Art (Telefon, Fax, E-Mail etc.) werden derzeit überwacht? (Bitte nach Rechtsgrundlage und Anzahl/überwachtem Kommunikationsmittel aufschlüsseln.) Zu 8.: Im Gesamtkontext der Schriftlichen Anfrage impliziert diese Frage, dass sich ihre Beantwortung aus den in CASA geführten und von der geänderten Errich- tungsanordnung „Auswertedatenbank Polizeilicher Staatsschutz“ erfassten Verfahren ergibt. Da das ASOG jedoch keine Rechtsgrundlage zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs enthält, sind auch keine auf der Grundlage des ASOG erhobenen diesbezüglichen Daten in den in CASA geführten und von der geänderten Errich- tungsanordnung „Auswertedatenbank Polizeilicher Staatsschutz“ erfassten Verfahren gespeichert. Daten, die nach der StPO zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs erhoben wurden, werden zur Ermittlungsunterstützung in laufenden Strafverfahren in anderen CASA-Verfahren verarbeitet, die hier nicht betrachtet werden (s. Antwort zu 1. und 2.). 9. Wie viele Vorgänge mit welcher Motivation (links-, rechtsextrem, antisemitisch, etc.) sind aufgrund der einzelnen Speicherungsgrundlagen derzeit jeweils in der „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ gespeichert ? (Bitte nach Rechtsgrundlage und Motivation aufschlüsseln.) Zu 9.: Daten werden technisch bedingt in der Daten- bankanwendung CASA grundsätzlich nicht vorgangsbe- zogen gespeichert, daher ist eine Aussage dazu nicht möglich. 10. Wie viele Bankdaten sind aufgrund der einzelnen Speicherungsgrundlagen derzeit jeweils in der „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ gespeichert? (Bitte nach Rechtsgrundlage und Anzahl an Bankdaten aufschlüsseln.) Zu 10.: Es sind mit Stichtag 19. August 2014 867 Kontodatensätze in den in CASA geführten und von der geänderten Errichtungsanordnung „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ erfassten Verfahren gespeichert . Sämtliche Daten werden auf Grundlage des ASOG verarbeitet. 11. Worin unterscheidet sich die Datei „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ der Berliner Polizei von ihrem Zweck und Inhalt her von: a. der Datei „Kriminalpolizeilicher Meldedienst in Fällen politisch motivierter Kriminalität (KPMD- PMK)“, b. der Verbunddatei „Gewalttäter links“, c. der Verbunddatei „Gewalttäter rechts“, d. der Verbunddatei „Innere Sicherheit“ sowie e. der Verbunddatei „Gewalttäter politisch motivierte Ausländerkriminalität“ und inwiefern sind die in den jeweiligen Dateien ge- speicherten Daten miteinander verknüpft? Zu 11 a. bis e.: Aufgrund der verschiedenen Zweckbe- stimmungen unterscheiden sich die Dateien hinsichtlich ihrer Funktionalitäten und der Art der gespeicherten Da- ten untereinander sowie der in CASA geführten und von der geänderten Errichtungsanordnung „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ erfassten Verfahren. Das System CASA ermöglicht insbesondere die grafische Darstellung von Zusammenhängen unterschiedlicher Entitäten auch über indirekte Verknüpfungen. Die Daten der verschiedenen Dateien sind nicht miteinander ver- knüpft. Zu 11 a.: Die Datei „Kriminalpolizeilicher Meldedienst in Fällen politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK)“ dient dazu, die im Rahmen des KPMDPMK bestehenden Meldeverpflichtungen gegenüber dem Bundeskriminalamt (BKA) zu erfüllen. Die Datei ermög- licht die Erstellung von Führungsinformationen und La- geberichten sowie die Erstellung von Analysen zur Si- cherheitslage. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 375 3 Zu 11 b.: Die Verbunddatei „Gewalttäter links“ dient der Polizei zur Verhinderung und Verfolgung politisch motivierter Straftaten im Sinne des Definitionssystems politisch motivierte Kriminalität (Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität - links“), insbesondere zur Verhinderung gewalttätiger Auseinandersetzungen und sonstiger Straftaten im Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen und Nukleartransporten sowie zur Ab- wehr von Gefahren, die von Ansammlungen gewaltberei- ter Personen ausgehen. Zu 11 c.: Die Verbunddatei „Gewalttäter rechts“ dient der Polizei zur Verhinderung und Verfolgung politisch motivierter Straftaten im Sinne des Definitionssystems politisch motivierte Kriminalität (Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität - rechts“), insbesondere zur Verhinderung gewalttätiger Auseinandersetzungen und sonstiger Straftaten im Zusammenhang mit einschlägigen Musikkonzerten, öffentlichkeitswirksamen Aktionen und Veranstaltungen, insbesondere Aufmärschen sowie zur Abwehr von Gefahren, die von Ansammlungen gewaltbe- reiter Personen ausgehen. Zu 11 d.: Die Verbunddatei „Innere Sicherheit“ dient zur Aufklärung von und der Vorbeugung vor politisch motivierten Straftaten überregionaler Bedeutung und zur gesetzlichen Aufgabenerfüllung des BKA zum Schutz von Personen und Verfassungsorganen. Zu 11 e.: Die Verbunddatei „Gewalttäter politisch motivierte Ausländerkriminalität“ dient der Polizei zur Verhinderung und Verfolgung politisch motivierter Straftaten im Sinne des Definitionssystems Politisch motivierter Kriminalität (Phänomenbereich „Politisch motivierte Ausländerkriminalität“), insbesondere durch gewalttätige extremistische Gruppierungen, welche die hier bestehen- den Freiheitsrechte sowie rechts- und sozialstaatliche Möglichkeiten missbrauchen, um politische oder religiöse Konflikte ihrer Heimatregionen auf dem Boden der Bun- desrepublik Deutschland auszutragen, sowie zur Abwehr von Gefahren bei öffentlichkeitswirksamen Aktionen und Veranstaltungen im Bundesgebiet. Darüber hinaus dient die Datei auch zur Verhinderung von Anschlägen auslän- discher Gruppierungen gegen deutsche Staatsangehöri- ge/Einrichtungen im Ausland bzw. Verfolgung von deut- schen Staatsangehörigen, die bei der Planung/Ausführung von Anschlägen im Ausland mitgewirkt haben. 12. Wie viele der in der „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ gespeicherten Personen sind zugleich in den unter 11. genannten Dateien gespeichert? Zu 12.: Es ist aufgrund von sich überschneidenden Lebenssachverhalten wahrscheinlich, dass eine Schnitt- menge der Dateien aus Frage 11. und der in CASA ge- führten und von der geänderten Errichtungsanordnung „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ erfassten Verfahren existiert. Ein derartiger Datenabgleich wurde bisher nicht durchgeführt und ist nicht geplant. Ein sol- cher nicht anonymisierbarer Personendatenabgleich für statistische Zwecke ist in den Errichtungsanordnungen nicht enthalten und damit aufgrund der Zweckbestim- mung der Dateien unzulässig. 13. Warum wurde die „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ in der Antwort auf die Kleine Anfrage Nr. 17/12591 nicht erwähnt? Zu 13.: Die in CASA geführten und von der geänder- ten Errichtungsanordnung „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ erfassten Verfahren sind Teil von CASA und waren damit von der Beantwortung zur Frage 1c in der genannten Anfrage erfasst. 14. Welche Analysesoftware welcher Hersteller kommt bei der Auswertung der „Auswertedatenbank polizeilicher Staatsschutz“ zur Anwendung und was ist jeweils Zweck und Funktionalität der Software? Zu 14.: Zur Speicherung und Auswertung wird seit 2009 die Software CASA (rs-Case) von der Firma rola GmbH genutzt. CASA (rs-Case) ist eine datenbankbasier- te Analyse- und Auswertesoftware, in der Daten zu kom- plexen Ermittlungs- und Strukturverfahren recherchierbar und visualisierbar erfasst werden können. Das Programm wird ermittlungsbegleitend und -unterstützend eingesetzt und dient der Erkennung bzw. Aufhellung von Tat- und Täterzusammenhängen. Zur graphischen Aufbereitung sehr komplexer Strukturen wird die Software Analyst`s Notebook der Fa. IBM ergänzend genutzt. Berlin, den 1. September 2014 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Sept. 2014)