Drucksache 17 / 14 384 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Franziska Becker (SPD) vom 05. August 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. August 2014) und Antwort Evaluation des Instruments der Einstiegsqualifizierung (EQ) im Land Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis be- antworten kann. Er ist gleichwohl um eine sachgerechte Antwort bemüht und hat daher die zuständige Regionaldi- rektion Berlin-Brandenburg (RD BB) der Bundesagentur für Arbeit (BA), die Industrie-und Handelskammer zu Berlin (IHK) sowie die Handwerkskammer Berlin (HWK) um Angaben gebeten, die bei der nachfolgenden Beant- wortung berücksichtigt sind. 1. Welche Bedeutung hat die Einstiegsqualifizierung (EQ) für den Berliner Senat? Zu 1.: Aus Sicht der RD BB soll die Einstiegsqualifi- zierung als betriebsnahes Instrument der Berufsvorberei- tung ausgebaut werden. Insbesondere für Jugendliche, die trotz Ausbildungs- reife und Berufseignung bei der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz nicht erfolgreich waren, sollte die Ein- stiegsqualifizierung nach § 54a SGB III das vorrangige Instrument zur Unterstützung eines erfolgreichen Berufs- einstiegs sein, anstelle einer Maßnahme im Übergangs- system. Rund die Hälfte der in einer EQ geförderten Jugendli- chen ist nach Austritt aus einer Einstiegsqualifizierung in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung/Aus- bildung integriert. 2. Inwiefern wird das Instrument finanziert? Kann der Senat eine Finanzierungsplanung für die letzten drei Jahre und der kommenden drei Jahre aufzeigen? Zu 2.: Nach § 54a SGB III können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die eine betriebliche Einstiegsqualifizie- rung durchführen, durch Zuschüsse zur Vergütung bis zu einer Höhe von 216 Euro monatlich zuzüglich eines pau- schalierten Anteils am durchschnittlichen Gesamtsozial- versicherungsbeitrag der oder des Auszubildenden geför- dert werden. In den Agenturen für Arbeit und Jobcentern in Berlin werden Mittel in ausreichender Höhe eingeplant, um die Förderung sicher zu stellen. 3. Wie ist die Zielgruppe für die EQ genau definiert? Zu 3.: Nach § 54a (4) SGB III sind förderfähig: 1. bei der Agentur für Arbeit gemeldete Ausbildungsbewerberinnen und Asylbewerber mit aus individuellen Gründen eingeschränkten Ver- mittlungsperspektiven, die auch nach den bun- desweiten Nachvermittlungsaktionen keine Ausbildungsstelle haben, 2. Ausbildungssuchende, die noch nicht in vollem Maße über die erforderliche Ausbildungsreife verfügen, und 3. lernbeeinträchtigte und sozial benachteiligte Ausbildungssuchende. 4. Kann der Senat die Vergabe der EQ differenziert auf die einzelnen Zielgruppenteile aufzeigen? Bitte pro- zentuale Anteile an der Gesamtvergabe in den letzten drei Jahren und gesondert nach Schulabschlüssen und Alter. Zu 4.: Auswertung der Statistik der BA „Zugänge von Teilnehmern in die Maßnahme Einstiegsqualifizierung (§ 54a SGB III, bis 31.03.2012 §235b SGB III) in den letz- ten drei Jahren nach Personenmerkmalen“: Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 384 2 Förderstatistik Zugang von Teilnehmern in Maßnahme "Einstiegsqualifizierung" nach Personenmerkmalen Land Berlin (Gebietsstand August 2014) Zeitreihe Jahressummen, Datenstand: August 2014 Personenmerkmal 2011 2012 2013 1 2 3 Insgesamt 1 549 442 402 davon nach Schulabschluss: Kein Hauptschulabschluss 2 26 20 19 Hauptschulabschluss 3 287 239 199 Mittlere Reife 4 204 163 165 Fachhochschulreife 5 16 9 11 Abitur/Hochschulreife 6 9 7 6 Keine Angabe 7 7 4 * davon (Ze. 1) nach Personenkreis: §235b (4) Nr. 1 SGB III 8 394 286 225 §235b (4) Nr. 2 SGB III 9 101 101 95 §235 (4) Nr. 3 SGB III 10 54 55 82 davon (Ze. 1) nach Alter bei Eintritt: unter 25 Jahre 11 539 430 392 dar. unter 20 Jahre 12 322 255 248 25 bis unter 50 Jahre 13 6 12 10 keine Angabe 14 4 - - Erstellungsdatum: 27.08.2014, Statistik-Service Ost, Auftragsnummer 189277 © Statistik der Bundesagentur für Arbeit *) Aus Datenschutzgründen und Gründen der statistischen Geheimhaltung werden Zahlenwerte von 1 oder 2 und Daten, aus denen rechnerisch auf einen solchen Zahlenwert geschlossen werden kann, anonymisiert. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 384 3 Abgang von Teilnehmern in Maßnahme "Einstiegsqualifizierung" nach Austrittsart Land Berlin (Gebietsstand August 2014) Zeitreihe Jahressummen, Datenstand: August 2014 Austrittsart Jahr 2011 Jahr 2012 Jahr 2013 1 2 3 Insgesamt 485 511 409 dav. kein vorzeitiger Austritt 240 257 223 vorzeitiger Austritt 245 254 186 dav. Arbeit 8 5 * Ausbildung 49 44 19 Studium * - - selbstständige Tätigkeit - * - gesundheitl. Beeinträchtigungen 8 18 11 vertragswidriges Verhalten 27 28 29 fehlende Motivation 49 40 31 Über- oder Unterforderung * 8 * persönliche Gründe 38 51 44 andere Gründe 54 55 43 Berufsvorbereitung 5 * - Erstellungsdatum: 27.08.2014, Statistik-Service Ost, Auftragsnummer 189277 © Statistik der Bundesagentur für Arbeit *) Aus Datenschutzgründen und Gründen der statistischen Geheimhaltung werden Zahlenwerte von 1 oder 2 und Daten, aus denen rechnerisch auf einen solchen Zahlenwert geschlossen werden kann, anonymisiert. 5. Gibt es gesonderte Anstrengungen seitens des Senats Jugendliche mit oder ohne Hauptschulabschluss (bzw. Entsprechendes infolge der Abschaffung dieser Schulform im Land Berlin) mit der EQ zu erreichen? Zu 5.: Die Agenturen für Arbeit und Jobcenter arbei- ten in enger Kooperation mit den Kammern daran, dass der Anteil der Jugendlichen mit und ohne Schulabschluss in einer EQ steigt. Das setzt die Bereitschaft der Arbeit- geberinnen und Arbeitgeber voraus, Qualifizierungsver- träge mit Jugendlichen mit Startschwierigkeiten abzu- schließen. 6. Inwiefern ist der Besuch der Berufsschule während der EQ in Berlin geregelt? Zu 6.: Teilnehmende an einer von der Bundesagentur für Arbeit geförderten Einstiegsqualifizierung erfüllen die Voraussetzungen des § 29 Abs. 5 SchulG und sind damit berufsschulpflichtig. 7. In wie vielen Fällen wurden EQ-Teilnehmende vom Betrieb für den Berufsschulunterricht angemeldet? Zu 7.: Da die EQ-Teilnehmenden berufsschulpflichtig sind, müssen alle EQ-Teilnehmenden für den Berufs- schulunterricht angemeldet werden. Der Betrieb muss hierzu einen Nachweis vorlegen. 8. Inwiefern ist für das Land Berlin die Vergütung der EQ-Teilnehmenden geregelt? Wie hoch ist die durch- schnittliche Vergütung? Bitte branchenabhängig aufzei- gen. Zu 8.: Nach § 54 (1) SGB III können Arbeitgeberin- nen und Arbeitgeber, die eine betriebliche Einstiegsquali- fizierung durchführen, durch Zuschüsse zur Vergütung bis zu einer Höhe von 216 Euro monatlich zuzüglich eines pauschalierten Anteils am durchschnittlichen Ge- samtsozialversicherungsbeitrag der oder des Auszubil- denden gefördert werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 384 4 Weitere Regelungen zur Vergütung sieht das SGB III nicht vor. Die in den EQ-Verträgen vereinbarten konkreten Ver- gütungen werden bei den Agenturen für Arbeit oder Job- centern nicht statistisch erfasst, eine Aussage zur Höhe der durchschnittlichen Vergütung ist daher seitens der BA nicht möglich. Die IHK hat im August 2014 insgesamt 199 Verträge in den Bereichen Hotel- und Gastgewerbe (Hoga) ausge- wertet. Danach beträgt die durchschnittliche Vergütung im (Hoga-Bereich) 298,08 €. Davon wurden bei 57 Verträgen 216 €, bei 10 Verträgen 600 € und bei weiteren 34 Verträgen 220-550 € gezahlt. Im Handel konnten 98 Verträge ausgewertet werden. Demnach beträgt die durchschnittliche Vergütung 227,33 €. Davon wurden bei 85 Verträgen 216 € gezahlt. Bei zwei Verträgen betrug das Entgelt 484,40 € und in einem Fall 444,16 €. Bei den übrigen Verträgen betrug das Entgelt zwischen 220 und 350 €. In den anderen Branchen wurden nur vereinzelt EQ- Verträge abgeschlossen. Die Vergütungen bewegen sich dort in ähnlicher Höhe wie im Bereich des Handels. Die HWK hat keine gesonderte Auswertung vorgelegt und teilt mit, dass sich die Vergütung nach den entspre- chenden Tarifverträgen für Ausbildungsvergütungen richtet. Der Betrieb erhält hierzu einen Zuschuss von 212 Euro im Monat sowie eine Pauschale von 106 Euro im Monat für die Sozialversicherung. 9. In wie vielen Fällen wurde eine Zertifizierung der in der EQ erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten vorge- nommen? Gibt es Fälle, bei denen keine Zertifizierung erfolgte? Wenn ja, bitte begründen. Zu 9.: Diese Angaben werden bei den Agenturen für Arbeit und Jobcentern nicht statistisch erfasst. Im Bereich der IHK wurden für den Zeitraum 01.08.2013 bis 25.08.2014 60 EQ-Zertifikate ausgestellt. 8 EQ-Praktikantinnen und Praktikanten konnten kein Zertifikat erhalten, da sie das Qualifizierungsziel nicht erreicht haben. Die Ausreichung der Zertifikate erfolgt nur auf Anforderung der Unternehmen oder des/der EQ- Teilnehmenden. Daher gibt es noch eine größere Anzahl an EQ-Verhältnissen, für die kein Zertifikat ausgestellt wurde. Bei der HWK bewertet der Betrieb die Leistungen und fordert anschließend das Zertifikat an. Für ungefähr ein Drittel der EQ-Teilnehmenden wird ebenso kein Zertifikat angefordert. Die Gründe sind der HWK nicht bekannt. Es gab hierzu jedoch noch keine Beschwerden von EQ- Teilnehmenden. 10. Hat der Senat Kenntnis bezüglich der Übernahmequote von EQ-Teilnehmenden? Wenn ja, bitte geson- dert nach Alter und Schulabschluss der Übernommenen für die letzten drei Jahre aufführen. Zu 10.: Der RD BB liegen statistische Daten zu Über- nahmequoten nicht vor. Das Handwerk berichtet von einer Übernahmequote von mehr als 50 %. Allerdings sind hierbei die Übernah- men, die nicht im selben Betrieb sondern in anderen Be- trieben, Gewerken, Branchen oder Kammerbezirken re- gistriert werden, nicht eingerechnet. Die IHK macht dazu keine Angaben. 11. Inwieweit soll die EQ weiter entwickelt werden, welche Perspektive sieht der Senat für das Instrument? Zu 11.: Da die EQ als betriebsnahes Instrument der Berufsvorbereitung zu besseren Übergängen in Ausbil- dung und/oder Beschäftigung als andere Instrumente führt, streben die Agenturen für Arbeit und Jobcenter zusammen mit den relevanten Partnern, wie Unterneh- merverband (UVB) und Kammern an, die Zahl der Ein- tritte in EQ zu erhöhen. Daher wird die enge Kooperation der Agenturen für Arbeit und Jobcenter mit den Kammern fortgesetzt. Zent- ral ist die Voraussetzung, dass genügend Arbeitgeberin- nen und Arbeitgeber bereit sind, auch mit jungen Men- schen mit Startschwierigkeiten einen Vertrag über eine EQ abzuschließen Ebenso wird angestrebt, die Eingliederungsquote nach einer EQ weiter zu erhöhen. 12. Gibt es Abbrüche während der EQ-Maßnahme? Wie hoch sind diese ggf. und welches sind die Gründe (bitte Zeitablauf der letzten drei Jahre aufzeigen)? Zu 12.: Siehe auch unter 4. Angaben der BA. Von der IHK sind folgende Daten dazu geliefert wor- den: EQ-Zeitraum Stand/ Anzahl Kün- digungen 01.08.2010 bis 01.03.2011 30.09.2011 / 121 01.08.2011 bis 01.03.2012 30.09.2012 / 131 01.08.2012 bis 01.03.2013 30.09.2013 / 104 Mit der gemeinsamen Initiative von IHK und RD BB konnten die EQ-Abbrüche ab 2012 dank der engen Be- treuung der Teilnehmenden stark gesenkt werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 384 5 Als Gründe für weiterhin sich ergebende Abbrüche wurden genannt: - Unpünktlichkeit und unentschuldigte Fehlzeiten (Hauptgrund) - Übergang in Ausbildung oder Aufnahme einer anderen Tätigkeit - Beruf entspricht nicht den Interessen der EQTeilnehmenden - Unternehmen hat sich nicht genügend gekümmert - EQ-Teilnehmende wurden den Anforderungen des Unternehmens nicht gerecht Im Handwerk liegen die Abbrüche bei ca. 25 %. Ein Teil der Teilnehmenden wird vor Ablauf der EQ in dem- selben oder in einem anderen Betrieb in eine Ausbildung übernommen. Als Gründe für den Abbruch wurden folgende mehr- heitlich genannt: - falsche Berufswahl - „Chemie“ zwischen Ausbildungsbetrieb und Lehr- ling „stimmt nicht“ - Gesundheitliche Gründe - Wechsel in einen anderen Beruf oder anderen Be- trieb - Wechsel in andere Angebote (z.B. schulische Angebote ) Berlin, den 05. September 2014 In Vertretung Boris Velter Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Sep. 2014)