Drucksache 17 / 14 392 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 13. August 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. August 2014) und Antwort Speicherungen von Personendaten beim Verfassungsschutz Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welchen datenschutzrechtlichen Vorgaben unter- liegt der Berliner Verfassungsschutz bei der Speicherung von Personendaten? Zu 1.: Der Berliner Verfassungsschutz unterliegt bei der Speicherung von Personendaten den Vorgaben, die sich aus den Grundrechten, insbesondere dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und dem Grund- satz der Verhältnismäßigkeit, aus dem Zweiten Abschnitt (§§ 11 bis 17) des Berliner Verfassungsschutzgesetzes (VSG Bln) und den anwendbaren Vorschriften des Berli- ner Datenschutzgesetzes (§ 38 VSG Bln) ergeben. Danach dürfen rechtmäßig erhobene personenbezogene Informa- tionen u.a. dann gespeichert werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen oder geheimdienstliche Tätigkeiten nach § 5 Absatz 2 VSG Bln vorliegen oder dies für die Erforschung oder Bewer- tung von gewalttätigen Bestrebungen oder geheimdienst- lichen Tätigkeiten erforderlich ist. Die Speicherdauer ist auf das für die Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. 2. Nach welchen Kriterien werden Personendaten vom Verfassungsschutz erfasst und für wie lange gespei- chert? Zu 2.: Der Berliner Verfassungsschutz verfolgt das Konzept einer differenzierten und am Grundsatz der Ver- hältnismäßigkeit ausgerichteten Speicherung personenbe- zogener Daten. Der Umfang der Speicherung richtet sich nach der Art der Betätigung, die eine Person in einer oder für eine als Beobachtungsobjekt vorab festgelegten Grup- pierung entfaltet. Die Speicherung erfolgt so lange, wie tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebun- gen oder geheimdienstliche Tätigkeiten vorliegen oder dies für die Erforschung oder Bewertung von gewalttäti- gen Bestrebungen oder geheimdienstlichen Tätigkeiten erforderlich ist. Die weitere Erforderlichkeit der Speiche- rungen wird bei der Einzelfallbearbeitung sowie in regel- mäßigen Abständen von höchstens fünf Jahren, unter- stützt durch ein Informationstechnologie-basiertes Wie- dervorlagesystem, überprüft. Sofern die Speicherungen keine sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten betreffen, sind die Personendaten spätestens zehn Jahre nach der zuletzt gespeicherten relevanten In- formation zu löschen (§ 13 Absatz 1 VSG Bln). 3. Was führt zur Löschung von Personendaten? Zu 3.: Personendaten werden entsprechend den gesetz- lichen Vorgaben (§ 14 Absatz 2 VSG Bln) gelöscht, wenn ihre Speicherung irrtümlich erfolgt war, unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist und schutzwürdige Interessen der be- troffenen Person, zum Beispiel wegen eines laufenden Auskunftsverfahrens nach § 31 VSG Bln, nicht beein- trächtigt werden. Die Kenntnis der Personendaten ist für die Aufgabenerfüllung insbesondere dann nicht mehr erforderlich, wenn im Zuge der Einzelfallbearbeitung festgestellt wird, dass sich die Person aus der extremisti- schen Szene entfernt hat, oder bei der turnusmäßigen Überprüfung keine tatsächlichen Anhaltspunkte im Sinne des § 11 Absatz 1 VSG Bln, die eine weitere Speicherung rechtfertigen würden, festgestellt werden können. 4. Wie viele Personendaten sind in den letzten drei Jahren erfasst und über welchen Zeitraum gespeichert worden? Zu 4.: Wie bereits in der Antwort auf Frage 3 der Schriftlichen Anfrage Nr. 17/13233 vom 13. Februar 2014 ausgeführt, ist eine rückwirkende Bestimmung der in den vergangenen Jahren jeweils gespeicherten und neu erfassten Personendatensätze technisch nicht möglich. Gleiches gilt für die Speicherdauer, die zudem erst fest- steht, wenn die Person wieder gelöscht wird. Daher ist es dem Senat nicht möglich, insoweit eine Auskunft zu ge- ben. In der erwähnten Schriftlichen Anfrage Nr. 17/13233 ist eine Gesamtzahl der erfassten Personen mit Stand 24. Februar 2014 genannt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 392 2 5. Führt der Verfassungsschutz und/oder in Koopera- tion mit dem Datenschutzbeauftragten eine regelmäßige Überprüfung durch, welche Personendaten gelöscht gehö- ren? Zu 5.: Bereits die Erstspeicherung der Personendaten- sätze unterliegt der Prüfung und dem Zustimmungsvorbe- halt des jeweiligen Vorgesetzten. Eine regelmäßige Über- prüfung, welche Personendaten gelöscht gehören, erfolgt zu jedem einzelnen Datensatz mittels eines IT-gestützten Wiedervorlagesystems. Daneben finden regelmäßige Einzelfallüberprüfungen durch den behördlichen Daten- schutzbeauftragten und den Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit im Rahmen der Überprüfung von Auskunftsersuchen nach § 31 VSG Bln statt. 6. Ist dem Verfassungsschutz der Fall aus Nieder- sachsen bekannt, wo festgestellt wurde, dass 20 Prozent der Personendaten unrechtmäßig gespeichert und weitere 20 Prozent noch nicht gelöscht wurden? Hält der Senat dies ebenso für Berlin möglich und warum? Zu 6.: Dem Senat ist der Abschlussbericht der von der Landesregierung Niedersachsen eingesetzten „Task Force“ zur Überprüfung der Datenspeicherungen beim dortigen Verfassungsschutz bekannt. Der Bericht befasst sich ausschließlich mit der damaligen Situation in Nieder- sachsen und kann nicht unbesehen auf andere Länder übertragen werden. Der Berliner Verfassungsschutz hat den Bericht unmittelbar nach seiner Veröffentlichung zum Anlass genommen, die eigene Speicherpraxis mit den von der „Task Force“ getroffenen Feststellungen zu spiegeln und durch den behördlichen Datenschutzbeauftragten und die bestehende interne Fachprüfgruppe stichprobenhaft überprüfen zu lassen. Als Ergebnis wurde festgestellt, dass die von der „Task Force“ schwerpunktmäßig festgestellten Problemfelder in Berlin aufgrund anderer gesetz- licher, organisatorischer oder technischer Rahmenbedin- gungen nicht bestehen. Berlin, den 02. September 2014 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Sep. 2014)