Drucksache 17 / 14 398 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dirk Stettner (fraktionslos) vom 19. August 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. August 2014) und Antwort Rahmenbedingungen für eine gelungene Integration von Flüchtlingen in Berlin, insbe- sondere in Weißensee Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Zum Jahresende 2014 soll im ehemaligen Com- forthotel an der Rennbahnstraße in Weißensee ein Flücht- lingsheim mit bis zu 260 Plätzen eröffnet werden. Auf der Veranstaltung am 17.07.14 im Freizeithaus in Weißensee sagte die zuständige Stadträtin, der Bezirk und sie selbst seien erst am 14.07.14 von dieser Nachricht überrascht worden. Wann wurde der Bezirk Pankow vertreten durch wen von wem darüber informiert, dass im Comforthotel ein neues Flüchtlingsheim entstehen soll? 2. Um die Einrichtung neuer Flüchtlingsheime gut vorbereiten zu können, müssen die Anwohner bereits frühzeitig transparent und umfassend informiert werden, bevor die Flüchtlinge am neuen Standort ankommen. Welche Informationen an die Anwohner haben der Senat und/oder seine nachgeordneten Behörden wann an wen herausgegeben? 3. Falls der Senat den Bezirk informiert hat: Ist es nach Ansicht des Senats auch die Aufgabe des Bezirks, die Anwohner rechtzeitig und transparent zu informieren? Zu 1. bis 3.: Der Senat arbeitet bei der Errichtung neu- er Unterkünfte für die Flüchtlingsunterbringung frühzeitig und eng mit dem jeweiligen Bezirk zusammen. Bezogen auf das konkrete Objekt Rennbahnstraße wurde der Be- zirk Pankow von Berlin im März 2014 erstmals unterrich- tet. Bei der frühzeitigen und angemessenen Anwohner- Beteiligung handelt es sich um eine Aufgabe, die vorran- gig auf Bezirksebene wahrzunehmen ist. Das ergibt sich aus den Bestimmungen zur Mitwirkung der Einwohner- schaft nach dem 6. Abschnitt des Bezirksverwaltungsge- setzes (BezVG). Gleichwohl hat insoweit in der Vergan- genheit bei Bedarf sowohl die für Soziales zuständige Senatsverwaltung als auch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) dabei Unterstützung geleistet, u. a. durch Teilnahme an Anliegerversammlungen, was auch zukünftig in Betracht kommen wird. Zusätzlich gibt das LAGeSo vor Eröffnung einer neuen Unterkunft eine Umfeldinformation heraus. Bei der in Rede stehenden Einrichtung ist diese Ein- beziehung der lokal ansässigen Wohnbevölkerung am 17.07.2014 im Rahmen einer Anliegerversammlung er- folgt. 4. Der Betreiber des neuen Heims an der Rennbahn- straße hat in der Veranstaltung vom 17.07.14 darauf hin- gewiesen, dass er eine Information der Anwohner über eine Pressemitteilung erst plane wenn ihm die Bauge- nehmigung erteilt worden sei. Nur durch die Initiative der Weißenseer Organisationen vor Ort wurde eine sofortige schriftliche Information sichergestellt. Welche Auflagen hat der Betreiber erhalten bezüglich der Information der Anwohner? 5. Der Betreiber hat auf der Veranstaltung am 17.07.14 zugesagt, eine ständig erreichbare "Hotline" einzurichten. Diese Hotline-Telefonnummer wurde durch die Weißenseer Organisationen den Anwohnern zur Ver- fügung gestellt, der Betreiber informierte darüber ledig- lich die Mieter im Comforthotel. Allerdings stellt der Betreiber nun die Erreichbarkeit dieser Hotline nicht sicher. Ist der Betreiber verpflichtet worden, eine Hotline bereitzustellen? Zu 4. und 5.: Derartige „Auflagen“ bzw. Verpflichtungen wurden dem Betreiber der Einrichtung durch das LAGeSo nicht auferlegt. 6. Während das neue Flüchtlingsheim vorbereitet und noch über die Information der Anwohner nachgedacht wurde, zogen über ein anderes Programm bereits Flücht- linge in das Comforthotel ein. Wer koordiniert die Beset- zung von Objekten mit Flüchtlingsplätzen? Wer ist dafür verantwortlich, dass nicht parallel ohne Abstimmung zwei Vorgänge zum gleichen Objekt betrieben werden, die Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 398 2 dazu führen, dass die an die Anwohner gegebenen Infor- mationen von diesen als veraltet bzw. falsch wahrge- nommen werden? 7. Durch wen und wie wird sichergestellt, dass die be- reits im Comforthotel wohnenden Flüchtlinge ausreichend durch sozialpädagogische Kräfte betreut werden? Gibt es Auflagen an den Betreiber eine 24h-Betreuung sicherzu- stellen und wie sehen diese aus? Gilt dies auch für die bereits dort lebenden Flüchtlinge und welche fachliche Qualifikationen müssen für die Betreuung erfüllt sein? Zu 6. und 7.: Bei der kurzfristig vorgenommenen Be- legung des Comforthotels handelte es sich um die Ein- quartierung von Asylbegehrenden im laufenden Hotelbe- trieb, nicht um die Eröffnung einer Gemeinschaftsunter- kunft. Für eine derartige Hotelunterbringung sind Vorgaben zur Betreuung etc. nicht vorgesehen, da auf diese Form der Unterbringung lediglich zeitweise zurückgegriffen wird, wenn Plätze in Gemeinschaftsunterkünften auf Grund der anhaltend hohen Zuzugszahlen von Asylsu- chenden nicht in ausreichender Anzahl verfügbar sind. 8. Der Betreiber schilderte am 17.07.14 seine Pläne zu einer sozialpädagogischen Betreuung der Flüchtlinge tagsüber und dem Wachschutz in den Nachtstunden. Wie schätzt der Senat die Notwendigkeit einer sozialpädagogi- schen Betreuung rund um die Uhr ein und wird es ent- sprechende Auflagen geben? Wie wird die Kontrolle der Einhaltung von jeglichen Auflagen sichergestellt? Zu 8.: Der Betreiber einer Gemeinschaftsunterkunft ist vertraglich zur Einhaltung der Qualitätsstandards des LAGeSo verpflichtet, zu der auch eine ausreichende Be- treuung der Bewohnerinnen und Bewohner gehört. Mitar- beiterinnen und Mitarbeiter des LAGeSo begehen die Unterkünfte und stellen eine Kontrolle sicher. 9. Wer ist aus Sicht des Senats für die Sicherstellung der notwendigen Infrastruktur für ein neues Flüchtlings- heim zuständig? Unter anderem sind Schul- und Kitaplät- ze in ausreichendem Maße bereitzustellen. Ist dies für die neue Unterkunft an der Rennbahnstraße mit zu erwarten- den 260 Bewohnern ab Beginn des Jahres 2015 gewähr- leistet? Zu 9.: Das LAGeSo beteiligt vor der geplanten Inbe- triebnahme einer neuen Gemeinschaftsunterkunft zum frühestmöglichen Zeitpunkt die betroffenen Bezirksver- waltungen, die sich eng mit den weiteren zuständigen Stellen, u. a. der für das Schulwesen zuständigen Senats- verwaltung abstimmen. 10. Flüchtlinge welcher Ethnien sind für das Flücht- lingsheim im Comforthotel vorgesehen und zu welchen prozentualen Anteilen? Zu 10.: Bei der Belegung der Gemeinschaftsunter- künfte wird grundsätzlich nicht nach der Zugehörigkeit zu bestimmten Volksgruppen differenziert. 11. Wie hoch sind die Anerkennungsquoten der Asyl- anträge für die verschiedenen Volksgruppen in Berlin? Wie lange dauert ein Asylprüfverfahren jeweils für die verschiedenen Ethnien? Zu 11.: Die Asylverfahren werden gemäß § 5 Absatz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in eigener Zuständig- keit bearbeitet und dort statistisch erfasst und dokumen- tiert. Der Senat führt hierzu keine eigenen Erhebungen durch. Es wird daher auf die Asylgeschäftsstatistik des BAMF verwiesen, die zuletzt in der Ausgabe für Juli 2014 vorliegt und auf dem Online-Portal des BAMF unter dem Link http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downlo ads/Infothek/Statistik/201407-statistik-anlage-asyl- geschaeftsbe- richt.html;jsessionid=9A45C01EC60126F2BB119B3D5C 42153B.1_cid359?nn=1694460 abgerufen werden kann. 12. Wie viele Flüchtlinge sind in den Monaten Mai, Juni, Juli 2014 nach Berlin gekommen? Zu 12.: In Berlin wurden wie folgt Asylbegehrende aufgenommen: Im Mai 2014: 771 Personen Im Juni 2014: 884 Personen Im Juli 2014: 1.047 Personen Im August: 1.145 Personen. Nicht berücksichtigt sind hierbei jene Personen, die das Asylbegehren erstmals in Berlin vorgebracht haben, aber sodann gemäß § 45 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) in andere Bundesländer verteilt worden sind. 13. Mit wie vielen Flüchtlingen rechnet der Senat in den Monaten August bis Dezember 2014? Zu 13.: Nach der Mitteilung gemäß § 44 Abs. 2 AsylVfG über die voraussichtliche Entwicklung der Zu- gänge von Asylbegehrenden und den voraussichtlichen Bedarf an Unterbringungsplätzen, welche das BAMF den Bundesländern mit Schreiben vom 20.08.2014 übersandt hat, rechnet das BAMF derzeit mit einem monatlichen bundesweiten Zugang von 16.000 – 18.000 Erstantragstellerinnen und Erstantragstellern. Gemäß der nach § 45 AsylVfG auf Berlin entfallenden Aufnahmequote wäre daher in den nächsten Monaten von einem Zuzug von jeweils etwa 800 bis 900 Personen auszugehen, die erst- malig einen Asylantrag in der Bundesrepublik Deutsch- land stellen und in Berlin aufzunehmen sein werden. Hinzu kommen noch jene Personen, die einen Folgeantrag Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 398 3 stellen. In den ersten beiden Septembertagen sind aller- dings bereits 191 Flüchtlinge dem Land Berlin zugewie- sen worden. Das lässt darauf schließen, dass die Progno- sedaten des BAMF weit übertroffen werden. 14. Wie viele freie Plätze stehen für die Aufnahme der neuen Flüchtlinge heute im Land Berlin sicher zur Verfü- gung (aufgeteilt nach Bezirken)? 15. Ist aus Sicht des Senats die Unterbringung in Flüchtlingsheimen der richtige Ansatz, um die weiteren Flüchtlinge unterzubringen und die soziale Infrastruktur sicherzustellen? Zu 14 und 15.: Mit Stand 26.08.2014 stellt das LA- GeSo 9.696 Plätze in Gemeinschaftsunterkünften (ein- schließlich Aufnahmeeinrichtungen nach § 44 AsylVfG sowie eine vertragsfreie Unterkunft und die Aufnahme- einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge) für die Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung. Das LAGeSo bemüht sich laufend um eine Kapazitätsauswei- tung. Die vorgenannten Unterbringungskapazitäten sind auf alle Berliner Stadtbezirke verteilt. Der Senat ergreift im Übrigen alle erforderlichen Maßnahmen, um ungeachtet der stark gestiegenen und voraussichtlich auch längerfristig auf hohem Niveau ver- bleibenden Zuzugszahlen eine menschenwürdige Unter- bringung aller in Berlin aufzunehmenden Asylbegehren- den und Flüchtlinge sicherzustellen. Hierzu gehört die Unterstützung bei der Suche nach privatem Wohnraum ebenso wie die Schaffung zusätzli- cher Kapazitäten in Gemeinschaftsunterkünften und die Nutzung von freien Plätzen in Hostels oder ähnlichen Beherbergungsbetrieben. Auf Grund der in diesem Umfang nicht prognostizier- ten Zuzugszahlen müssen darüber hinaus kurzfristig be- gleitende qualifizierte Vorkehrungen getroffen werden, um für alle betroffenen Personengruppen ungeachtet dieser erschwerten Rahmenbedingungen eine angemesse- ne Unterbringung zu gewährleisten. Das LAGeSo prüft mit personeller Unterstützung der für Soziales zuständi- gen Senatsverwaltung daher geeignete alternative Kon- zepte, die kurzfristig den Bestand an Plätzen in Gemein- schaftsunterkünften ergänzen können. Berlin, den 05. September 2014 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Sep. 2014)