Drucksache 17 / 14 405 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Michael Arndt (SPD) vom 06. August 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. August 2014) und Antwort Quo vadis Kulturlandschaft Dahlem: Wie sehen die Zukunftsperspektiven am Standort der Dahlemer Museen aus? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Mit der Fertigstellung des Berliner Stadtschlosses 2018/2019 werden die außereuropäischen Sammlungen der Dahlemer Museen – das Ethnologische Museum sowie das Museum für Asiatische Kunst – in das Humboldt-Forum in Mitte verlagert werden. Der Umzug des Museums Europäischer Kulturen soll mit etwas zeitlichem Abstand folgen. a) Teilt der Senat die Auffassung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK/SMB), dass Dahlem als Museumsstandort aufgrund seiner geographischen Randlage im Berliner Südwesten für Besucher nicht attraktiv und deshalb ein Umzug in die Stadtmitte wünschenswert ist? Wenn ja, wie begründet sich diese Ansicht? b) Trifft es zu, dass die magazinierten Museumsbestände, die nach dem Umzug vorerst in Dahlem verbleiben sollen, langfristig in die neu errichteten Depots und Magazine des Köpenicker Ortsteils Friedrichshagen verlagert werden sollen und die SPK daran festhält, Dahlem als Standort für die Museen der Stiftung aufzugeben? Zu 1. a): Bis zum Jahr 2000 galten für die räumliche und bauliche Unterbringung der Staatlichen Museen zu Berlin (SMB) die „Denkschrift zu den zukünftigen Standorten (…) der Staatlichen Museen zu Berlin“ von 1990, vom Stiftungsrat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) in seiner Sitzung am 4. Februar 1991 grundsätzlich gebilligt, und der „Masterplan Museumsinsel“, gebilligt vom Stiftungsrat am 4. Juni 1999. In seiner 109. Sitzung am 13. Juni 2000 hat der Stiftungsrat der SPK den Präsidenten aufgefordert, eine Studie zur inhaltlichen und konzeptionellen Konkretisierung der Beteiligungsmöglichkeiten der Stiftung mit ihren außereuropäischen Sammlungen für ein Humboldt-Forum vorzulegen. Gewichtige Argumente waren die absehbaren, hohen Sanierungskosten für den Museumsstandort Dahlem und die deutlich besseren Prognosen für die Bildungs- und Vermittlungsarbeit am neuen Standort in Berlin-Mitte am Schlossplatz in unmittelbarer Nachbarschaft zur Museumsinsel. Die Planung für das Berliner Schloss mit seinen Auswirkungen für den Museumskomplex Dahlem folgte der parlamentarischen Debatte, welche zum Beschluss des Deutschen Bundestages zur Wiedererrichtung des Berliner Schlosses und seine Nutzung als Humboldt- Forum vom 4. Juli 2002 führte. Das relevante Nutzungskonzept entwickelte die Internationale Experten-kommission „Historische Mitte Berlin“ zum Nutzungskonzept für das Humboldt-Forum im Berliner Schloss. Das Konzept wurde 2007 vom Bundestag beschlossen und ist für die SPK und ihre Museen verbindlich. Zeitlich folgte dem der Realisierungswettbewerb für das Berliner Schloss – Humboldt-Forum. Ausgelobt wurde der Wettbewerb von der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) in Kooperation mit dem Land Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Verantwortlich für Koordination und Durchführung war das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Am 06. Juli 2011 haben die Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen des Bundestages im Haushaltsausschuss der Entwurfsplanung für das Berliner Schloss – Humboldt-Forum zugestimmt und damit endgültig grünes Licht für dessen Verwirklichung gegeben. Die SPK und die SMB sind während des gesamten Verfahrens als einer der Hauptnutzer in die Planung und Umsetzung einbezogen gewesen. Auch der Senat hält das Gesamtkonzept für überzeugend. zu 1. b) Da die Kapazitäten durch Überbelegung ausgeschöpft sind und Reserven nicht mehr bestanden und weil im innerstädtischen Bereich Depots nicht mehr wirtschaftlich und den konservatorischen Grundbe- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 405 2 dingungen angemessen betrieben werden können, soll ein zentrales Speichergebäude in Berlin-Friedrichshagen errichtet werden. Der Bauwettbewerb wurde vom BBR im Jahr 2006 ausgelobt und in 2007 entschieden. 2. Aktuell bildet das Ethnologische Museum in Dahlem gemeinsam mit dem Haus am Waldsee den Schwerpunkt und gedanklichen Hotspot der achten Berlin-Biennale. Die Wahl der Ausstellungsorte abseits des Museumsballungsgebiets in Mitte kann dabei im Kontext einer Kritik an der zentralisierten Berliner Kulturpolitik gelesen werden. a) Liegen dem Senat bereits Stellungnahmen der Veranstalter sowie erste Besucherzahlen der diesjährigen Berlin-Biennale vor und wie kann auf deren Grundlage der Ausstellungserfolg insgesamt bewertet werden? Für den Fall, dass sich die Biennale 2014 als Publikumsmagnet beweisen konnte: Wie beurteilt der Senat vor diesem Hintergrund seinerzeit die Entscheidung des Umzugs der Dahlemer Museen nach Mitte? b) Teilt der Senat in Anbetracht dieser Tatsache die Ansicht, dass Dahlem auch zukünftig Teil der Berliner Museenlandschaft bleiben und so gleichsam einer bewohner- wie auch touristengerechten Stadtentwicklung Rechnung getragen werden sollte oder werden andere Nutzungen bevorzugt? Zu 2. a): Die Biennale findet alle zwei Jahre an variierenden Orten in Berlin statt und wird von unterschiedlichen Konzepten bekannter Kuratorinnen und Kuratoren geprägt. Sie sind berufen, den Dialog mit der Stadt, ihrer Öffentlichkeit, den Kunstinteressierten sowie den Künstlerinnen und Künstlern dieser Welt zu führen. Die Museen in Dahlem waren einer von 3 Spielorten der Biennale vom 29. Mai bis zum 3. August 2014. Zur diesjährigen 8. Berlin Biennale verfolgten die Kuratoren die konzeptionelle Idee, die Exponate der Biennale in bestehende Sammlungen zu integrieren. Nach Standorten differenzierte Besucherzahlen liegen dem Senat bislang nicht vor. Für den Standort Dahlem kann allerdings festgehalten werden, dass 2014 eine leichte Steigerung der Besucherzahlen zu verzeichnen ist. Dies könnte auf die Biennale zurückgeführt werden. Inwieweit davon eine nachhaltige Wirkung auf einen neuen Publikumskreis abgeleitet werden kann, wäre in der Folgezeit zu beobachten. Zu 2. b): Zur Nachnutzung der Dahlemer Museums- bauten wurde auf Initiative der Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten durch den Präsidenten der SPK ein runder Tisch einberufen. Daraus entstanden Arbeits- gruppen, die sich dem Thema widmen. Siehe dazu Antwort zu 3. 3. Mit dem Umzug der Dahlemer Museen in das Humboldt-Forum droht dem Südwesten Berlins ein kultureller Bedeutungsverlust. Die Nähe zu den kunsthistorischen und ethnologischen Forschungsein- richtungen der FU Berlin sowie die erst kürzliche Grundsanierung des Bruno-Paul-Baus (2009-2011) sprechen für einen nachhaltigen Umgang mit dem historisch gewachsenen Museumsstandort Dahlem und seinen Gebäuden. a) Haben der Senat und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Anbetracht dessen bereits Pläne für ein ganzheitliches Konzept der Nachnutzung als Museumsstandort entwickelt? b) Sofern dies der Fall ist: Wie sieht dieses Konzept aus und wurden schon entsprechende Machbarkeitsstudien durchgeführt? c) Gibt es unabhängig von einer Aufrechterhaltung als Museumsstandort weitere Ideen zur Nachnutzung der Dahlemer Gebäude als Kultur- oder Wissenschaftsstandort in Hinblick auf Berlin als flächendeckende „Creative City“? Sind bereits konkrete Kooperationen mit der FU Berlin oder anderen benachbarten Kultur- oder Forschungs- einrichtungen geplant? Zu 3. a) bis c): Die Sanierung des Bruno-Paul-Baus war keine Grundsanierung, sondern eine beschränkte Baumaßnahme zur Gewährleistung des Funktionserhalts des Gebäudes (Brandschutz, Elektrotechnik, Klima). Dazu kommt die Herrichtung der Ausstellungsräume für das Museum Europäischer Kulturen (MEK), um Leerstand vorzubeugen. Das MEK wird vorerst im Bruno- Paul-Bau verbleiben. Perspektivisch ist der Verbleib allein am Standort Dahlem nicht sinnvoll. Hier ist ebenfalls eine Verlagerung im Gespräch, wobei in den vergangenen Jahren vor allem eine Unterbringung im Kontext der Museen der europäischen Kunst am Kulturforum angedacht wurde. Dies bedeutet für die SPK in letzter Konsequenz, dass Dahlem mittel- bis langfristig als Museumsstandort der Staatlichen Museen zu Berlin vollständig aufgegeben wird. Es bestehen noch keine konkreten Pläne für die Weiternutzung der Gebäude des bisherigen Museumskomplexes Dahlem. Für die SPK und deren SMB steht fest, dass auf der Grundlage des Bundestagsbeschlusses und der Beschlusslage des Stiftungsrates der SPK das o.g. Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst mit ihren Ausstellungsräumen und den Direktionen sowie den Bibliotheken in das Humboldt-Forum umziehen und dieses mit dessen Eröffnung 2019 weitgehend abgeschlossen sein wird. Die Depots, deren Kapazitäten und konservatorische Standards für die Bedürfnisse dieser Museen nicht mehr ausreichen, werden nach Errichtung der entsprechenden Kapazitäten in den SPK- Speicherstandort Friedrichshagen umziehen. Siehe auch Antwort zu 1. b). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 405 3 Aktuell finden Gespräche – koordiniert von der Generaldirektion der SMB und vom Präsidenten der Freien Universität (FU) – zu möglichen Nachnutzungsoptionen für die Liegenschaft Dahlem in wechselnden Konstellationen zwischen Bund, Land Berlin und Bezirk Zehlendorf, SPK/SMB und FU statt. Es besteht eine Arbeitsgruppe aus FU, Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, SPK und SMB. Die aktuelle und ernstzunehmende Option ist eine (Teil-)Nachnutzung der Liegenschaft durch die FU. Gedacht wird an eine Art Labor für die gesamte Bandbreite der Forschung an der FU, die von den Geisteswissenschaften bis zur Nanotechnologie reicht, unter Einbeziehung von im Aufbau befindlichen Start-ups. SMB ist hier auf verschiedenen Ebenen beratend in die Diskussion einbezogen. 4. Auf gemeinsame Initiative des Sekretariats für Zukunftsforschung an der FU Berlin unter Leitung von Prof. Dr. Rolf Kreibich sowie dem Verein „berlinsüdwest“ wurde bereits im April 2010 ein erster Entwurf für ein Nachnutzungskonzept entwickelt und einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. a) Ist der Berliner Kulturverwaltung das Konzept „Museum der Zukunft – Berliner Wissenschaftsund Kulturpark für Nachhaltige Entwicklung“ ein Begriff? b) Wie beurteilt der Senat grundsätzlich die Idee in Dahlem ein Museum der Zukunft einzurichten, das die Menschen und Besucher im Rahmen interaktiver Kommunikation und Partizipation dabei unterstützen soll, sich in einer zunehmend komplexen und globalisierten Welt zu orientieren? c) Sofern das Nachnutzungskonzept auf die Zustimmung des Senats trifft: Sieht der Senat eine konkrete Umsetzungschance und beabsichtigt entsprechend die Weiterverfolgung des Projekts? Zu 4. a - c): Die bezeichnete Studie von Herrn Prof. Dr. Kreibich ist dem Senat nicht bekannt und auch nach Internetrecherche nicht auffindbar, sodass dazu keine Stellung genommen werden kann. Berlin, den 2. September 2014 Der Regierende Bürgermeister In Vertretung Tim Renner Staatssekretär für Kulturelle Angelegenheiten (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Sept. 2014)