Drucksache 17 / 14 424 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Björn Eggert (SPD) vom 25. August 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. August 2014) und Antwort Drogenumschlagplatz Görlitzer Bahnhof Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Ist der Senatsinnenverwaltung bekannt, dass aktuell massiv am Görlitzer-Bahnhof mit Drogen gehandelt wird? Zu 1.: Ja. 2. Sind aktuelle Presseberichte zutreffend, dass die Polizei nichts gegen die dortigen Zustände unternommen hat? Zu 2.: Nein. 3. Welche Maßnahmen hat sie gegebenenfalls doch ergriffen und mit welchem Erfolg? 4. Wie viele Festnahmen erfolgten im Bereich um den Görlitzer Bahnhof und Görlitzer Park seit 2013 im Zu- sammenhang mit Drogendelikten? Zu 3. und 4.: Am 12. Mai 2014 wurde die „Ermittlungsgruppe (EG) Görlitzer Park“ im Referat Verbrechensbekämpfung der Polizeidirektion 5 eingerichtet. Ziel ist die konzentrierte Bekämpfung der Kriminalität in den Bereichen des Görlitzer Parks einschließlich des U- Bahnhofes Görlitzer Bahnhof mit deliktsübergreifendem täterorientiertem Ansatz. Die EG bearbeitet überwiegend Ermittlungsverfahren, die von ihrer Art her geeignet sind, das Sicherheitsgefühl der Nutzerinnen und Nutzer des U-Bahnhofs Görlitzer Bahnhof sowie der Besucherinnen und Besucher des Görlitzer Parks stark zu beeinträchtigen. Dazu gehören Delikte wie Raub, räuberische Erpressung, Erpressung, Körperverletzung, Diebstahl und Unterschlagung, Handel mit Betäubungsmitteln (BtM), alle Facetten der Jugend- gruppengewalt sowie die originär im Landeskriminalamt zu bearbeitenden Straftaten Taschendiebstahl und Betrug sowie weiterhin gegebenenfalls BtM-Handel im öffentli- chen Personennahverkehr (ÖPNV), mit Fokus auf ausge- wählte Täterinnen und Täter und dem Ziel einer zusam- mengefassten Bearbeitung. Bis zum 1. September 2014 führte die EG Görlitzer Park Strafermittlungsverfahren gegen ca. 70 Personen, die insbesondere durch Raubtaten, Körperverletzungsdelikte und Zuwiderhandlungen nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) in Erscheinung traten. Aus Sicht des Senats stellen die durch die Polizei ak- tuell umgesetzten repressiven und präventiven Strategien zur Bekämpfung der BtM-Kriminalität ein sehr hohes Maß an Engagement durch besondere Schwerpunktset- zung dar. Die nachstehende Tabelle stellt die im Rahmen der Brennpunkteinsätze vorgenommenen Freiheitsentziehun- gen deliktsunabhängig dar. Eine deliktsbezogene Erfas- sung erfolgt nicht und entsprechende Zahlen sind auch nicht retrograd zu erheben. Nach polizeilicher Einschät- zung kann jedoch davon ausgegangen werden, dass der Großteil der Freiheitsentziehungen auf Delikte der Betäu- bungsmittelkriminalität zurückzuführen ist. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 424 2 Jahr/Monat Summe der Ein- sätze Einsatz- kräfte- stunden Personen- überprü- fungen Platz- verweise Freiheits- ent- ziehungen Ermitt- lungs- verfahren davon BtMG 2 0 1 3 Januar 16 277 90 11 21 26 18 Februar 4 62 27 12 11 12 9 März 8 261 36 21 16 26 12 April 8 407 107 14 67 64 38 Mai 5 84 9 6 3 3 2 Juni 18 545 159 106 28 39 14 Juli 13 430 130 80 37 62 31 August 16 660 80 43 41 37 25 September 7 161 49 21 19 27 17 Oktober 8 195 75 31 12 20 15 November 9 139 70 16 11 18 9 Dezember 8 78 22 6 13 15 10 2013 gesamt 120 3299 854 367 279 349 200 2 0 1 4 Januar 32 1197 258 179 25 169 92 Februar 20 1120 182 101 33 99 54 März 32 804 207 112 26 110 57 April 27 442 132 65 21 68 35 Mai 49 1092 374 97 20 69 34 Juni 45 960 272 91 5 66 27 Juli 51 780 281 96 17 65 32 August 29 707 200 49 16 55 19 2014 bis 27.08. 285 7102 1906 790 163 701 350 Insgesamt 405 10401 2760 1157 442 1050 550 5. Wie viele dieser Festnahmen führten zu Anklagen vor dem Strafgericht? 6. Wie viele dieser Anklagen wurden zur Hauptver- handlung zugelassen und führten anschließend zu einer Verurteilung? Zu 5.und 6.: Bei der Staatsanwaltschaft Berlin erfolgt keine statistische Erhebung, in welchem Umfang Strafta- ten der BtM-Kriminalität im Umfeld des Görlitzer Bahn- hofs begangen werden. 7. Hat die gemeinsame Bestreifung von Ordnungsamt und Polizei im Görlitzer Park einen Effekt gehabt und wenn ja, wie sieht dieser aus? Zu 7.: Die derzeit gemeinsam mit dem Ordnungsamt des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg gestellte Doppel- streife stellt einen Teil eines Maßnahmenbündels dar, an dem sich die Polizeidirektion 5 beteiligt. Die Maßnahme trägt zu einer Erhöhung des Sicherheitsgefühls der Ord- nungsamtsangehörigen und der Parkbesucherinnen und Parkbesucher bei. Das gemeinsame Vorgehen soll weiter ausgebaut werden. Aus Sicht des Senats besteht beim Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg noch Potential die An- strengungen zu verstärken. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 424 3 8. Handelt es sich bei dem Drogenhandel am Görlitzer Bahnhof um eine Verlagerung der Verkaufsaktivitäten aus dem Görlitzer Park oder um eine Erweiterung des Dro- genhandels? Wie ist hierzu die Einschätzung der Polizei? Zu 8.: Verdrängungseffekte als Resultat polizeilicher Maßnahmen können statistisch nicht belegt werden. Sub- jektiv jedoch sind als Folge massiver Polizeipräsenz im Görlitzer Park temporäre Verlagerungen der Handels- schwerpunkte und eine Fluktuation von Händlern und Handelsstrukturen hin zu anderen Brennpunkten feststell- bar. Nach Beendigung der polizeilichen Maßnahmen tritt regelmäßig eine Rückverschiebung ein. Für die Etablierung und Verschärfung des BtM- Handels am Görlitzer Bahnhof werden u.a. auch die knapper werdenden Handelsplätze als Einflussfaktor für eine steigende Anzahl an BtM-Händlerinnen und BtM- Händlern gesehen. Zudem stellen Handelsplätze im Be- reich des ÖPNV – aufgrund hoher Personendurchlaufzahlen – allgemein einen sehr lukrativen Standort dar. Eine konkrete Verlagerung der Handelstätigkeiten vom Park in das Umfeld des Bahnhofes kann nicht festgestellt werden. 9. Gibt es zwischen Bezirk und Polizei Überlegungen, die gemeinsame Bestreifung des Parks auch auf den Gör- litzer Bahnhof auszuweiten? Zu 9.: Zielrichtung der für jedermann sichtbaren Strei- fen ist es, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung inner- halb des Parks zu stärken, Straftaten zu reduzieren und mutmaßliche Straftäterinnen und Straftäter vor der Bege- hung von Straftaten abzuschrecken. Die Polizei ist auch am Bahnhof präsent. Konkrete Überlegungen, die ge- meinsame Bestreifung auf den Görlitzer Bahnhof auszu- weiten, bestehen derzeit nicht. 10. Welche Möglichkeiten hat das Ordnungsamt ge- gen Drogenhandel vorzugehen, wenn es darauf aufmerk- sam wird? Zu 10.: Das Ordnungsamt ist ausschließlich für die Feststellung und Ahndung von gesetzlich klar definierten Ordnungswidrigkeiten zuständig. Beim Handel mit illega- len Betäubungsmitteln handelt es sich demgegenüber um einen Straftatbestand. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordnungs- amtes können allerdings die Polizei über eigene Beobach- tungen in dieser Richtung informieren, soweit diese nicht ohnehin Kenntnis darüber hat. 11. Gibt es für betroffene Bürger*innen vor Ort eine/n Ansprechpartner*in bei der Polizei, an die diese sich wenden können (Nennung der konkreten Möglichkeit der Kontaktaufnahme durch Email, Telefon etc.)? Zu 11.: In Not- oder Gefahrenlagen sollten betroffene Bürgerinnen und Bürger den Notruf 110 wählen. Sonstige Anzeigen, Anfragen, Beschwerden und Hinweise können entweder online über die Internetwache oder telefonisch unter (030) 4664 – 4664 (Bürgertelefon) an die Polizei gerichtet werden. Ebenso besteht die Möglichkeit, Anzei- gen und sonstige Anliegen mit Themenbezug beim örtlich zuständigen Polizeiabschnitt 53, Friedrichstr. 219, 10969 Berlin persönlich, telefonisch unter (030) 4664–553 700/ - 701(Wache) oder per E-Mail unter Dir5A53Wache@polizei.berlin.de zu erstatten bzw. vor- zubringen. 12. Sind der Senatsinnenverwaltung weitere Stadt- räume im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bekannt, in denen aktuell ein verstärkter Drogenhandel stattfindet (z.B. RAW-Gelände)? Zu 12.: Ja. Im Bereich des Geländes des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerks („R.A.W. – Gelände“) wurde verstärkter BtM-Handel festgestellt. 13. Wie schätzt die Polizei die Lage in diesen Stadt- räumen ein und welche Maßnahmen sollen ergriffen wer- den? Zu 13.: Der Bereich Warschauer Str., Warschauer Platz und Warschauer Brücke sowie Revaler Str. 99 („R.A.W. – Gelände“) hat sich in den vergangenen Jahren zu einer „Amüsiermeile“ von überregionaler Bedeutung entwickelt. Aufgrund der dichten Ansammlung von Bars, Lokalen, Diskotheken und Veranstaltungsorten besteht hier ein vielschichtiges Vergnügungsangebot sowohl für Berlinerinnen und Berliner als auch für Touristinnen und Touristen. Der Bereich des „R.A.W. – Geländes“ hat sich seit ca. 2 Jahren mit steigender Intensität zu einem BtM- Han- delsplatz entwickelt, an dem offensiv illegal gehandelt wird. Allgemein wurde festgestellt, dass zu dem räumlich eng gefassten Bereich des „R.A.W.-Geländes“ unter Einbeziehung der Bereiche S- und U-Bahnhof Warschauer Straße, Warschauer Brücke und Warschauer Platz ein im Verhältnis zum übrigen örtlichen Zuständigkeitsbereich des Polizeiabschnitts 51 überproportional hohes Aufkom- men an Straftaten aus den Deliktsbereichen der Betäu- bungsmittel- und Raubkriminalität sowie an Rohheitsde- likten (Körperverletzung, gefährliche und schwere Kör- perverletzung) zu verzeichnen war. Dem Phänomen soll durch eine weitere Intensivierung durchgeführter Schwerpunkteinsätze durch die Polizei Berlin begegnet werden. Berlin, den 10. September 2014 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Sep. 2014)