Drucksache 17 / 14 437 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Harald Wolf (LINKE) vom 26. August 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. August 2014) und Antwort Gewährleistung von Planungssicherheit und Versorgungssicherheit durch das GuD- Heizkraftwerk Lichterfelde Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Unterlagen zum Bau des GuD-Heiz- kraftwerks Lichterfelde wurden dem Senat nach der Auf- tragsvergabe an die spanische Firma I. von Vattenfall vorgelegt? Zu 1.: Die Firma Vattenfall hat am 22.07.2013 einen Antrag gemäß § 16 des Bundes-Immissionsschutz- gesetztes (BImSchG) zu Änderungen des geplanten Gas- und Dampfturbinenheizkraftwerkes (GuD) Lichterfelde beim Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (LAGetSi) gestellt. Der Antrag beinhaltet die Änderungen zur Neuge- nehmigung (Bescheid IA-IM 4800/09 JO) vom 10.01.2011, die sich im Zuge der Detail- und Vergabepla- nung durch die Fa. Iberdrola ergeben haben. Dem Genehmigungsverfahren nach § 16 BImSchG ist eine Allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls gemäß § 3e in Verbindung mit § 3c des Gesetzes über die Umweltver- träglichkeitsprüfung (UVPG) vorangegangen, in der fest- gestellt wurde, dass das Vorhaben keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf die in § 1a der 9. BIm- SchV genannten Schutzgüter haben kann. Die geplanten Änderungen führen zu keinen anderen oder zusätzlichen Umweltauswirkungen als in der Umweltverträglichkeits- prüfung zur Genehmigung IA-IM 4800/09 JO dargestellt und bewertet. Eine Verpflichtung zur Durchführung einer erneuten Umweltverträglichkeitsprüfung bestand daher nicht. Diese Entscheidung des LAGetSi wurde der Firma Vattenfall mitgeteilt und im Amtsblatt für Berlin veröf- fentlicht. Von einer öffentlichen Bekanntmachung des Vorhabens sowie der Auslegung konnte antragsgemäß folglich abgesehen werden. Es wurde daher ein verein- fachtes Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG ohne Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt. Die Änderungsgenehmigung wurde am 24.10.2013 vom LAGetSi erteilt. Die im Rahmen dieses Genehmigungsverfahrens ein- gereichten Antragsunterlagen sind sehr umfangreich (4 Ordner) und daher werden an dieser Stelle lediglich die Überschriften der Antragskapitel genannt: • Antrag / Gegenstand der beantragten Genehmigung • Standort / Topographie • Betriebs- und Anlagenbeschreibung • Stoffe und Stoffdaten • Luftschadstoffe • Schallemissionen • Sonstige Emissionen • Anlagensicherheit • Abfälle, Abwasser • Umgang mit wassergefährdenden Stoffen • Arbeitsschutz • Brandschutz • Energieeffizienz / Wärmenutzung • Natur und Landschaft • Weitere nach § 13 BImSchG zu bündelnde behörd- liche Entscheidungen • Bauvorlagen gemäß BauVerfVO • Gutachterliche Stellungnahme über die erforderli- chen Schornsteinhöhen und die Immissionszusatz- belastungen bei Betrieb des GuD-Heizkraftwerks Lichterfelde • Berechnung der Geräuschemissionen sowie Ausarbeitung von generellen Schallschutzmaßnahmen • Baulärmprognose für den konkretisierten Planungsstand der GuD-Anlage auf dem Baufeld B • Stellungnahme gemäß § 3c UVPG. 2. Welche Veränderungen haben sich gegenüber den Unterlagen im Beteiligungsverfahren von 2009 ergeben? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 437 2 Zu 2.: Auszug aus den Antragsunterlagen zur wesent- lichen Änderung des GuD-Heizkraftwerkes Lichterfelde: Das auf dem Baufeld B geplante GuD-Heizkraftwerk soll schlüsselfertig errichtet werden. Im Zuge der Detail- planung sind technische Änderungen an der genehmigten bau-, anlagen- und verfahrenstechnischen Planungskon- zeption für die GuD-Anlage erforderlich. Gegenstand der Änderung sind alle Bauwerke und Aggregate von Betriebseinheiten, die sich auf dem Bau- feld B befinden (GuD-Anlage). Zusätzlich werden sich die nachfolgend genannten Punkte auf alle Betriebseinheiten und Bauwerke der Ge- samtanlage erstrecken (Baufeld A-C): • Anpassung der Feuerungsanlagen an die novellierte 13. BImSchV, • Erstellung eines neuen ganzheitlichen Brandschutzkonzeptes für Baufeld A-C, • Aktualisierung des Entwässerungskonzeptes für Baufeld A-C. Bautechnische Änderungen: Die Kubaturen sowie die bautechnische Gestaltung der Bauwerke auf dem Baufeld B wurden im Zuge der Vergabeplanung verändert. Die grundlegende Anordnung der Hauptgebäude bleibt bestehen. Allerdings erfolgt eine Veränderung der bautechnischen Konzeption hinsichtlich Kubaturen und Raumaufteilung von jedem Gebäude. Die Gasverdichterreduzierstation wurde vergrößert und in der Anordnungsplanung mit der Wasseraufbereitungsanlage getauscht. Das Regenrückhaltebecken ist nun nördlich in Richtung der Kühltürme verschoben. Der Schornstein wurde um ca. 8 m nach Osten versetzt. Es ist weiterhin eine Bauhöhe von 98 m geplant. Insgesamt erfolgt eine deutliche Reduzierung der Kubaturen. Neben der Änderung der bautechnischen Konzeption sind auch Änderungen des Gründungskonzeptes erforder- lich. Die Gründung der Gebäude auf dem Baufeld B er- folgt mit Bohrpfählen, die in den tragfähigen Baugrund einbinden. Für die Gründung der Gebäude auf dem Bau- feld B werden zusätzliche Pfahlgründungen erforderlich. Nach dem bisher genehmigten bzw. erlaubten Stand war vorgesehen, auf dem Baufeld B maximal 100 Bohrpfähle einzusetzen. Für eine sichere Gründung der beantragten Baukörper werden zusätzlich ca. 150 Pfähle mit einem Durchmesser von maximal 100 cm vorgesehen. Für den Großteil der Baugruben wird es auch weiter- hin nicht erforderlich, in das Grundwasser einzugreifen. Die Erstellung der Baugruben, die nicht ins Grundwasser eingreifen, erfolgt in offenen Baugruben. Ein Verbau der Baugruben mit Spundwänden, die nicht in das Grundwas- ser eingreifen, ist nicht vorgesehen. Im Zuge der Verga- beplanung ist die Errichtung von weiteren tiefer liegenden Gebäudeteilen erforderlich, deren Herstellung einen Ein- griff in den Grundwasserleiter bedingen. Die tiefer lie- genden Gebäudeteile sind insbesondere Wassertanks, Abschlämmgruben, Kondensatgruben, Ölauffangtanks in den Gebäuden Maschinenhaus-Dampfturbine, Maschi- nenhaus-Gasturbine sowie Kesselhaus. Anlagen und verfahrenstechnische Änderungen: Das anlagen- und verfahrenstechnische Grundprinzip der genehmigten Anlage wird nicht geändert. Die Feue- rungswärmeleistung der beantragten Gasturbine erhöht sich zwar um 45 MW auf 620 MW, dafür wird aber keine Stützfeuerung mehr vorgesehen. Die genehmigte maxima- le Feuerungswärmeleistung ändert sich nicht. Die Gas- und Dampfturbinenanlage ist weiterhin für eine maximale Wärmeleistung von ca. 230 MWth und eine elektrische Leistung von annähernd 300 MWel aus- gelegt. Die installierte elektrische Scheinleistung von Gasturbine und Generator Dampfturbine übersteigt 300 MW. Durch leittechnische Begrenzung wird sicherge- stellt, dass eine maximale elektrische Wirkleistung von 300 MWel an der Netzübergabestelle nicht überschritten wird. Bei der Verbrennungsluft-Zuführung des Gasturbinen- systems entfällt der Verdunstungskühler. Die Luftfiltrie- rung erfolgt mit Koaleszenzfilter anstatt Grobfilter und einem zusätzlichen Endfilter. Zum Schutz des Systems vor Einfrieren im Winter sind zwei Systeme vorgesehen, welche abhängig von den Umgebungs- und Betriebsbedingungen zum Einsatz kommen: • Das sogenannte „Anti-Icing“, bei dem der angesaugten Luft heiße Luft aus dem Verdichter der Gasturbine zugemischt wird. • Die sogenannte Ansaugluftvorwärmung. Bei diesem System wird die Verbrennungsluft mittels Heizwasser aus dem Fernwärmevorlauf und/oder HD-Speisewasser sowie falls nötig mit einem elektrischen Heizer vorgewärmt und damit ein Ein- frieren verhindert. Die Luftvorwärmung erfolgt in- direkt über einen Propylenglykol-Wasser-Kreislauf und den Wärmetauscher sowie die zugehörige Pumpengruppe. Im Kanal der Verbrennungsluft-Zuführung befindet sich eine Absperrklappe, mit der verhindert wird, dass während längerer Stillstände Umgebungsluft in die Gas- turbine dringt. Für Wartungszwecke befindet sich in Strömungsrichtung hinter dem Schalldämpfer eine Tür im isolierten Bereich des Kanals. Die Kühlung des Generators erfolgt über innerhalb des Generators zirkulierendes Wasserstoff-Gas (bisher: Wasser/Luft), welches die Generatorabwärme durch einen Gas-Wasser-Wärmetauscher an das Zwischenkühlwasser überträgt. Der Wasserstoffkreislauf des Generators wird durch Wasserstoffflaschen, die auf einem Flaschengestell angeordnet sind, befüllt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 437 3 Zur Wirkungsgradsteigerung ist ein Erdgasvorwärmer in die Brennstoffversorgungsleitung integriert. Der Erd- gasvorwärmer wird mit MD-Speisewasser versorgt und der Brennstoff vor Eintritt in die Gasturbine erwärmt. Das abgekühlte MD-Speisewasser wird dann zum Kondensat- system (BE 04.02) geleitet. Das Ölsystem der Gasturbinen-Generator-Einheit wird mit einem Hydraulikölsystem ausgestattet und in einem separaten feuerfesten Ölmodul direkt neben der Gasturbi- ne aufgestellt. Die Verdichter-Wascheinrichtung erhält einen zusätz- lichen Abwassersammelbehälter. Beim Abhitzekessel ändern sich die Auslegungsdaten geringfügig. Die Stützfeuerung entfällt, was durch eine höhere Feuerungswärmeleistung der Gasturbine kompen- siert wird. Die Gesamtfeuerungsleistung ändert sich nicht. Die Brüden aus dem Speisewasserbehälter werden an die Umgebung abgegeben, nachdem sie durch einen Brü- denkondensator mittels Kondensat vom Kondensatsystem abgekühlt wurden. Bisher war ein Zwischenkühlsystem vorgesehen. Für die Alkalisierung des Speisewassers wird anstatt Natriumhydroxid jetzt Trinatriumphosphat eingesetzt. Im Dampfturbinensystem ändern sich die Ausle- gungsdaten geringfügig. Die Verfahrensgrundzüge und Verfahrensbedingungen wurden ebenfalls angepasst. Im Hauptkondensator wird der aus der Dampfturbine austretende Abdampf niedergeschlagen und so für den Wasser-Dampf Kreislauf wieder nutzbar gemacht. Die beim Kondensationsprozess frei werdende Wärme wird an das Hauptkühlwasser abgegeben, welches den Kon- densator durchströmt. Am Hauptkondensator angeschlossen ist der Entspan- ner für die turbineninternen Entwässerungen. Während des Anfahrens der Dampfturbine wird das dabei anfallen- de Kondensat entspannt und der dabei entstehende Dampf mit Kondensat abgespritzt. Baufeldübergreifende Änderungen: Für die nachfolgend genannten Punkte ersetzen die Antragsunterlagen die Neugenehmigung für alle drei Baufelder. Anpassung an die 13. BImSchV Für die mit Bescheid Nr. IA-IM 4800/09 JO vom 10.01.2011 genehmigten Feuerungsanlagen des GuD Heizkraftwerks Lichterfelde (GuD-Anlage und die drei Heißwassererzeuger) findet die 13. BImSchV (Verord- nung über Großfeuerungs- und Gasturbinenanlagen) An- wendung. Die 13. BImSchV wurde nach Erteilung der Genehmigung IA-IM 4800/09 JO novelliert. Dadurch ergeben sich neue Anforderungen an den Emissionsschutz für das GuD HKW Lichterfelde A, die mit der bisherigen Genehmigung nicht vollständig abgedeckt sind. Der Hilfsdampferzeuger mit einer FWL von 4 MW fällt ge- mäß § 3 Aggregationsregel der 13. BImSchV nicht mehr unter die 13. BImSchV. Die Änderungen der Emis- sionsquellen erstrecken sich auch auf die Emissionsquel- len, die auf dem Baufeld A liegen. Baufeldübergreifendes Brandschutzkonzept Für die weitere Bearbeitung des Brandschutzes im Rahmen der bereits genehmigten Bauausführung in den Baufeldern A und C sowie den beantragten Änderungen auf dem Baufeld B ist geplant, ein neues ganzheitliches Brandschutzkonzept zu erstellen. Dieses Brandschutzkonzept soll als ein fortgeschrie- benes Dokument unter Einbeziehung aller Baufelder erstellt werden. Damit wird sichergestellt, dass ein Brand- schutzkonzept und ein geprüfter Brandschutznachweis, unterteilt nach den vorgenannten Baufeldern, existiert, nach welchem die Ausführungsplanung und die Bauaus- führung erfolgen. Die bisher genehmigten Brandschutz- konzepte sowie geprüften Brandschutznachweise sollen vollständig durch das neue Brandschutzkonzept ersetzt werden. Entwässerungskonzept Im Zuge der Detailplanung wurde auch die Außenan- lagen- und Entwässerungsplanung konkretisiert. 3. Wie ist der Senat in das Bauvorhaben eingebun- den? Erfolgt ein regelmäßiger Austausch zwischen Vat- tenfall und den zuständigen Behörden des Senats? Zu 3.: Das LAGetSi führt regelmäßig Begehungen auf der Baustelle des Gas- und Dampfturbinenheizkraftwer- kes Lichterfelde durch (alle 6-8 Wochen), um sich über den Baufortschritt zu informieren. Das Bau- und Woh- nungsaufsichtsamt Steglitz-Zehlendorf wird an diesen Begehungen beteiligt. Des Weiteren wird von der Firma Vattenfall die Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen sowie der Nebenbestimmungen des Genehmigungsbe- scheides dokumentiert und regelmäßig dem LAGetSi übermittelt. 4. Welche Kenntnisse hat der Senat u. a. über Schornsteinhöhen, Lärmbelastungen im Siedlungsgebiet nach Inbetriebnahme der Anlagen und technische Sicher- heit in den Gebäuden im laufenden Betrieb? Zu 4.: Die Unterlagen und Gutachten zur Schornstein- höhe, Lärmbelästigung und technischen Sicherheit wur- den sowohl im Rahmen des Neugenehmigungsverfahrens nach § 4 BImSchG als auch im Änderungsgenehmi- gungsverfahren nach § 16 BImSchG geprüft und durch die zuständigen Fachbehörden bewertet. Die Auflagen im Genehmigungsbescheid stellen sicher, dass alle gesetzli- chen Anforderungen eingehalten werden. So sind u. a. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 437 4 Immissionsrichtwerte für Schallemissionen an den kriti- schen Immissionsorten im Genehmigungsbescheid festge- setzt und Emissionsgrenzwerte für Luftschadstoffe vorge- schrieben. 5. Wie schätzt der Senat die Versorgungssicherheit mit Fernwärme durch die Anlagen am Standort Lichter- felde ab Frühjahr 2016 ein? Ist davon auszugehen, dass die Inbetriebnahme planmäßig erfolgt? Zu 5.: Das neue GuD-Heizkraftwerk Lichterfelde wird neben dem bestehenden Heizkraftwerk errichtet, das erst nach Fertigstellung der neuen Anlage vollständig außer Betrieb geht und abgerissen wird. Die Fernwärmeversor- gung ist daher durchgängig gesichert. Zum neuen GuD- Heizkraftwerk Lichterfelde gehören außerdem drei neue Heißwassererzeugungsanlagen, die nahezu fertiggestellt sind und im Herbst 2014 den Probebetrieb aufnehmen werden. Die Fernwärmeversorgung wird durch diese Anlagen zusätzlich abgesichert. Dem LAGetSi sind zurzeit keine Verzögerungen im Baufortschritt der Gasturbinenanlage bekannt, so dass mit der Inbetriebnahme dieser Anlage im Jahr 2016 zu rech- nen ist. Berlin, den 09. September 2014 In Vertretung Boris V e l t e r Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Sep. 2014)