Drucksache 17 / 14 440 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN) vom 18. August 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. August 2014) und Antwort Ermittlungsarbeit der Polizei Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Gemäß Polizeipräsident Klaus Kandt ist die selek- tive Bearbeitung von Straftaten bei der Ermittlung eine seit Jahren angewandte Praxis der Berliner Polizeiab- schnitte. Wieso kommt es zu solchen Einschränkungen in der Ermittlungsarbeit? Zu 1.: Nicht jede der Polizei angezeigte oder bekannt gewordene Straftat kann durch Namhaftmachung einer Tatverdächtigen bzw. eines Tatverdächtigen aufgeklärt werden. Oft fehlt es an auswertbaren Spuren oder Ermitt- lungsanhalten, sodass die Aufklärungswahrscheinlichkeit in verschiedenen Deliktsbereichen von vornherein sehr gering ist. Gerade im Bereich der Massenkriminalität, die zu großen Teilen auf den Polizeiabschnitten und im Lan- deskriminalamt (LKA), Abteilung 3, bearbeitet wird, ist dies häufig der Fall. Hier in jedem Einzelfall kriminalis- tisch aussichtslose Ermittlungsarbeit zu betreiben, würde Personal binden, das für andere, ermittlungsintensive Aufgaben oder Präventionsarbeit fehlen würde. Insofern kommt es zu keinen Einschränkungen in der Ermittlungs- arbeit, es werden vielmehr Bewertungen und Priorisie- rungen vorgenommen. Die Bearbeitung von Ermittlungs- verfahren steht im Übrigen unter der Sachleitung der Amts- bzw. Staatsanwaltschaft. 2. Wenn die Polizeiabschnitte Straftaten nur noch bei Aussicht auf Aufklärungserfolg verfolgen, welche Sicher- heit gewährleistet die Berliner Polizei dann noch für Bür- ger, die Opfer von Delikten geworden sind, die nur wenig bis gar keine Aussicht auf Aufklärung haben? Zu 2.: Gemäß §163 Strafprozessordnung (StPO) ver- folgt die Polizei Berlin im Rahmen ihrer Zuständigkeit jede ihr bekannt gewordene Straftat. Hierzu geht sie, unabhängig vom Delikt, allen Hinweisen nach, die zur Aufklärung beitragen können. Insofern werden zu allen Straftaten Ermittlungen geführt, jedoch nach einer ersten Analyse Schwerpunkte für die weitere Ermittlungsarbeit gesetzt. Die Verfolgung von Straftaten endet zudem nicht in der Bearbeitungszuständigkeit der Polizei, sondern stets mit einer justiziellen Entscheidung. Bei der Frage, wie die Sicherheit von Bürgerinnen und Bürgern gewährleistet werden kann, die Opfer von Delik- ten geworden sind, ist nicht allein die Strafverfolgung zu berücksichtigen, sondern dies muss im Kontext der ge- samten Bemühungen der Berliner Polizei gesehen wer- den. Dabei ist bei den Delikten mit geringerer Aussicht auf Ermittlungserfolg insbesondere auf die besonderen Aktivitäten und Angebote im Bereich der Kriminalprä- vention zu verweisen (z.B. Fahrradcodierungen, Informa- tionskampagnen zum Schutz gegen Kfz-Einbrüche, Bera- tungsangebote im Bereich des Wohnungseinbruchs, und vieles mehr). Darüber hinaus gibt es ein umfangreiches Beratungsangebot im Opferschutz. Hervorzuheben sind ebenso die vielen Aktivitäten der Präventionsbeamtinnen und Präventionsbeamten in den Abschnitten, z.B. bei der Gewaltprävention. Es gibt mit den Kontaktbereichsbeamten auf den Abschnitten viele Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, wenn es um konkrete Sicherheitsbedürfnisse geht. Die Berliner Polizei gewährleistet auch weiterhin eine effiziente Strafverfolgung und bemüht sich mit einer breiten Palette an weiteren Maßnahmen, das Sicherheits- gefühl im Allgemeinen und das Sicherheitsbedürfnis von Einzelnen zu stärken. 3. Ist eine erfolgreiche Kriminalitätsprävention über- haupt noch möglich, wenn die Strafverfolgung in be- stimmten Fällen von vornherein nicht gewährleistet ist? Wenn ja, wie wird sich diese gestalten? Wenn nein, wa- rum nicht und was wird dagegen unternommen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 440 2 Zu 3.: Wie unter 2. ausgeführt, ist die Strafverfolgung seitens der Polizei Berlin in jedem Fall gewährleistet. Auch wenn die Ermittlungsarbeit nicht in jedem Fall zur Namhaftmachung von Tatverdächtigen und damit zur Aufklärung der Einzeltat führt, so liefert sie doch Er- kenntnisse über Tathergang und Tatumstände, die wiede- rum für Präventionszwecke genutzt werden. Prävention wird von der Polizei unabhängig von der Strafverfolgung zum einen zentral durch die Zentralstelle für Prävention im Landeskriminalamt und zum anderen dezentral durch die örtlich zuständigen Polizeidirektionen 1 - 6 bis hin zu den Polizeiabschnitten und Kriminalrefe- raten betrieben. Die Polizei beobachtet und analysiert die Kriminalitätslage und stellt die Entstehung neuer Phäno- menentwicklungen frühzeitig fest. Im Bereich der Krimi- nalprävention reagiert die Polizei Berlin insofern proak- tiv, indem sie auf der Grundlage der Bewertung der Kri- minalitätsentwicklung zukünftige Gefahren und Risiken antizipiert und technische oder verhaltensorientierte Maß- nahmen entwickelt, die geeignet sind, Tatgelegenheiten zu reduzieren, Einfluss auf Verhaltensweisen zu nehmen und damit in der Folge Opferwerdung zu verhindern bzw. Kriminalität vorzubeugen. Gerade vor dem Hintergrund eines veränderten Sicherheitsbedürfnisses der Bevölke- rung hat sich die Polizei Berlin u. a. durch eine deutliche Intensivierung der kriminalpräventiven Bemühungen sowie einer verstärkten Hinwendung zum Opferschutz und zu Bürgernähe gewandelt. Polizeiliche Kriminalprävention findet nicht isoliert statt, sondern im Zusammenwirken mit anderen Akteu- rinnen und Akteuren als Teil der gesamtgesellschaftlichen Präventionsarbeit. Dies führt zu einer verstärkten Bürger- nähe, zum Abbau von Vorurteilen und zur Entwicklung von Vertrauensbeziehungen. 4. Welche Maßnahmen plant der Senat konkret um die besorgniserregende Entwicklung der Aufklärungsquo- te der Ermittlungen der Polizei Berlin umzukehren? Zu 4.: Die Verhinderung von Straftaten durch Präven- tion sorgt für mehr objektive und subjektive Sicherheit und setzt auch Personal für die Bearbeitung von Ermitt- lungsverfahren frei. Ziel einer effizienzorientierten Bear- beitung von Straftaten ohne erfolgversprechenden Ermitt- lungsanhalt ist in Abstimmung mit der Justiz, Ermitt- lungskapazitäten zielgerichtet einzusetzen, um Straftaten mit den vorhandenen Ressourcen bestmöglich aufklären und verhindern zu können. Darüber hinaus koordiniert das Landeskriminalamt auf der Basis einer fortlaufenden Kriminalitätsanalyse verstärkt den Einsatz u.a. der Bereitschaftspolizei, um schnell und gezielt auf Brennpunktbildungen und -ver- lagerungen reagieren zu können. Des Weiteren werden die kriminaltechnischen Mög- lichkeiten zur Stärkung des Sachbeweises intensiviert. Dies sind erfolgreiche und weiterhin erfolgverspre- chende konzeptionelle Ansätze, von denen ein positiver Einfluss auf die Aufklärungsquote erwartet wird. Im Übrigen hängt die Aufklärungsquote von vielen Faktoren ab, insbesondere auch der Deliktsstruktur (z.B. Anteil schwerer Diebstähle), die in Ballungsgebieten meist ungünstig ist. Auch die Vielzahl von Taschendieb- stählen in Berlin führt zu einer schlechteren Aufklärungs- quote. 5. Der jüngst herausgegebene „Controllingbericht Probelauf Abschnitte Quartal 2014“ konstatiert eine teilweise eklatante Überalterung und damit einhergehenden Personalmangel der Berliner Polizei. Wie viel Personal fehlt zur Zeit konkret und welche Entwicklung wird es in den nächsten fünf Jahren geben? Zu 5.: Mit Stand vom 31. August 2014 verfügt die Po- lizei Berlin bei einer Ausstattung von 16.416 Stellen des Polizeivollzuges über Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte in einer Größenordnung von 16.121,7 Vollzeitäquivalenten (VZÄ). Die Einstellungsplanung der Polizei Berlin zielt darauf ab, einerseits die alljährlichen Personalabgänge abzude- cken, andererseits das durch politische Entscheidungen in der Vergangenheit entstandene Personaldefizit sowie die durch das Abgeordnetenhaus beschlossenen Stellenzu- gänge schnellstmöglich durch Anpassung der Auszubil- dendenanzahl auszugleichen. Dieser Prozess ist nach gegenwärtiger Planung bis zum Jahr 2018 abgeschlossen. Darüber hinaus stellt der Controllingbericht einen Zwischenstand in den Bemühungen dar, die Sicherheits- bedürfnisse der Berlinerinnen und Berliner sicherzustel- len, die Anforderungen, die ein moderner „Arbeitgeber“ gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat, zu erfüllen sowie notwendige Effizienzüberlegungen zu berücksichtigen. Dass es dabei zu Feststellungen kommt, dass bestimmte Aspekte optimiert werden müssen, liegt im Wesen einer beabsichtigten Weiterentwicklung. Die sich daraus ergebenden Notwendigkeiten, z.B. im Bereich der personellen Situation, sind bereits dargestellt worden. 6. Wie gedenkt der Senat den bestehenden und den zukünftig zu erwartenden Personalmangel zu beheben? Zu 6.: Wie unter 5. dargelegt, begegnet die Polizei Berlin dem Personalbedarf mit einer entsprechenden Einstellungsplanung, sie schöpft konsequent die beste- henden Ausbildungskapazitäten im mittleren und gehobe- nen Polizeivollzugsdienst aus. Hierbei werden die im Haushalt 2016/2017 avisierten Zuweisungen von 100 zusätzlichen Stellen zur stellenwirtschaftlichen Absiche- rung der mit dem Haushalt 2014/2015 zusätzlich veran- schlagten 100 Ausbildungspositionen ebenso berücksich- tigt wie zu erwartende weitere Anpassungen der Stellen- ausstattung der Polizei Berlin im Zusammenhang mit dem Projekt „Wachsende Stadt“. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 440 3 7. Welche Auswirkung wird der zukünftig zu erwar- tende Personalmangel auf die selektive Bearbeitung von Straftaten haben? Zu 7.: Mit der unter 6. dargestellten Einstellungspla- nung und entsprechenden Werbemaßnahmen soll auch zukünftig eine Personalmangelsituation vermieden wer- den. Bisher ist es der Polizei Berlin stets gelungen, genü- gend qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber zu ge- winnen. Es werden sämtliche Anstrengungen unternom- men, um dies auch in Zukunft zu gewährleisten. Im Übri- gen wird sich die Polizei Berlin auch in Zukunft veränder- ten Rahmenbedingungen anpassen. Hierzu gehört eine organisatorische und personelle Schwerpunktsetzung wie die unter den zu 4. ausgeführten Beispielen. Berlin, den 15. September 2014 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Sep. 2014)