Drucksache 17 / 14 458 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 28. August 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. September 2014) und Antwort Wenn nur der Profit zählt (II) – Mängel in der Flüchtlingsunterkunft des privaten Heimbetreibers PeWoBe in Neukölln-Britz Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie hoch waren die Herstellungskosten für den Neubau der Flüchtlingsunterkunft in Neukölln-Britz in- klusive Außenanlagen und Baunebenkosten, die das Land Berlin an den Heimbetreiber gezahlt hat, und für welchen Zeitraum wird das Gebäude laut Vertrag im Gegenzug dem Land zur Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung gestellt? (Bitte die Herstellungskosten nach Soll und Ist und den einzelnen Kostenpunkten aufschlüsseln.) Zu 1.: Die Herstellungskosten betrugen rd. 8.172.000 Euro. Der Vertrag hat eine Laufzeit von zwei Jahren. Die in der Fragestellung genannte Aufschlüsslung liegt nicht vor. 2. Wer ist Eigentümer des Grundstücks, auf dem die Gemeinschaftsunterkunft erbaut worden ist? Wer ist Auf- traggeber der Erstellung der Unterkunft? Wer ist Betrei- ber der Unterkunft? Wer ist Eigentümer der Gemein- schaftsunterkunft geworden? 3. Bis zu welchem Zeitpunkt und zu welchen Konditi- onen hat der Eigentümer das Grundstück an wen zur Flüchtlingsunterbringung überlassen und inwiefern ist dies schriftlich fixiert? 4. Wurden dem Grundstückseigentümer im Gegenzug Zusagen (etwa für spätere Bauprojekte) gemacht oder Vergünstigungen durch das Land eingeräumt, und wenn ja, durch wen und welche? 5. Auf welcher Grundlage wurde die Höhe der dem Betreiber zugesagten und erstatteten Investitionskosten festgelegt? Hat das Land Berlin die Feststellung der Höhe des Zuschusses und die Vergabe der Bauarbeiten von einer vorherigen Ausschreibung durch das Land bzw. durch den Betreiber abhängig gemacht? a. Wann und wo wurden die entsprechenden Aus- schreibungen veröffentlicht? b. Wurden die Investitionskosten an den Betreiber nach freier Vergabe der Bauarbeiten quasi unbegrenzt auf Zuruf gezahlt? 6. Handelt es sich bei den erstatteten Investitionskos- ten um einen Zuschuss oder ein Darlehen? Wer hat das Eigentum an den mit Mitteln des LAGeSo errichteten Gebäuden? Hat das Land der PeWoBe das Gebäude „geschenkt “ und wenn ja, weshalb? 7. Hat das Land Berlin einen externen Partner für die Überwachung des Bauvorhabens und der Rechnungsle- gungen sowie der Bauabnahme eingesetzt und wenn ja, mit welchem Ergebnis? 8. Hat das Land Berlin eine rückwirkende Plausibili- täts-, Massen- und Angemessenheitsprüfung und Überwa- chung des Bauvorhabens und der Rechnungslegung durch einen externen Dritten vorgenommen? Wenn ja, durch wen und mit welchem Ergebnis? Zu 2. bis 8.: Das Grundstück sowie das darauf befind- liche Gebäude sind – nach Mitteilung der PeWoBe Professionelle Wohn- und Betreuungsgesellschaft mbH (im Folgenden: PeWoBe GmbH) - Eigentum der Krieger Grundstück GmbH und wurden dem Land Berlin für eine derzeit zweijährige Betriebszeit kostenfrei zur Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber und Flüchtlinge überlassen. Die Gemeinschaftsunterkunft wird von der PeWoBe GmbH betrieben und wurde dem Land Berlin schlüsselfertig übergeben. Auf eine Ausschreibung ist im Einklang mit der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen - Teil A - verzichtet worden, da angesichts der Überschreitung der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge prognosti- zierten Zugänge an Asyl suchenden Menschen und der Dauer von Ausschreibungsverfahren eine freihändige Vergabe erforderlich war, um die kurzfristige Verfügbar- keit der Einrichtung zu ermöglichen und dadurch die mögliche Gefahr von drohender Obdachlosigkeit bei den betroffenen Personenkreisen abzuwenden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 458 2 Die Herrichtungskosten wurden nach Prüfung durch einen unabhängigen Dritten, der den Bau eng und direkt im Auftrag Berlins begleitete, gezahlt. Plausibilitäts- Massen- und Angemessenheitsprüfungen gehörten zum Auftrag des Prüfers und wurden vorgenommen. Dem Grundstückseigentümer wurden weder Zusagen gemacht noch Vergünstigungen durch das Land einge- räumt. 9. Wie hoch ist in Hinblick auf die vorgesehene Lauf- zeit der Unterkunft der durchschnittliche Investitionsbe- trag pro Flüchtling/Jahr, den das Land Berlin an den Heimbetreiber der Flüchtlingsunterkunft in Neukölln- Britz gezahlt hat? Zu 9.: Werden die in der Antwort zu 1. genannten Herstellungskosten auf die Kapazität von 400 Plätzen umgelegt, so ergibt sich ein jährlicher Betrag in Höhe von 10.215 Euro pro Unterkunftsplatz. 10. Wie hat sich die Höhe des Tagessatzes, den die PeWoBe für in der Gemeinschaftsunterkunft in Neukölln- Britz untergebrachte Asylsuchende erhält, seit der Eröff- nung entwickelt und was waren die jeweiligen Gründe für einzelne Änderungen der Höhe des Tagessatzes? Zu 10.: Für die Belegung von Haus 1 (Inbetriebnahme der Unterkunft) wurde vorübergehend ein Belegungsta- gessatz von 17,35 Euro pro Platz vertraglich vereinbart. Für die Gesamtkapazität wurde ein Belegungstagessatz von 12,58 Euro pro Platz vereinbart. 11. Wie ist der vertraglich vorgesehene Personal- schlüssel in der Gemeinschaftsunterkunft Neukölln-Britz nach Qualifikation, Stellenanteilen und Bezahlung? Ist der Betreiber nach dem Vertrag mit dem Land Berlin berechtigt, für den Betrieb der Unterkunft Subunterneh- merfirmen einzusetzen, die das Betreuungspersonal im Heim zur Verfügung stellen? Zu 11.: Es wurde ein Personalschlüssel für 11,50 Stel- len nach folgender Aufstellung vereinbart: Position Stellenanteil Heimleitung 1,0 stellvertretende Heimleitung 0,5 Sozialarbeit 2,5 Sozialbetreuung 2,0 Sozialbetreuung mit Kinderbe- treuung 2,0 Verwaltungsmitarbeit 1,5 Hausmeistertätigkeit 2,0 Insgesamt 11,5 Stellen Die Einsetzung von Subunternehmern für das Betreu- ungspersonal ist vertraglich nicht vorgesehen. 12. An welchen Terminen hat das LAGeSo die Flücht- lingsunterkunft in Neukölln-Britz vor Ort kontrolliert und welche baulichen und hygienischen Mängel sowie Män- gel hinsichtlich der Brandschutzanlage, der Warmwasser- versorgung und der personellen Ausstattung etc. wurden dabei jeweils festgestellt? Wie viele Mitarbeiter*innen des LAGeSo waren bei diesen Prüfungen jeweils zuge- gen? Zu 12.: Es wurden Begehungen am 04.04.2014 (zwei Mitarbeiter) und am 01.07.2014 (ein Mitarbeiter) durch- geführt. Bei diesen Begehungen festgestellte Mängel wurden dem Betreiber mitgeteilt. Zum Zeitpunkt der letzten Begehung wurden in der Einrichtung weitere Brandschutz-Baumaßnahmen durchgeführt. 13. Ist es zutreffend, dass die Brandschutzanlage in der Neuköllner Flüchtlingsunterkunft in Neukölln-Britz mindestens bis Anfang August 2014 nicht in vollem Um- fang funktionsfähig war, obwohl die Unterkunft seit März 2014 mit bis zu 400 Asylsuchenden belegt ist? 14. Wann und durch welche Stelle erfolgte die Ab- nahme der Brandmeldeanlage? 15. Zu welchem Datum erfolgte die Aufschaltung der Brandschutzanlage an die Empfangsanlage in der Leitstel- le der Berliner Feuerwehr? 16. Wann und mit welchem Ergebnis erfolgten in der Unterkunft Brandsicherheitsschauen und Betriebsüberwa- chungen gemäß § 5 Betriebs-Verordnung durch die zu- ständige Bauaufsichtsbehörde? Zu 13 bis 16.: Nach Mitteilung des Betreibers erfolgte die abschließende Abnahme durch den für Brandschutz zuständigen Prüfingenieur am 09.09.2014. Über die Funk- tionsfähigkeit der Brandschutzanlage vor diesem Zeit- punkt liegen der Berliner Feuerwehr keine Erkenntnisse vor. Jedoch muss im bauaufsichtlichen Genehmigungsver- fahren nach § 65 Bauordnung für Berlin (BauO Bln) vom 29.09.2005, zuletzt geändert durch Gesetz vom 29.06.2011, für Flüchtlingsunterkünfte beim Neu- und Umbau bzw. bei einer nicht verfahrensfreien Nutzungs- änderung bestehender baulicher Anlagen vom Bauherrn bzw. seinem Entwurfsverfasser ein Brandschutznachweis erstellt werden, der bereits vor Erteilung der Baugeneh- migung bauaufsichtlich geprüft werden muss. Hierdurch wird sichergestellt, dass eine Gemeinschaftsunterkunft nur dann in Betrieb genommen werden kann, wenn zuvor der Nachweis eines ausreichenden Brandschutzes im Rahmen des bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens erbracht worden ist. Nach § 5 Absatz 2 der Verordnung über den Betrieb von baulichen Anlagen (Betriebs-Verordnung - BetrVO) vom 10.10.2007 ist die Brandsicherheitsschau von der Bauaufsichtsbehörde durchzuführen, wenn konkrete An- haltspunkte für gefährliche Zustände vorliegen. Die Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 458 3 Brandsicherheitsschau ist darüber hinaus regelmäßig, mindestens jedoch in Abständen von höchstens fünf Jah- ren, durchzuführen unter anderem in Krankenhäusern, Heimen und sonstigen Einrichtungen zur Unterbringung oder Pflege von Personen sowie Beherbergungsstätten mit mehr als 60 Betten. Sie dient letztendlich dazu festzustel- len, ob der bei der Nutzungsfreigabe geprüfte Zustand des Gebäudes weiterhin besteht. Nachdem somit die erste Abnahme und Prüfung des in Rede stehenden Objektes durch den Prüfingenieur für Brandschutz für die Nutzungsfreigabe erst kürzlich er- folgte, ist eine Brandsicherheitsschau von der Bauauf- sichtsbehörde noch nicht durchgeführt worden. Da nach Mitteilung der Berliner Feuerwehr seitens des Betreibers noch kein Termin für die Aufschaltung der Brandmeldeanlage auf die Empfangsanlage in der Leit- stelle angefragt wurde, hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) den Betreiber nochmals gebeten, diese Terminabstimmung mit der Berliner Feuerwehr kurzfristig zu veranlassen. Bis zur Aufschaltung wird der Brandschutz durch die Einrichtung von Brandwachen sichergestellt. Berlin, den 19. September 2014 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Sep. 2014)