Drucksache 17 / 14 483 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Turgut Altug (GRÜNE) vom 26. August 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. September 2014) und Antwort Renaturierung der Wuhle: Trübe Aussichten für die Umsetzung der EU-Wasser-Rahmen- Richtlinie? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie bewertet der Senat den aktuellen Zu- stand der Wuhle mit Blick auf die Zielvorgabe der EU- Wasser-Rahmen-Richtlinie, für die Gewässer bis 2015 den guten ökologischen Zustand bzw. das gute ökologi- sche Potenzial herzustellen? Welche aktuellen Erkennt- nisse liegen zu den biologischen, hydromorphologischen und physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten vor? Antwort zu 1: Die Wuhle wird in 2 Wasserkörper aufgeteilt: Oberlauf und Unterlauf. Die Neue Wuhle wird als Wasserkörper extra bewertet. Für den Unterlauf der Wuhle und die Neue Wuhle wird aufgrund der prägenden Nutzungen ein "Gutes ökologisches Potenzial" angestrebt. Für den naturnahen Oberlauf der Wuhle legen die Defizitanalyse und die Zielprognose nahe, dass die Habitatkulisse und das Wiederbesiedlungspotenzial im Einzugsgebiet ausreichen, um nach Umsetzung der vorgesehenen Maßnahmen den guten ökologischen Zustand langfristig erreichen zu können. Bei der aktuellen EU 1 -Meldepflicht 2014 wurden folgende Bewertungen gemeldet: Trophie: Im Oberlauf der Wuhle ist die Nährstoff- belastung mäßig, im Unterlauf und in der Neuen Wuhle unbefriedigend. Der Bewertung liegen Ergebnisse von Erhebungen der Biokomponenten Kieselalgenaufwuchs und Wasserpflanzen 2010/2011 zu Grunde. Im September 2014 werden für den nächsten Bewertungszyklus und als Grundlage für die Maßnahmenumsetzung neue Daten zu Makrophyten, Diatomeen und Phytobenthos im Rahmen des Fließgewässermonitorings im Auftrag der Senatsver- waltung für Stadtentwicklung und Umwelt erhoben. Morphologie und Durchgängigkeit: Der Oberlauf der Wuhle hat als Gewässertyp "Organisch geprägter Bach des Norddeutschen Tieflands" nur einen unbefriedigenden 1 Europäische Union ökologischen Zustand erreicht (Grundlage Erhebung 2013). Die Bewertung der Fische schwankt jährlich, ist aber überwiegend aufgrund der fehlenden Durchgängig- keit nur "unbefriedigend" (4). Abschnittsweise wurde der Oberlauf 2013 mit gut bewertet. Für den morphologisch stark veränderten Unterlauf der Wuhle und die Neue Wuhle erfolgte die Bewertung über das System PERLODES (Wirbellose Fauna). Die Note 3-4 spiegelt unbefriedigende strukturelle Verhältnis- se wider. Frage 2: Welche Maßnahmen zur Umsetzung der EU- Wasser-Rahmen-Richtlinie wurden seit Abschluss der ersten Renaturierungsphase 2008 an der Wuhle durchge- führt? Mit welchem Ergebnis wurden die bisher durchge- führten Maßnahmen evaluiert? Antwort zu 2: Zur Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt wird an der Wuhle seit 2008 eine naturnahe Gewässerunterhaltung durchgeführt. So wurde beispiels- weise die Sohlmahd nicht mehr über die gesamte Gewässerbreite ausgedehnt sondern auf eine schmalere Stromrinnen- bzw. wechselseitige Mahd der Wasser- pflanzen beschränkt. Im Abschnitt unterhalb der Wuhle- blase (Rückstaubereich der Spree) erzeugt diese Strom- rinnenmahd ergänzend ein spürbares Fließen im über- breiten Gewässerprofil. Die Böschungsfüße werden zum größten Teil nicht und wenn, dann nur wechselseitig gemäht. Die Mahdtermine werden mit den Naturschutz- verbänden und –behörden hinsichtlich der Brutzeit der Tiere abgestimmt. Die Mahdbereiche mit besonders zu schützendem Flora- oder Faunabestand werden gemein- sam mit den Naturschutzverbänden und –behörden sowie den Bachpaten erfasst und unmittelbar vor der Mahd in der Örtlichkeit gekennzeichnet. An geeigneten Stellen werden in der Wuhle umgestürzte Bäume belassen oder zusätzlich gezielt Totholz eingebaut. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 483 2 An der Wuhle oberhalb der Cecilienstraße konnte in diesem Jahr der in der Roten Liste als gefährdete Art aufgeführte „Rote Feuerfalter“ nachgewiesen werden. Unmittelbar am Wuhlesee wurden Biberspuren festge- stellt. Die Maßnahmen der naturnahen Gewässerunter- haltung haben damit zu ersten positiven Ergebnissen geführt. Aufgrund der großen strukturellen Defizite ist die Umsetzung der baulichen Maßnahmen jedoch Vorausset- zung für die Zielerreichung nach EU Wasserrahmenricht- linie (WRRL). Es liegen keine methodisch geeigneten biologischen Untersuchungen vom Zustand vor Umsetzung der ersten Renaturierungsmaßnahmen bis 2008 vor. Das seitdem erfolgte Monitoring gem. WRRL weist abschnittsweise eine gewisse Artenvielfalt in der Wirbellosen Fauna und den Fischen auf. Die saprobielle (organische) Belastung ist relativ gering, die Ziele der WRRL werden wie oben beschrieben jedoch noch nicht erreicht. Frage 3: Wann ist mit der Umsetzung des in den ver- gangenen Jahren unter Beteiligung zahlreicher Bürgerin- nen und Bürger in Foren und Werkstätten erarbeiteten Maßnahmenkonzepts für die Wuhle zu rechnen? Woran ist die Umsetzung bisher gescheitert? Antwort zu 3: Die Umgestaltung der Wuhle nach EU Wasserrahmenrichtlinie ist wegen der erforderlichen Ressourcenplanung (Finanzierung, Personal) und der damit verbundenen Prioritätenbildung nicht in der aktuellen Finanzplanung bis 2018 enthalten. Frage 4: Mittel in welchem Umfang stehen im aktuel- len Haushaltsplan für die Umsetzung des Maßnahmen- konzepts zur Verfügung? Woran ist die Einstellung weite- rer Mittel in den Senatsentwurf gescheitert? Welche An- meldungen sind für den nächsten Haushaltsplan beabsich- tigt? Antwort zu 4: Im aktuellen Haushaltsplan stehen kei- ne investiven Mittel für die Umsetzung des Maßnahmen- konzeptes zur Verfügung. Die Anpassung der Gewäs- serunterhaltung erfolgt sukzessiv, ist jedoch überwiegend von der Umsetzung der baulichen Maßnahmen abhängig. Zur zweiten Frage der Frage 4 s. Antwort Frage 3. Es werden die im Maßnahmenkonzept enthaltenen Maßnahmen für Wuhle und Neue Wuhle angemeldet. Die Hauptmaßnahmen sind: Profileinengung im Unterlauf bis Wuhleblase zur Erhöhung der Strömungsdiversität, Her- stellung der Durchgängigkeit Heerstraße, Anhebung der Gewässersohle zwischen Bahnhof Wuhletal und der Bun- desstraße Alt-Biesdorf, Reaktivierung der rechtsseitigen Aue zwischen Cecilienstraße und Bahnhof Wuhletal, Verlegung des Wuhleteichs in den Nebenschluss, Herstel- lung der Durchgängigkeit Landsberger Allee, Anlage einer Sekundäraue unterhalb der Wuhlgrabenmündung; Einbau von Bermen zur Abflussretention in die Neue Wuhle. (s. auch http://www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/wasser/do wnload/wuhle-alles_im_fluss.pdf). Die Herausnahme einzelner Maßnahmen ist nicht sinnvoll, weil die Umset- zung aller im Konzept als prioritär eingestuften Maßnah- men erforderlich ist um die Zielerreichung nach WRRL zu ermöglichen. Frage 5: Welche konkreten Einzelmaßnahmen des Konzepts sollen bis wann im Rahmen der geplanten IGA 2017 umgesetzt werden? Antwort zu 5: Die baulichen Maßnahmen zur Zieler- reichung nach EU Wasserrahmenrichtlinie sind planfest- stellungspflichtig. Aus zeitlichen Gründen und auch we- gen der fehlenden Haushaltsmittel wurde daher von einer Umsetzung von Maßnahmen des Gewässerentwicklungs- konzeptes im Rahmen der IGA 2 2017 Abstand genom- men. Die Maßnahmen der IGA wurden so konzipiert, dass eine Realisierung der WRRL-Maßnahmen im Anschluss möglich ist. Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit wird die Zusammenarbeit mit der IGA genutzt, um die Aufmerk- samkeit für das Projekt und die vorhandenen Mitwir- kungsmöglichkeiten zu erhöhen. Konkret fördert die IGA die Auslage von Infomaterialien zur künftigen Entwick- lung der Wuhle und die Etablierung von Bachpatenschaf- ten. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt unterstützt die IGA im Rahmen der Umweltbil- dung im Teilprojekt IGA-Campus. Frage 6: Wie bewertet der Senat es, wenn Maßnah- menpläne, die unter Beteiligung und mit Hilfe des ehren- amtlichen Engagements der Bürgerinnen und Bürger entwickelt worden sind, nicht bzw. nicht zeitnah umge- setzt werden? Antwort zu 6: Wir freuen uns über das Engagement der Bürgerinnen und Bürger, bitten aber um Verständnis, dass eine zeitnahe Umsetzung des Maßnahmenkonzeptes (aus den zuvor genannten Gründen) nicht möglich ist. Das Wissen und die Vorschläge der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Beteiligungsveranstaltungen sind in das Maßnahmenkonzept eingeflossen und bleiben damit für den Umsetzungsprozess erhalten. Frage 7: Bis wann plant der Senat der Zielvorgaben der EU-Wasser-Rahmen-Richtlinien für die Wuhle voll- ständig umzusetzen? Antwort zu 7: Die Verbesserung der Hydromorpholo- gie (strukturelle Bedingungen, Durchgängigkeit, Wasserhaushalt) und eine angepasste Gewässerunter- haltung ist Voraussetzung zur Verbesserung des ökolo- gischen Zustands. Im Sinne der EU-Wasserrahmen- richtlinie wirksam werden die Maßnahmen jedoch erst durch eine Wiederbesiedlung durch die entsprechenden Biokomponenten. Das Wiederbesiedlungspotenzial ist 2 Internationale Gartenausstellung Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 483 3 (wie unter Antwort zur Frage 1 beschrieben) nach den vorliegenden Untersuchungen vorhanden, der Prozess benötigt nach derzeitigem Wissensstand mindestens drei bis fünf Jahre. Um die Zielerreichung im dritten Bewirtschaftungs- zeitraum (bis 2027) zu ermöglichen, sollen die Maßnah- men bis spätestens 2024 umgesetzt sein. Berlin, den 19. September 2014 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Sep. 2014)