Drucksache 17 / 14 488 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN) vom 03. September 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. September 2014) und Antwort Mülltrennung in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nur zum Teil in eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) Anstalt öffentlichen Rechts um eine Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Sie wurde bei der Beantwortung be- rücksichtigt. Frage 1: Wie viele und welche Unternehmen sind im Land Berlin für die Müllabfuhr, Mülltrennung und Müll- verbrennung tätig? Auf welche Bereiche haben sich diese Unternehmen spezialisiert? Antwort zu 1: Die BSR sind für die Entsorgung der grauen Restmülltonne, der Biogut-Tonne und – in Höhe des kommunalen Wertstoffanteils – für die Entsorgung der orange/gelben Wertstofftonne zuständig. Leichtverpa- ckungen und Altglas werden im Auftrag der Dualen Sys- teme zur Zeit von 3 Unternehmen (ALBA, Berlin Recyc- ling GmbH, Fa. Karl Meyer) gesammelt. Die haushalts- nahe Sammlung von Papier, Pappe und Kartonage (PPK) findet im Land Berlin im freien Wettbewerb statt. Derzeit sammeln rd. 45 Unternehmen Altpapier aus Privathaus- halten. Acht dieser Unternehmen sammeln Altpapier im Holsystem. Die überwiegende Zahl der Sammler betreibt stationäre Annahmestellen. Insgesamt haben im Land 450 Unternehmen nach § 53 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) das Sam- meln und Befördern von nicht gefährlichen Abfällen angezeigt, die Erlaubnis zum Sammeln und Befördern gefährlicher Abfälle nach § 54 KrWG erhielten 230 Be- triebe. Im Stadtgebiet von Berlin gibt es zahlreiche Anlagen zur Behandlung von Abfällen, die sowohl durch die Ber- liner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) als auch durch pri- vatwirtschaftlich geführte Unternehmen betrieben wer- den. Die größte Anlage ist das Müllheizkraftwerk in Ruh- leben, bewirtschaftet durch die BSR. Darüber hinaus gibt es zwei Mechanisch-Physika- lische Stabilisierungsanlagen (MPS) (Betreiber: MPS Betriebsführungsgesellschaft mbH), eine Biogasfermen- tierungsanlage (BSR), eine Mechanische Aufbereitungs- anlage (MA) in Köpenick (Firma: Otto-Rüdiger Schulze), eine Papiersortieranlage in Neukölln (Betreiber: Wert- stoff-Union Berlin GmbH) und eine Sortieranlage für Wertstoffe (Firma ALBA). Daneben existieren diverse andere Sortieranlagen, Anlagen zur Aufbereitung von Kühlgeräten und Verwertung von Elektro- und Elektro- nikgeräten, zahlreiche Demontagebetriebe für Altfahrzeu- ge, Schredderanlagen und Schrottscheren, chemisch- physikalische und Bodenbehandlunganlagen sowie zahl- reiche andere Anlagen. Das statistische Bundesamt weist für Berlin im Jahr 2012 etwa 100 Entsorgungsanlagen für Abfälle aus. Frage 2: Wie hoch ist der Anteil der Fehleinwürfe? (in %, aufgeschlüsselt nach Gefäßart und Stadtteil, Bezirk und Kiez) Wenn diese Daten nicht erhoben werden, wa- rum nicht? Antwort zu 2: Untersuchungen zur Zusammensetzung von Haus- und Geschäftsmüll sind mit großem personel- lem und finanziellem Aufwand verbunden und werden daher nur in größeren Abständen durchgeführt. In einer umfassenden Studie werden u. a. folgende Kenndaten untersucht:  Ermittlung der Jahresmenge Haus- und Geschäftsmüll und der getrennt erfassten Wertstoff- mengen  Ermittlung des einwohnerspezifischen Hausmüllaufkommens unter Berücksichtigung des Jah- resgangs einzelner Stoffgruppen (Organik, Minera- lien, Feinmüll) Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 488 2  Ermittlung der Zusammensetzung des Restmülls (Haus- und Geschäftsmüll) in Abhängigkeit von Siedlungsstruktur, Branchenstruktur und Jahreszei- ten  Ermittlung der verbleibenden Wertstoffmengen im Restmüll und Gegenüberstellung mit den getrennt erfassten Mengen  Bestimmung ausgewählter chemisch-physikalischer Eigenschaften des Haus- und Geschäfts- mülls (unterer Heizwert, Wassergehalt, Aschegeh- alt und Chlorgehalt)  Ermittlung von behälterspezifischen Kenndaten für Restmüll und getrennt erfasste Wertstoffe (bereit- gestelltes Behältervolumen, Füllgrad und Schütt- dichte)  Ermittlung des fossilen und des regenerativen Anteils im Restmüll als Basis für die Berechnung der CO2-Emissionen der Entsorgungsanlagen Die letzte umfassende Hausmüllanalyse fand im Jahr 2008 statt. Sie ergab folgende prozentuale Zusammenset- zung des Restmülls (in Gewichtsprozenten): Organik 41,9 Holz 0,3 Textilien 3,6 Inertes 2,1 Verbunde 9,1 Problemabfall 0,3 sonst. Stoffe 10,9 Rest < 10 mm 4,9 Papier, Pappe 11,4 Glas 6,8 Kunststoffe 6,6 Metalle 2,1 Im Auftrag der BSR wird derzeit eine weitere Haus- mülluntersuchung durchgeführt. Die Ergebnisse liegen voraussichtlich im ersten Quartal 2015 vor. Nach der letzten Bioabfalluntersuchung ebenfalls aus dem Jahr 2008 beträgt der Anteil an Fremdstoffen in der Biotonne 3,6% (4,6% im Innenstadtbereich; 1,7% im Außenbereich). Zu den Fehlwurfquoten bei Sammlungen von Pap- pe/Papier/Kartonagen, Wertstoffen und Glas liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. Erfahrungsgemäß liegen die Störstoffquoten bei der PPK-Sammlung und der Glas- sammlung unterhalb von 10%. Bezogen auf Stadtteile, Bezirke oder „Kieze“ liegen keine Daten vor. Die Ermittlung solcher Daten wäre nur mit jeweils spezifischen Abfalluntersuchungen möglich, die nicht mit vertretbarem Aufwand durchführbar sind. Frage 3: Wie hoch sind die Müllsammelkosten insge- samt und welchen Anteil daran hat die nachträgliche Trennung? Antwort zu 3: Die Gesamtkosten der von den BSR verantworteten hoheitlichen Abfallwirtschaft in Berlin liegen bei rund 250 Mio. € pro Jahr. Die Gewinnung von Wertstoffen aus dem gemischten Restabfall ist system- immanenter Bestandteil der einzelnen Verwertungsanla- gen. Die Kosten hierfür können nicht separat ermittelt werden. Frage 4 : Wie hoch wären schätzungsweise die Kosten bei professioneller Trennung ohne vorherige private Müll- trennung? Antwort zu 4: Das Kreislaufwirtschaftsgesetz des Bundes fordert einen weiteren Anstieg der Recyclingquo- te von Abfall aus privaten Haushaltungen. Die Recycling- fähigkeit der unterschiedlichen Materialien hängt ent- scheidend von der Reinheit der gesammelten Fraktionen ab. Deshalb fordert der Gesetzgeber auch den weiteren Ausbau der Getrenntsammlung u.a. mit der in Berlin bereits etablierten verpflichtenden Einführung der ge- trennten Bioabfallsammlung ab 2015 oder der Erweite- rung der Rücknahmepflicht für Elektroschrott. Der Verzicht auf die Getrenntsammlung von Wertstof- fen aus Haushaltungen weist keinerlei ökonomische oder ökologische Vorteile auf. Im Falle eines Verzichtes auf die getrennte Erfassung von Wertstoffen wie Leichtverpa- ckungen und Papier müssten allein im Land Berlin neue Sortieranlagenkapazitäten von rund 1.000.000 Mg/a Restmüll errichtet werden. Die Investitionssumme dafür beliefe sich auf über 200 Millionen Euro für die Aussor- tierung beispielsweise von Leichtstoffen. Diese separierten Produkte aus der nachträglichen Sortierung wären jedoch qualitativ schlechter als die getrennt erfassten Wertstoffe. Würde z.B. PPK wieder in einer gemeinsamen Tonne mit Restabfällen gesammelt, wäre die Recyclingfähigkeit dieses Materials aufgrund des Verschmutzungsgrades dramatisch beeinträchtigt. Auch bei Bioabfall ermöglicht erst die Getrenntsammlung und der damit verbundene niedrige Schadstoffgehalt eine Wiederverwendung als Kompost. Daher ist eine sorten- reine Getrennterfassung von Wertstoffen unabdingbar, um eine hochwertige stoffliche und klimaschonende Verwer- tung im Sinne der Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsge- setzes sicherzustellen. Gemäß dem vom Berliner Abge- ordnetenhaus beschlossenen Abfallwirtschaftskonzept 2011 verfolgt das Land Berlin weiterhin die Zielsetzung, die derzeitige Getrenntsammlung von Wertstoffen weiter auszubauen und zu optimieren. Frage 5: Über welchen Kenntnisstand bzgl. solcher Systeme/Verfahren verfügen das Land Berlin und die für die Mülltrennung zuständigen Unternehmen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 488 3 Antwort 5: Sowohl dem Senat als auch den BSR ist bekannt, dass es in Deutschland immer wieder Versuche gab bzw. gibt, eine andere Form der Sammlung mit einer geringeren Getrenntsammelquote zu etablieren (z.B. Kas- sel, Trier). Bislang haben diese Projekte das Versuchssta- dium nicht verlassen und auch keine positiven Ergebnisse im Sinne einer Steigerung von Recyclingquoten erzielt. Frage 6: Welcher Aufwand entsteht derzeit bei der Müllverbrennung? (entstehende Kosten, eingesetzte Mit- arbeiter und Fahrzeuge) Antwort zu 6: Das Annahmeentgelt für eine Tonne Restabfall beim MHKW Ruhleben beträgt derzeit 119,58 €. Darin sind sämtliche Kosten enthalten. Im MHKW Ruhleben sind aktuell rund 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Frage 7: Wie würde sich voraussichtlich der Aufwand ändern, wenn keine oder nur eine minimale Vortrennung stattfindet? Antwort zu 7: Die spezifischen Kosten der energeti- schen Verwertung im MHKW Ruhleben würden sich voraussichtlich nur geringfügig ändern (u.a. wegen sich veränderndem Heizwert des angelieferten Abfalls). Da eine nachträgliche Trennung von Abfällen - wie beschrie- ben - in vielen Fällen nicht mehr sinnvoll möglich wäre, würden die Gesamtmengen energetisch zu verwertender Abfälle und damit auch die Gesamtkosten der energeti- schen Verwertung deutlich ansteigen. Da die Kapazitäten des MHKW weitgehend ausge- schöpft sind, müssten entsprechend neue energetische Verwertungskapazitäten geschaffen werden. Frage 8: Gibt es seitens des Senats Pläne bzgl. eines Verzichts von Mülltrennung in den Privathaushalten? Wenn ja, wie sehen diese aus und wie wahrscheinlich ist eine Umsetzung? Wenn nein, warum nicht? Antwort zu 8: Nein. Siehe Antwort zu Frage 4. Berlin, den 18. September 2014 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Sep. 2014)