Drucksache 17 / 14 495 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Canan Bayram (GRÜNE) vom 30. Juli 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. September 2014) und Antwort Überstellung aus der JVA Büren nach Berlin-Köpenick – Wurde und wird hier rechtswidrig die Freiheit entzogen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Menschen wurden aus der JVA Büren in den Abschiebegewahrsam in Berlin-Köpenick überstellt, nachdem der Bundesgerichtshof am 25. Juli 2014 in Übereinstimmung mit einem vorherigen Urteil des Euro- päischen Gerichtshofes entschieden hatte, dass die Inhaf- tierung von Abschiebegefangenen in der JVA Büren rechtswidrig ist? Zu 1.: Seit dem 25. Juli 2014 wurden insgesamt 21 Personen aus der Justizvollzugsanstalt Büren überstellt. 2. Wie viele der aus Büren nach Berlin überstellten Personen fallen unter die Dublin III - Verordnung? Zu 2.: Diese Daten werden von Berliner Behörden sta- tistisch nicht erhoben, da die Verfahren nicht hier geführt werden. 3. Auf welchen Vorschriften basieren die Haftanord- nungen für diesen Personenkreis? Welche Haftgründe liegen vor? (Bitte alle Haftgründe unter Nennung der entsprechenden Vorschriften auflisten.) Zu 3.: Die einzelnen Vorschriften der Haftanordnung sowie die Haftgründe werden statistisch nicht erfasst. Es werden nur Personen im Abschiebungsgewahrsam unter- gebracht, für die ein gültiger Haftbeschluss des jeweils zuständigen Amtsgerichts vorliegt. 4. Für welchen Zeitraum sollen die verlegten Flücht- linge im Abschiebegewahrsam in Berlin-Köpenick ver- bleiben? Ist eine weitere Verlegung geplant? Zu 4.: Die Unterbringung der Insassinnen und Insas- sen erfolgt grundsätzlich mit dem Ziel einer zeitnahen Abschiebung. Ein fester Zeitraum für die Unterbringung dieser Insassinnen und Insassen wurde nicht vereinbart. Im Durchschnitt verbleiben Gewahrsamsinsassinnen und Gewahrsamsinsassen 11 Tage im Abschiebungsgewahr- sam Köpenick (Stand: 1. September 2014). Eine Verle- gung durch die Polizei Berlin ist nicht vorgesehen. 5. Welchen genauen Inhalt hat die Vereinbarung zwi- schen dem Land Berlin und dem Land Nordrhein- West- falen über die Überstellung der inhaftierten Flüchtlinge? Zu 5.: Die Unterbringung im Abschiebungsgewahr- sam Berlin erfolgte auf Grund eines Amtshilfeersuchens des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Lan- des Nordrhein-Westfalen vom 20. Juli 2014. Eine geson- derte Vereinbarung war nicht erforderlich; die rechtlichen Grundlagen der Amtshilfe ergeben sich aus § 4ff Verwal- tungsverfahrensgesetz. Die Unterbringung der Personen erfolgt unter Berücksichtigung der Ordnung für den Ab- schiebungsgewahrsam im Land Berlin (Gewahrsamsord- nung). 6. Wie soll sichergestellt werden, dass die überstellten Flüchtlinge weiterhin Kontakt zu ihren Familien, Rechts- anwälten und Unterstützern halten können? Zu 6.: Der Kontakt zu Familien, Rechtsanwältinnen bzw. Rechtsanwälten und Unterstützerinnen bzw. Unter- stützern wird durch die Polizei Berlin im Rahmen der Gewahrsamsordnung gewährleistet. Zum Beispiel werden durch Erstkontaktgespräche des sozialpsychologischen Dienstes Defizite im Wissen über den Verbleib von Angehörigen unmittelbar beseitigt. Eine persönliche Kontaktaufnahme mittels anstaltsinternen Mobiltelefonen wird unentgeltlich ermöglicht. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 495 2 7. Wie beurteilt der Senat grundsätzlich die Rechts- mäßigkeit der gemeinsamen Inhaftierung von Abschiebe- häftlingen mit Strafgefangenen? Zu 7.: Für den Senat stellt sich diese Frage nicht, da im Berliner Abschiebungsgewahrsam keine Strafgefange- nen untergebracht werden. Es handelt sich um eine den Vorgaben der Europäischen Union entsprechende Ein- richtung. 8. War aus Sicht des Senats die Unterbringung der Abschiebehäftlinge in der JVA Büren rechtmäßig? Hätte aus Sicht des Senats nicht zumindest nach der Entschei- dung des Europäischen Gerichtshofes vom 17. Juli 2014 (Az. C-473/13, C-514/13, C-474/13), indem die gemein- sam Unterbringung von Abschiebehäftlingen und Strafge- fangenen für rechtswidrig erklärt wurden oder spätestens nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 25. Juli 2014 (Az.: V ZB 137/14) zur Unterbringung von Abschiebehäftlingen in der JVA Büren die sofortige Ent- lassung der Abschiebehäftlinge aus der JVA Büren ange- ordnet werden müssen? Falls der Senat die weitere Inhaf- tierung bis zur Überstellung nach Berlin für rechtmäßig hält, wie rechtfertigt er diese? Zu 8.: Die Bewertung der Unterbringungssituation in der JVA Büren sowie der weiteren Inhaftierung bis zur Überstellung sind nicht Aufgaben des Senats von Berlin. Es wird nochmals darauf hingewiesen, dass eine Aufnah- me nur erfolgt, sofern ein gültiger Haftbeschluss für die Unterbringung vorliegt. Da das Abschiebungsgewahrsam Berlin den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie der Europäischen Union ent- spricht, waren die Unterbringungen dieser Amtshilfefälle rechtmäßig. 9. Wie schätzt der Senat die Inhaftierung von Flücht- lingen, die unter die Dublin III - Verordnung fallen, recht- lich ein? Zu 9.: Die Berliner Behörden verfahren nach den rechtlichen Maßgaben der Entscheidung des Bundesge- richtshofs (V ZB 31/14) vom 26.06.2014. In Fällen der Amtshilfe liegt die Verantwortung für die Maßnahme bei der ersuchenden Behörde. Durch die zwingende Voraus- setzung des Vorliegens eines Haftbeschlusses muss daher davon ausgegangen werden, dass die jeweilige Inhaftie- rung rechtmäßig erfolgte. 10. Sind zur Zeit im Abschiebegewahrsam Berlin- Köpenick über die gegebenenfalls aus Büren überstellten Personen hinaus, Flüchtlinge inhaftiert, die unter die Dub- lin III-Verordnung fallen? Wenn ja, was für Haftgründe liegen hier jeweils vor? 11. Falls zur Zeit Personen, die unter die Dublin III- Verordnung fallen, im Berliner Abschiebegewahrsam inhaftiert sein sollten, wird der Senat dafür sorgen, dass diese Personen umgehend entlassen werden? Zu 10. und 11.: Diese Daten werden statistisch von der Polizei Berlin nicht erfasst. Aktuell sind 21 Personen im Abschiebungsgewahrsam untergebracht (Stand: 17. September 2014). Wie bereits dargestellt, obliegt die Verantwortung für eine inhaftierte Person in Amtshilfefällen ausschließlich der ersuchenden zuständigen Ausländerbehörde. Darüber hinaus erfolgt eine Entlassung auf richterlicher Anord- nung durch die veranlassende Behörde oder bei begründe- ten Zweifeln an der Verwahrfähigkeit. Berlin, den 18. September 2014 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Sep. 2014)