Drucksache 17 / 14 505 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anja Schillhaneck (GRÜNE) vom 04. September 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. September 2014) und Antwort Auswirkungen eines Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und Ka- nada (CETA) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Liegt dem Senat das Verhandlungsergebnis für CETA (EU-Dok. 132/2014–139/2014) zur Stellungnahme vor? In welcher Weise hat der Senat gegenüber der Bun- desregierung Stellung genommen? Zu 1.: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat den Ländern und Bundesressorts im Rahmen der Bund-Länder-Zusammenarbeit zu Fragen des Dienstleistungskapitels im Freihandelsabkommen mit Kanada am 06. August 2014 den finalen Verhandlungs- stand – jedoch vor Paraphierung und vor der noch ausstehenden rechtlichen Überprüfung, dem sog. „legal scrubbing “ - übermittelt. Im Rahmen einer Bund-LänderBesprechung zum Dienstleistungskapitel im CETA am 08. September 2014, bei der die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung vertreten war, wurden im Wesentlichen noch offene Detailfragen bei den Listungen der Dienstleistungen in der sog. Negativlis- te des CETA erörtert. Bislang wurde der Senat von der Bundesregierung nicht zu einer Stellungnahme zum Ver- handlungsergebnis für das Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) aufgefordert. Der Senat geht davon aus, dass die Länder im Bundesratsverfahren Gele- genheit zur Stellungnahme erhalten werden. 2. Wie bewertet der Senat das vorliegende Verhand- lungsergebnis? In welchen Punkten sieht der Senat Ände- rungsbedarf? (Siehe auch Fragen 5 bis 18) Zu 2.: Der Senat hat bisher keine Gesamtbewertung der vorgelegten Fassung des Abkommenstextes vorge- nommen. Er sieht hier zunächst die für die betroffenen Regelungsbereiche zuständigen Bundesressorts in der Pflicht zu prüfen, inwieweit die Forderungen der Bundes- regierung, bzw. der Europäischen Kommission in den Verhandlungen durchgesetzt werden konnten. Der Senat wird auf der Grundlage des paraphierten Textes nach Abschluss der rechtlichen Überprüfung durch die Ver- handlungsparteien eine Bewertung im Rahmen des Bun- desratsverfahrens vornehmen. 3. Welche Kenntnisse hat der Senat über den Zeitplan für den Abschluss des Abkommens und der Ratifizierung in den Mitgliedstaaten der EU? Zu 3.: Nach Auskunft der Bundesregierung wird das Abkommen entgegen bisheriger Ankündigungen nicht beim EU-Kanada-Gipfel am 26. September 2014 in Otta- wa parafiert werden. Der weitere Zeitplan ist damit offen und auch dem Senat nicht bekannt. 4. Geht der Senat davon aus, dass Bundestag und Bundesrat einer Ratifizierung des Abkommens zustim- men müssen? Zu 4.: Ja. 5. Sind nach Auffassung des Senats die Vertragsbe- stimmungen in CETA in Sachen Investorenschutz weit- gehend identisch mit den Vorschlägen, die von der Kom- mission im Konsultationsverfahren zu Investor-Staat- Streitschlichtungsverfahren zu TTIP vorgestellt worden sind? Welchen Wert hat dann noch die sehr breit genutzte öffentliche Konsultation der Kommission zu diesem Thema? Zu 5.: Nach Auskunft des BMWi kam es bei den In- vestitionsschutzregelungen, die im CETA vorgesehen sind, gegenüber den Regelungen, die im Rahmen des Konsultationsverfahrens zur Diskussion gestellt wurden, bereits zu ersten Verbesserungen. Der Senat unterstützt die Haltung der Bundesregierung, die gegenüber der Eu- ropäischen Kommission darauf hinwirkt, das Ergebnis der TTIP-Konsultation auch im Rahmen des CETA angemes- sen zu berücksichtigen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 505 2 6. In der Diskussion über Investor-Staat- Streitschlichtungsverfahren in TTIP wird in Deutschland überwiegend die Auffassung vertreten, dass solche Ver- fahren zwischen Wirtschaftsräumen mit sicheren und verlässlichen Rechtssystemen nicht notwendig, sondern gefährlich sind, indem sie ausländischen Investoren Son- derrechte einräumen. Gilt dies nach Auffassung des Se- nats auch für die EU und Kanada? Zu 6.: Der Senat teilt die Auffassung der Bundesregie- rung, dass Investitionsschutzregelungen und Regelungen für ein Investor-Staats-Schiedsverfahren weder im Ver- hältnis zu den USA noch zu Kanada zum wirksamen Schutz von Investitionen erforderlich sind. Der Grad der Gefährlichkeit hängt von der genauen Ausgestaltung der Regelungen ab, insbesondere von den Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch des Investors. 7. Welche Haltung hat der Senat im Besonderen zu der Tatsache, dass eine Berufungsinstanz nicht zwingend vorgeschrieben werden soll und dass ausländische Inves- toren sich unmittelbar an die Schiedsgerichte wenden können, inländische jedoch nicht? Zu 7.: Vgl. Antwort zu Frage 2. 8. Geht der Senat davon aus, dass eine Aufnahme des Investitionsschutzkapitels in CETA eine präjudizierende Wirkung auf TTIP haben wird? Zu 8.: Nein. Der Senat teilt die Auffassung der Bun- desregierung, dass die inhaltliche Ausgestaltung bilatera- ler Abkommen in jedem Einzelfall individuell zwischen den Verhandlungspartnern ausgehandelt wird, ohne dass von einem Abkommen eine Präjudizwirkung für andere Abkommen ausgeht. 9. Welche Chancen und Risiken sieht der Senat im vorliegenden CETA-Abkommen für die deutsche Land- und Lebensmittelwirtschaft? 10. Wird sich die EU-Zulassungspraxis für GVO än- dern, da die Zulassungsverfahren für GVO in Kanada eher auf der Risikoeinschätzung der Hersteller basieren? Könnte die EU nach CETA-Abschluss ihre Zulassungs- verfahren noch auf sozio-ökonomische und ethische Ge- sichtspunkte erweitern? Wäre eine erweiterte Kennzeich- nungspflicht erschwert oder unmöglich gemacht? Wie bewertet der Senat die Tatsache, dass das Ziel der regula- torischen Kooperation bei GVO mit Kanada nicht die Sicherung eines hohen Schutzniveaus für Verbraucher und Umwelt sein soll, sondern die Minimierung von Han- delshemmnissen? 11. Ist nach Auffassung des Senats in CETA das staat- liche „Recht zur Regulierung“ („Right to regulate“) vor Investorenklagen geschützt? Was bedeutet es, dass Um- weltregulierungen der EU in Zukunft mit CETA „vereinbar “ sein müssen? 12. Wird das CETA-Abkommen nach Auffassung des Senats direkte oder indirekte Auswirkungen auf die Regu- lierung von Fracking in Deutschland haben? Welche Klagemöglichkeiten für ausländische Investoren könnten sich ergeben? Zu 9. – 12.: Vgl. Antwort zu Frage 2. 13. Welche Dienstleistungen werden über die bisheri- gen Regelungen hinaus liberalisiert und wie bewertet der Senat dies? Zu 13.: Nach Auskunft der Bundesregierung führt CETA zu keinen Liberalisierungen im Dienstleistungsbe- reich, zu denen Deutschland nicht auch im Rahmen des GATS bereits verpflichtet ist. 14. Gibt es in CETA Regelungen, die die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in der EU erschweren könnten? Zu 14.: Nach Auskunft des BMWi: Nein. 15. Wird nach Auffassung des Senats durch das Ab- kommen der Spielraum für künftige Rekommunalisierun- gen durch „standstill“- oder „ratchet“-Klauseln beschnitten ? Zu 15.: Nein. Das Abkommen enthält eine breite Aus- nahmeregelung für die öffentliche Daseinsvorsorge, durch die auch eine künftige Rekommunalisierung dieser Berei- che abgedeckt wäre. 16. Wie beurteilt der Senat die Anwendung von Nega- tivlisten für Ausnahmen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge im Vergleich zum Positivlistenansatz? Wie wird sich dies in Deutschland auswirken? Welche Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge sind von den Negativlisten oder anderen Regeln nicht erfasst und damit nicht vor Liberalisierungsverpflichtungen geschützt? Zu 16.: Die Verwendung von Positiv- oder Negativlis- ten ist in erster Linie eine Frage der Rechtstechnik, die auf den Umfang etwaiger Liberalisierungsverpflichtungen keine Auswirkung hat. Aufgrund der umfassenden Aus- nahme für Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, die auch künftige Entwicklungen und Veränderungen zulässt, erwartet der Senat keine Liberalisierungsverpflichtungen. 17. Wie beurteilt der Senat die Tatsache, dass der Ver- tragsentwurf für die EU keine generelle Ausnahme für Kultur vorsieht, sondern nur für audio-visuelle Dienstleis- tungen, während die Ausnahmen für Kanada umfassender sind? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 505 3 Zu 17.: Nach Auskunft des BMWi ist eine umfassende Bereichsausnahme für Kultur der EU nicht möglich, da einige Mitgliedstaaten der EU, so auch Deutschland – anders als Kanada –, für einzelne dem umfassenden Kulturbegriff zuzuordnende Dienstleistungen im Allgemei- nen Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen von 1995 (General Agreement on Trade in Services, GATS) keine Beschränkungsvorbehalte geltend gemacht haben. Es ist völkerrechtlich unzulässig, in bilateralen Verhand- lungen einen Vorbehalt für eine Dienstleistung einzule- gen, wenn im GATS dieser Vorbehalt für dieselbe Dienst- leistung nicht geltend gemacht wurde. Die auch vom Senat mit Nachdruck geforderte Be- reichsausnahme für Kultur ließ sich daher nur im Wege der Nennung auf der Negativliste und mit Ausnahme der Dienstleistungen realisieren, die bereits nach dem GATS vorbehaltslos zu öffnen sind. Für Deutschland konnten daher ein Vorbehalt nur für Kulturdienstleistungen mit Ausnahme der Dienstleistungen von Nachrichtenagentu- ren sowie Sport- und anderen Erholungsdienstleistungen erklärt werden. 18. Teilt der Senat die Auffassung, dass sich restrikti- ve Durchsetzungsinstrumente im Urheberrecht, die bei ACTA gescheitert sind, im CETA-Abkommen wiederfin- den? Wie steht der Senat dazu? Zu 18.: Vgl. Antwort zu Frage 2. Berlin, den 17. September 2014 In Vertretung Henner B u n d e ......................................................... Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Sep. 2014)