Drucksache 17 / 14 520 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Andreas Baum (PIRATEN) vom 09. September 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. September 2014) und Antwort Sind Radtouren in Berlin erlaubnispflichtig? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Unter welchen Bedingungen sind nach Auf- fassung des Senats Radtouren nach § 29 Abs. 2 StVO erlaubnispflichtig? Frage 2: Vertritt der Senat die Auffassung, dass für ganz oder teilweise über Hauptverkehrsstraßen geführte Radtouren unabhängig von der Zahl ihrer Teilneh- mer_innen nach § 29 Abs. 2 StVO eine gebührenpflichti- ge Erlaubnis beantragt werden muss? Frage 3: Auf welche Art und Weise können Radtouren nach Auffassung des Senats „erhebliche Verkehrsbeeinträchtigungen “ verursachen, die sie nach § 29 Abs. 2 StVO erlaubnispflichtig machen? Antwort zu 1., 2, 3. und 5: Die Straßenverkehrs- Ordnung (StVO) sieht in § 29 (Übermäßige Straßenbe- nutzung) vor, dass nach Absatz 2 Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, der Erlaubnis bedürfen. Das ist der Fall, wenn die Benutzung der Straße für den Verkehr wegen der Zahl oder des Verhaltens der Teilnehmenden oder der Fahr- weise der beteiligten Fahrzeuge eingeschränkt wird; Kraftfahrzeuge in geschlossenem Verband nehmen die Straße stets mehr als verkehrsüblich in Anspruch. In der Regel ist also auch bei Veranstaltungen mit anderen Fahr- zeugen wie Fahrrädern eine Erlaubnis erforderlich, wenn dadurch die Straße z.B. wegen einer sehr großen Teil- nehmerzahl mehr als verkehrsüblich in Anspruch ge- nommen wird. Nach der Verwaltungsvorschrift (VwV- StVO) zu § 29 Abs. 2 StVO sind dies Radtouren mit mehr als 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern oder erhebli- chen Verkehrsbeeinträchtigungen oder wenn sie auf überörtlichen Straßen stattfinden. Mit dieser Erlaubnis und den darin enthaltenen Auflagen müssen Straßenver- kehrsbehörde und Polizei im Interesse der Verkehrssi- cherheit gewährleisten, dass Teilnehmerinnen und Teil- nehmer solcher Veranstaltungen einen ungestörten Ver- lauf genießen können, aber auch sie selbst und die übrigen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer mög- lichst wenig behindert und auf alle Fälle nicht gefährdet werden. Die Beachtung der in der Erlaubnis gemachten Auflagen vermeidet Ärger und gewährleistet eine unge- trübte Durchführung. Die Straßenverkehrsbehörde und die Polizei müssen sich aufgrund ihrer Verantwortung für alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer auf die sichere Durchführung solcher Veranstaltungen entspre- chend einrichten können und die Belastungen ggf. mit anderen planbaren Ereignissen bewerten. Im Einzelfall können aber auch Radtouren ohne nennenswerte Beein- trächtigungen in einer Ermessensentscheidung als „erlaubnisfrei “ eingeschätzt werden, wenn keine anderen Gründe dagegen sprechen. Frage 4: Welche Gebühren werden erhoben, wenn für Radtouren eine Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 StVO bean- tragt wird? Antwort zu 4: Die Ausstellung einer Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 StVO ist eine gebührenpflichtige Amtshand- lung nach § 6a Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt). Grundsätzlich ist bei der Festsetzung einer Gebühr im Einzelfall Ermessen auszuüben. Für die Ent- scheidung über eine Erlaubnis nach der StVO besteht ein Gebührenrahmen von 10,20 € bis 767,00 € (Gebühren-Nr. 263 des Gebührentarifs zur GebOSt). Dazu sind in Berlin Gebührenregelsätze durch mit der obersten Straßenver- kehrsbehörde abgestimmter Geschäftsanweisung geregelt, so dass in der Regel die Gebühr für eine erlaubnispflichti- ge Radtourenfahrt ca. 50,00 € beträgt. Frage 5: Gilt die Erlaubnispflicht auch für private Radtouren, z.B. im Familien- oder Freundeskreis? Wenn ja, unter welchen Umständen? Antwort zu 5: Nach § 29 Abs. 2 StVO und VwV- StVO zu § 29 Abs. 2 werden Veranstaltungen wie Rad- touren dahingehend nicht differenziert. Entscheidend für die Erlaubnispflicht ist, ob Straßen mehr als verkehrsüb- lich in Anspruch genommen werden. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 520 2 Frage 6: Teilt der Senat die Auffassung des Regie- rungspräsidiums Kassel (http://www.webcitation. org/6RB2TuYV6), der zufolge nur solche Radtouren, bei denen ein „Fahren auf Zeit“ und ein „Pulkstart“ vorliegen, und deren Start-, Ziel- und andere Kontrolleinrichtungen besondere den Verkehr regelnde Maßnahmen erfordern, generell und unabhängig von der Zahl ihrer Teilneh- mer_innen der Erlaubnispflicht unterliegen? Antwort zu 6: Nein. Frage 7: Wie bewertet der Senat vor dem Hintergrund seiner Radverkehrsstrategie die Einschränkungen für den Fahrradtourismus und den Fahrrad-Freizeitverkehr, die mit einer Erlaubnispflicht für Radtouren nach § 29 Abs. 2 StVO einhergehen? Antwort zu 7: Differenzen zur Radverkehrsstrategie des Senats durch Vorgaben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur als Verordnungsgeber werden hier nicht gesehen. Frage 8: Ist der Senat bereit, private und gewerbliche Radtouren, die weder Wettbewerbscharakter noch geson- derte Start- und Zieleinrichtungen aufweisen, allgemein und im Voraus zu genehmigen (z.B. durch Allgemeinver- fügung)? Antwort zu 8: Nein, es bedarf einer Einzelfallprüfung durch die Straßenverkehrsbehörde. Frage 9: Ist dem Senat bekannt, wie das Land Bran- denburg die Frage der Erlaubnispflicht von Radtouren handhabt? Antwort zu 9: Auch das Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg verweist auf die vom Verordnungsgeber geregelte Erlaubnispflicht nach § 29 Abs. 2 StVO in Verbindung mit der VwV- StVO, welche eine konkrete Regelung für Radtouren bereithält. Hierbei ist auf die Teilnehmerzahl oder die verkehrliche Bedeutung der befahrenen Straßen abge- stellt. Entscheidend ist die Einschätzung des Einzelfalles. Frage 10: Arbeitet der Berliner Senat in dieser Hin- sicht mit der Landesregierung Brandenburg zusammen, um eine rechtssichere und unkomplizierte Planung von Landesgrenzen überschreitenden Radtouren zu ermögli- chen? Antwort zu 10: Ja. Berlin, den 22. September 2014 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Sep. 2014)