Drucksache 17 / 14 551 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher und Wolfgang Brauer (LINKE) vom 16. September 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. September 2014) und Antwort Denkmalschutz in der St.-Hedwigs-Kathedrale Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie beurteilt der Senat den Denkmalwert und den Bauzustand der St.-Hedwigs-Kathedrale und hält er einen Umbau des Innenraums bautechnisch für erforder- lich? Antwort zu 1: Der innere Ausbau von St. Hedwig ge- hört zu den bedeutenden Leistungen kirchlichen Wieder- aufbaus nach 1945. Die Gestalt und die weitgehend erhal- tene Nachkriegsausstattung der Bischofskirche aus der Zeit um 1960 sind in Deutschland ohne Parallele. Der Wiederaufbau ist vor allem wegen des eigenwilligen Innenausbaus von hoher liturgie- und zeitgeschichtlicher Bedeutung. Als Kathedrale und Bischofsitz in Ost-Berlin zur Zeit der deutschen Teilung symbolisiert St. Hedwig die Einheit der katholischen Kirche und eine innerdeut- sche Klammer. Die außergewöhnliche Raumkonzeption von Adenauers Architekt Prof. Hans Schwippert (1899 - 1973) aus Düsseldorf – die einzige moderne Kirchenraumschöpfung einer kriegszerstörten Bischofskirche in Deutschland nach dem Krieg – transportiert gleich mehrere Bedeutungsebenen. Die Symbolkraft, die in der Öff- nung des Raumes zur Krypta und in dem vertikalen Auf- bau des Altars auf dem Fundament des Altars der Unter- kirche liegt, ist evident: Die Krypta fungiert als Unterkir- che mit Taufkirche, Beichtstühlen, Grablege der Bischöfe und dient zugleich dem Gedenken an die katholischen Märtyrer Berlins in der NS-Zeit. Der durch die Öffnung ermöglichte Verweis auf dieses Fundament der Kirche erhält unter den politischen Bedingungen der Entste- hungszeit und im Denkmalkontext des von der DDR/SED neuinterpretierten und umbenannten Bebelplatzes einen einzigartigen Zeugniswert. Der Außenbau der St.-Hedwigs-Kathedrale ist geför- dert vom Land Berlin in den letzten Jahren instandgesetzt worden. Eine Renovierung des Innenraums und In-Wert- Setzung der künstlerisch und historisch bedeutenden Nachkriegsschöpfung steht noch aus und ist denkmalpfle- gerisch erwünscht. Frage 2: Welche Erkenntnisse hat der Senat über Um- fang und Zeitrahmen geplanter Umbaumaßnahmen in der St.-Hedwigs-Kathedrale? Antwort zu 2: Dem Senat liegt kein Bauantrag vor und Umfang und Zeitrahmen von geplanten Baumaßnahmen sind nicht bekannt. Die Absichten zum Umbau der St.- Hedwigs-Kathedrale sind bekannt, da die Senatsbaudirek- torin und das Landesdenkmalamt im Preisgericht zum Architekturwettbewerb vertreten waren. Frage 3: Wie bewerten der Senat und das Landes- denkmalamt die Umbaupläne für den Innenraum der St.- Hedwigs-Kathedrale? Antwort zu 3: Die Umsetzung des siegreichen Wett- bewerbsentwurfs hätte eine vollständige Beseitigung der denkmalgeschützten und weitgehend intakten Innenraum- fassung aus den Jahren 1952-1963 und damit eine Teil- zerstörung des Denkmals zur Folge. Siehe auch Antwort zur Frage 7. Frage 4: Inwieweit kann unter Beachtung des Denk- malschutzes der Innenraum der St.-Hedwigs-Kathedrale überhaupt verändert werden? Antwort zu 4: Für die hochbedeutende Nachkriegs- Raumschöpfung von St. Hedwig sind in vielen Punkten denkmalverträgliche Verbesserungen möglich, z.B. eine grundlegende Reinigung und Instandsetzung sämtlicher Oberflächen, eine Korrektur der Bankanordnung, eine Optimierung der Choraufstellung sowie eine zeitgemäße technische Ertüchtigung des Gebäudes (Licht- und Medi- entechnik, Sicherheit, Brandschutz, Klima und Barriere- freiheit etc.). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 551 2 Frage 5: Wie beurteilt der Senat die Empfehlungen des Landesdenkmalrates in dieser Sache und welchen Stellenwert haben sie für den Senat und den Bauherren? Antwort zu 5: Der Landesdenkmalrat Berlin wird auf der Grundlage des Denkmalschutzgesetzes Berlin (§ 7 Denkmalschutzgesetz Berlin [DSchG Bln]) vom Senat von Berlin zur Beratung des für Denkmalschutz zuständi- gen Senatsmitglieds berufen. Der Landesdenkmalrat setzt sich paritätisch aus Fachleuten der Denkmalpflege, Ge- schichte und Architektur sowie aus sachberührten Bürge- rinnen bzw. Bürgern und Institutionen von Berlin zusam- men. Bei allen Angelegenheiten von grundsätzlicher Be- deutung ist der Landesdenkmalrat zu hören. Die für Denkmalschutz zuständige Senatsverwaltung misst den Empfehlungen des Landesdenkmalrats ein hohes Gewicht bei in der Abwägung öffentlicher, privater und kirchlicher Belange. Frage 6: Welche Handhabe haben die Denkmal- schutzbehörden gegenüber dem Bauherrn, unverträgliche Eingriffe in das Baudenkmal zu unterbinden? Antwort zu 6: Veränderungsmaßnahmen an Denkma- len unterliegen einem denkmalrechtlichen Genehmi- gungsvorbehalt der zuständigen Behörden. Entscheidun- gen der Denkmalbehörden erfolgen nach Maßgabe der Vorschriften des Gesetzes zum Schutz von Denkmalen in Berlin (DSchG Bln). Frage 7: Wie ist die rechtliche Situation bei dem Um- bau der St.-Hedwigs-Kathedrale zu bewerten: Einerseits plant das Erzbistum Berlin, welches sich auf die staatlich garantierte Selbstbestimmung der Kirche berufen kann, andererseits unterliegt die Kirche als eingetragenes Denkmal dem Denkmalschutzgesetz Berlin, welches wiederum mit § 21 eine besondere Regelung für Denkma- le vorsieht, die gottesdienstlichen Zwecken dienen? Antwort zu 7: Laut Denkmalschutzgesetz Berlin (Pa- ragraph 21) sind "Entscheidungen und Maßnahmen der zuständigen Denkmalbehörde über Denkmale, die unmit- telbar gottesdienstlichen Zwecken anerkannter Religions- gemeinschaften dienen, (…) im Benehmen mit den zuständigen Behörden der Religionsgemeinschaften und unter Berücksichtigung der von diesem festgestellten gottesdienstlichen Belange zu treffen." Aufgrund des auf Verfassungsebene garantierten Selbstbestimmungsrechts der Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemein- schaften sind dabei gottesdienstliche und liturgische Be- lange vorrangig zu berücksichtigen. Berlin, den 02. Oktober 2014 In Vertretung R. L ü s c h e r ............................................... Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Okt. 2014)