Drucksache 17 / 14 557 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Stefanie Remlinger (GRÜNE) vom 15. September 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. September 2014) und Antwort Ergebnisse der Berufsbildungsreife 2014 IV – Gründe für die Unterschiede in den Bezirken ? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie erklärt sich der Senat die desaströse Bestehensquote bei der BBR im Altbezirk Wedding von nur 45% in 2014 und somit eine nochmalige Verschlechte- rung von 9% im Vergleich zu 2013? Wie will der Senat hier gegensteuern (bitte ausführen für Kita, Grundschule und Oberschulen, Übergang von Schule in Ausbil- dung/Studium/Beruf sowie Maßnahmen der Sozialen Stadt)? Zu 1.: Die Gründe für die Verschlechterung sind ohne eine eingehende Analyse, bezogen auf die Zusammenset- zung der Schülerschaft, nicht zu ermitteln, insbesondere da die Bemühungen in den Schulen beim Mittleren Schul- abschluss (MSA) 2014 zu einer deutlichen Verbesserung der Leistung der Schülerinnen und Schüler vor allem im Fach Mathematik geführt haben. Ein Grund für die Ver- schlechterung der Berufsbildungsreife (BBR) kann in der außerordentlich hohen Quote von Zuwanderinnen und Zuwanderern in Mitte (Kinder ohne Deutschkenntnisse aus Flüchtlingsfamilien) liegen, die seit 2012 in erhebli- chem Umfang vor allem in die Klassenstufe 8 und auch in die Klassenstufe 9 nach dem Besuch einer Lerngruppe für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse aufgenommen wer- den. Diese Schülerinnen und Schüler benötigen eine län- gere Zeit, um das erforderliche Leistungsniveau zu errei- chen, da die fachsprachlichen Kenntnisse beim Übergang in die Regelklasse nicht gleich ausreichen. Der Bezirk Mitte steuert mit dem schulartübergreifen- den Projekt „Mathe in Mitte“ dagegen. Dieses Projekt, das seit zwei Jahren durch die Grund- und Oberschulen in Verbindung mit den Kindertagesstätten realisiert wird, fördert nicht nur den Erwerb von mathematischen Kom- petenzen von der Kindertagesstätte bis zur Klassenstufe 10, sondern auch die durchgängige Sprachbildung. An diesem Projekt nehmen alle Schulen des Bezirks teil. Organisiert wird das Projekt in vier regionalen Netz- werken mit den Fachkonferenzleiterinnen und Fachkonfe- renzleitern sowie weiteren Fachkolleginnen und Fachkol- legen. Das Projekt wird von der regionalen Schulaufsicht sowie der regionalen Fortbildung in Vernetzung mit dem Sprachförderzentrum Mitte gesteuert. Es werden Stan- dards für die Vermittlung von mathematischen Kompe- tenzen für die einzelnen Bereiche erarbeitet, die sukzessi- ve umgesetzt werden. In Zusammenarbeit zwischen den Weddinger Schulen und dem Quartiersmanagement werden Nachhilfeprojekte und Projekte der Berufsorientierung und Berufsfindung durchgeführt. 2. Inwiefern sieht der Senat angesichts dieser berlinweit niedrigsten Bestehensquote die Schulgründungen bzw. Gründungsversuche von Quinoa sowie der Bürger- werkstatt Wedding in neuem Licht und wird sie in Zu- kunft stärker unterstützen, insbesondere bei der Suche nach einem passenden Gebäude? Zu 2.: Die Schulgründungen bzw. Gründungsversuche von Quinoa und der Freien Bürgerschule Wedding wer- den angesichts der niedrigen Bestehensquote nicht „in einem neuen Licht“ gesehen. Sowohl die Freie Bürgerschule Wedding als auch die Schule Quinoa können sich als Schule in freier Trägerschaft gründen. Der Nachweis geeigneter Gebäude ist Aufgabe der Schulträger. 3. Wie beurteilt der Senat die Schulkonzepte der beiden Initiativen? Zu 3.: Die Beurteilung des Schulkonzeptes für die Schule Quinoa ist mit der Gründungsgenehmigung positiv erfolgt. Das bisher von der Bürgerplattform Wed- ding/Moabit vorgelegte Konzept für die Freie Bürger- schule Wedding befindet sich noch im Genehmigungsver- fahren. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 557 2 4. Inwieweit unterscheiden sie sich von den anderen Oberschulen im (Alt-)Bezirk Mitte bzw. welche bereits existierenden öffentlichen Schulen haben explizit ähnli- che Ziele und Konzepte? 5. Lassen sich überhaupt signifikante Unterschiede zwischen einzelnen Oberschulen und ihren Konzepten nachweisen? Zu 4. und 5.: Die Rahmenbedingungen sind in der Schule Quinoa durch die aktuell geringe Anzahl von Schülerinnen und Schülern wesentlich günstiger. Zurzeit gibt es an der Schule Quinoa eine Klasse in Klassenstufe 7, angestrebt wird die Zweizügigkeit. Darüber hinaus kann die Schule Drittmittel zum Auf- und Ausbau von Betreuungs- und Förderungsangeboten für Schülerinnen und Schüler einwerben. Das Konzept der Bürgerschule beinhaltet einen we- sentlich höheren Personalschlüssel als der einer ver- gleichbaren staatlichen Integrierten Sekundarschule (ISS). Darüber hinaus sind die Schulkonzepte der Schule Quinoa und der Bürgerschule nicht signifikant abweichend von den Konzepten der ISS in Mitte. 6. Welche Faktoren wirken nach Kenntnis des Senats stärkend auf Schulen in Brennpunktgebieten? Zu 6.: Zur Stärkung von Schulen in schwieriger Lage wurde von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft das „Bonusprogramm“ initiiert. Ziel dieses Programms ist der Abbau von Bildungsbenachteiligung. Das Erreichen von Schulabschlüssen durch zusätzliche Förderung ist ausgewiesenes Programmziel. Die Maß- nahmen reichen von der Fortbildung der Lehrkräfte und zusätzlichen lernunterstützenden Angeboten wie Lerncoa- ches, über sozialpädagogische Stützungsangebote bis hin zu verstärkter Elternarbeit. Schwerpunkte der Schulen bei der Umsetzung des Programms sind:  Schulsozialarbeit,  Lernumfeldgestaltung,  Gestaltung von Trainingsräumen für Konfliktbearbeitung ,  Zusätzliche musische und kulturelle Angebote, in Verbindung mit Sprachbildung,  Lerncoaches und Lerntherapeuten,  Fachkräfte für Coaching und Schulentwicklung. 7. Wie erklärt sich der Senat die klar überproportionale Verschlechterung der Bestehensquoten in Neukölln von 69% auf 57%? Inwiefern begibt sich auch für diesen Bezirk der Senat gemeinsam mit bezirklichen Vertrete- rInnen auf die Suche nach Ursachen und Verbesserungs- möglichkeiten? Zu 7.: Es können keine pauschalen Schlussfolgerun- gen gezogen werden. Die regionale Schulaufsicht wird gemeinsam mit den Schulen ihrer Region einzelfallbezo- gen die Daten analysieren. Im Bezirk Neukölln sind bisher folgende Maßnahmen zur Unterstützung der Schulen bezüglich der Verbesse- rung der Bestehensquoten eingeleitet:  Im September 2014 startete in der regionalen Fortbildung das Projekt „Mathematik in Neukölln“ mit folgender Zielstellung: a. Weiterentwicklung des Mathematikunterrichts von der Schulanfangsphase (Saph) bis zur 10. Klasse, b. Sicherung von mathematischen Basiskompetenzen von der SaPh bis zum Schulabschluss, c. Kooperation am Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I, d. Verbesserung der Ergebnisse in zentralen Vergleichsarbeiten und Abschlussprüfungen. Das Projekt greift bereits erprobte Programme (SINUS-Grundschule, SINUS-Transfer, MatheEx- perten, Mathe in Mitte) auf und entwickelt diese im Hinblick auf Wirksamkeit und Nachhaltigkeit weiter. Jede beteiligte Schule arbeitet dabei in ei- nem Netzwerk mit jeweils drei weiteren Schulen (Grund- und Sekundarschulen sowie Gymnasien) zusammen.  Zwei Gymnasien erprobten erfolgreich die Einrichtung von Workshops für alle neu angemeldeten Schülerinnen und Schüler im Zeitraum zwischen Ostern und den Sommerferien, um sie auf den Ma- thematikunterricht im folgenden Schuljahr an den neuen Schulen vorzubereiten. Die regionale Schul- aufsicht prüft, ob und in welchem Umfang dieses Modell auf andere Schulen übertragen werden kann.  Der permanente Anstieg der Zahl von Schülerinnen und Schülern mit erheblichem Sprachförder- bedarf erfordert eine Überarbeitung der Sprachför- derkonzepte der Schulen und einen zielgerichtete- ren Einsatz. 8. Lassen sich die Leistungsunterschiede zwischen den Bezirken (allein bzw. gleichermaßen) mit den Fakto- ren lmb und ndH erklären? Zu 8.: Diese Frage ließe sich allenfalls durch weitere ausführliche empirische Untersuchungen beantworten. Die Erhebung zusätzlicher Daten zu weiteren möglichen Einflussfaktoren wäre erforderlich. Die vorliegenden Daten lassen keine Rückschlüsse darauf zu, wenn auch empirisch unbestritten ist, dass die beiden Faktoren einen deutlichen Zusammenhang auf Leistungsergebnisse aus- weisen. 9. Was hält der Senat für ursächlich dafür, dass die Bestehensquoten von Jugendlichen mit nichtdeutscher Herkunftssprache deutlich niedriger sind als diejenigen deutscher Herkunftssprache? Inwiefern korrespondiert der Faktor ndH mit dem Faktor lmb? Und wie erklärt sich der Senat den starken Abfall der Bestehensquoten von ndH- Jugendlichen/speziell von Jugendlichen mit türkischer Herkunftssprache an den Gemeinschaftsschulen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 557 3 Zu 9.: Defizite in der deutschen Sprache erschweren grundsätzlich den Zugang zu allen schriftlich gestellten Aufgaben. Die Frage, ob das Merkmal „nichtdeutsche Herkunftssprache“ mit dem Merkmal „lernmittelbefreit“ korrespondiert, ließe sich nur durch Zusatzauswertungen des Instituts für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg e. V. (ISQ) beantworten. Das ISQ hat in früheren Darlegungen zu den beiden Sozialindikatoren festgestellt, dass beide Merkmale zusammen einen stärke- ren Zusammenhang mit Leistungsergebnissen aufweisen als jedes für sich. Die Beschränkung auf ein Merkmal allein, verringert die Korrelation zur Leistung deutlich. Die Ergebnisse von Schülerinnen und Schülern nichtdeut- scher Herkunftssprache an den Gemeinschaftsschulen müssen auf Schulebene – in Zusammenarbeit mit der regionalen Schulaufsicht – ausgewertet werden. Eine pauschale Antwort ist nicht zielführend, vielmehr müssen die jeweiligen Bedingungen vor Ort, die sehr unterschied- lich sind, analysiert werden. Berlin, den 24. September 2014 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Okt. 2014)