Drucksache 17 / 14 571 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Silke Gebel (GRÜNE) vom 17. September 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. September 2014) und Antwort Ökologische Müllgebühren (III): Wie werden die BerlinerInnen unterstützt mehr Bioab- fälle zu sammeln? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nur zum Teil in eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) Anstalt öffentlichen Rechts um eine Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Sie wurde bei der Beantwortung be- rücksichtigt. Frage 1: Wie viele Berlinerinnen und Berliner nutzen bereits heute die Biotonne? Wie viele Tonnen Bioabfall werden so gesammelt? Antwort zu 1: Die Biotonne wird bereits seit vielen Jahren in Berlin flächendeckend angeboten. Rund 80 % der Berlinerinnen und Berliner sind derzeit an die Bioton- ne angeschlossen. Nicht angeschlossen sind im Wesentli- chen Haushalte in den gartenreichen Siedlungsgebieten, die verstärkt auf eine Eigenkompostierung von Bioabfäl- len setzen. Im Jahr 2014 werden voraussichtlich rund 66.000 Mg Bioabfall über die Biotonnen gesammelt wer- den. Zusätzlich sammeln die BSR pro Jahr noch rund 60.000 - 70.000 Mg an Grünabfällen (Laubsäcke, Loses Laub - ohne Straßenlaub, Weihnachtsbäume). Frage 2: Bis wann sollen alle Berlinerinnen und Berli- ner eine Biotonne haben? Antwort zu 2: Nach § 11 des Kreislaufwirtschaftsge- setzes (KrWG) sind spätestens ab 2015 die bei Haushal- tungen anfallenden Bioabfälle flächendeckend in allen Gebietsstrukturen getrennt zu sammeln. Vor diesem Hin- tergrund sind zeitnah die entsprechenden Maßnahmen zu veranlassen. Frage 3: Mit wie viel Tonnen zusätzlichem Bioabfall rechnet der Senat nach Einführung der ab dem 01.01.2015 gesetzlich vorgeschriebenen flächendeckenden Biotonne? Antwort zu 3: Seit 2008 sind die gesammelten Bioab- fallmengen von rund 52.000 Mg auf in 2014 erwartete rd. 66.000 Mg angestiegen. In den nächsten Jahren (mit wit- terungsbedingten Schwankungen) werden kontinuierlich weiter wachsende Mengen der Bioabfallsammlung erwar- tet. Nach dem vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlos- senen Abfallwirtschaftskonzept 2011 soll durch eine flächendeckende Einführung der Biotonne in allen Sied- lungsgebietsstrukturen eine Steigerung der erfassten Bio- abfallmengen um zusätzlich rund 100.000 Mg/a bis 2015 erfolgen. Frage 4: Wann will der Senat die Sammlung von Bio- abfall auf 100.000 Tonnen pro Jahr erhöhen, wie es im Jahr 2011 beschlossenen Abfallwirtschaftskonzept vorge- sehen ist? Antwort zu 4: Siehe Antwort zu Frage 3. Frage 4 a: Welche Maßnahmen ergreift der Senat ge- meinsam mit der BSR dazu? Antwort zu 4a: Neben der flächendeckenden Bioab- fallsammlung auch in gartenreichen Gebieten kommt ebenso der Wohnungswirtschaft und dem in Berlin weit verbreiteten Abfallmanagement in Großwohnanlagen eine entscheidende Bedeutung für die Steigerung der Bioab- fallmengen zu. Nur mit Unterstützung aller dieser Betei- ligten kann in diesen Wohnsituationen eine signifikante Steigerung der gesammelten Bioabfallmengen gelingen. Frage 4 b: Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Akzeptanz der Bioabfalltonne zu erhöhen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 571 2 Antwort zu 4b: Die BSR haben bereits in der Vergan- genheit eine Vielzahl von Maßnahmen für eine hohe Akzeptanz der Biotonnen vorgenommen. Neben dem attraktiven Entleerungstarif, der aktuell 50 – 70 % unter dem Tarif der grauen Hausmülltonne liegt (und der nur rund 1/3 der realen Kosten der Bioabfallentsorgung ab- deckt), bieten die BSR ein umfassendes Kommunikati- ons- und Informationspaket für alle Berlinerinnen und Berliner sowie konkrete Angebote zur Erleichterung der Bioabfallsammlung im Haushalt wie z.B. einen optimier- ten Vorsortierbehälter inkl. entsprechender biologisch abbaubarer Tüten an. Darüber hinaus testen die BSR verschiedene Möglich- keiten, um die Akzeptanz weiter zu erhöhen. Dazu gehö- ren Behälter in einer ansprechenderen Farbe, sowie Be- hälter mit Tritt und andere Maßnahmen. Nach Vorliegen der Ergebnisse in 2015 wird in Abhängigkeit des Erfolgs und der zu erwartenden Kosten entschieden, welche An- gebote in das Regelangebot der BSR übernommen wer- den können. Weiterhin wird mit Einführung der ab 2015 geltenden neuen Gebührenstruktur der BSR u. a. der Tarif für die Biotonne um nochmal rund 20 % gesenkt, was den Anreiz zur Nutzung weiter erhöht. Frage 4c: Gibt es eine häufigere Abholung in den Sommermonaten der Bioabfalltonne? Wenn ja, mit wel- chem Erfolg? Wenn nein, warum nicht? Antwort zu 4c: Ca. 60 % der Biotonnen in Berlin wer- den im 14-täglichen Rhythmus (überwiegend in Außen- bezirken) und 40 % im wöchentlichen Rhythmus (über- wiegend im Innenstadtbereich) entleert. Eine häufigere Abholung der Biotonnen im Sommer erfolgt nicht, da dadurch Ineffizienzen in der Logistik der Bioabfallsamm- lung entstehen würden, die sowohl ökonomisch als auch ökologisch von Nachteil wären. Frage 4d: Wurde die bisherige Öffentlichkeitsarbeit bezüglich der Bioabfalltonne evaluiert? Wenn ja, welche Erkenntnisse wurden gewonnen? Wenn nein, wieso nicht? Antwort zu 4d: Die BSR evaluieren regelmäßig ihre Maßnahmen zur Öffentlichkeitsarbeit in der Reinigung und in der Abfallwirtschaft. Dabei werden u. a. durch repräsentative Meinungsumfragen Einstellung und Ak- zeptanz der Berliner zu den für die BSR relevanten The- men Stadtsauberkeit und Abfalltrennung erfragt. Die letzten Ergebnisse aus November 2013 zeigen dabei eine positive Entwicklung und mittlerweile hohe Akzeptanz der Getrenntsammlung inklusive Bioabfall in Berlin. Die steigenden Mengen der getrennt gesammelten Bioabfall- mengen bestätigen diesen Trend. Frage 5: Wie sollen die zusätzlich anfallenden Tonnen Bioabfall verwertet werden? Frage 5a: Was geschieht aktuell mit dem separat ge- sammelten Bioabfall, der über die 60.000 t Kapazität der Biogasanlage in Ruhleben hinaus geht? Antwort zu 5 und 5a: Die BSR verfolgen grundsätz- lich das Ziel, alle Abfallmengen aus der Biotonne in ei- nem kombinierten Verfahren aus energetischer und stoff- licher Verwertung durch Vergärung und Verwendung der Gärreste als Kompost hochwertig zu verwerten. Für den Bau und wirtschaftlich vertretbaren Betrieb einer zweiten Vergärungsanlage sind Mehrmengen gegenüber dem Status Quo von ca. 40.000 Mg erforderlich. Solange die- ses Ziel nicht erreicht ist, werden die Mehrmengen in Kompostanlagen im Land Brandenburg stofflich verwer- tet und zu Kompost verarbeitet. Frage 5b: Werden bei der Behandlung der gesammel- ten Bioabfälle, die nicht in der Biogasanlage verwertet werden, alle gesetzlichen Vorgaben und Verwaltungsvor- schriften insbesondere die Verwaltungsvorschrift zur TA Luft eingehalten? Antwort zu 5b: Die Kompostanlagen in Brandenburg sind abfallrechtlich genehmigt und unterliegen der be- hördlichen Überwachung der zuständigen Behörden im Land Brandenburg. Frage 5c: Wie viele klimaschädliche Emissionen wer- den durch diese Behandlung frei gesetzt? Antwort zu 5c: Nach den Ergebnissen der Berliner Stoffstrom-, Klimagas- und Umweltbilanz 2010 / 2012 ist die Behandlung von Bioabfall in brandenburgischen Kompostierungsanlagen hinsichtlich der Klimagasbelas- tungen durch den Kompostierungsprozesses (u.a. Freiset- zung von schädlichen Klimagasen) gegenüber den Kli- magasentlastungen durch den erzeugten Kompost nahezu neutral. Frage 5d: Welche Verwertung der Bioabfälle hält der Senat für erstrebenswert? Antwort zu 5d: Im Sinne des Berliner Abfallwirt- schaftskonzeptes sind die anfallenden biogenen Abfälle hochwertig zu verwerten. Beispielsweise wird durch die Vergärung von Bioabfällen in einer emissionsoptimierten Vergärungsanlage grundsätzlich eine derartige ökologi- sche Verwertung erzielt. Frage 5e: Welche Planungen gibt es eine andere Ver- wertung der zusätzlich anfallenden Bioabfälle umzuset- zen? Antwort zu 5e: Derzeit keine. Frage 6: Wie viel Kilo Abfall fallen im Schnitt pro Berliner an, der eigentlich in die Biotonne gehört? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 571 3 Antwort zu 6: Hierzu liegen keine aktuellen Erkennt- nisse vor. Aktuell wird im Auftrag der BSR eine Untersu- chung der Zusammensetzung des Hausmülls in der grauen Tonne durchgeführt. Die Ergebnisse dazu werden Anfang 2015 vorliegen. Frage 6a: Was geschieht mit den Bioabfällen in Ber- lin, die in der Restmülltonne landen? Antwort zu 6a: Die biogenen Abfälle in der grauen Hausmülltonne werden im Wesentlichen in den Restab- fallbehandlungsanlagen der BSR (Müllheizkraftwerk [MHKW] Ruhleben, MPS 1 -Anlagen) klimaschonend energetisch verwertet. Frage 6b: Wie viele Haushalte könnten zu einer klei- neren Restmülltonne wechseln, wenn sie die bisher in der Restmülltonne enthaltenen Abfälle über eine Biotonne entsorgen würden? Antwort zu 6b: Die überwiegende Zahl der Berline- rinnen und Berliner wohnt in Mehrfamilienhäusern oder Großwohnanlagen. Dort findet sich das größte Potenzial zur Aufstellung der Biotonne im Austausch zu kleineren grauen Hausmülltonnen. Frage 6c: Wie hoch wäre in diesem Fall die Gebüh- renentlastung pro Haushalt und insgesamt? Antwort zu 6c: Der Tarif der Biotonne liegt aktuell um rd. 50 – 70 % unter dem Tarif einer vergleichbaren Hausmülltonne. Die erzielbaren Einsparungen hängen von der individuellen Situation vor Ort ab und können nicht pauschal angegeben werden. Insgesamt werden die Ge- samtkosten der BSR in der Abfallwirtschaft durch eine gesteigerte Bioabfallsammlung nicht entlastet, da die spezifischen Kosten der Bioabfallentsorgung nicht unter den spezifischen Kosten der Restabfallentsorgung liegen. Frage 7: Wann evaluiert der Senat die Klimagasemis- sionen der BSR-Biogasanlage? Antwort zu 7: Im Auftrag der BSR werden die Klima- gasemissionen der Vergärungsanlage seit Beginn des Jahres 2014 evaluiert. Die Evaluation wird bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Die Ergebnisse werden spätes- tens Anfang 2015 vorliegen. Frage 8: Welche Klima- und Umweltkriterien werden der Evaluation zugrunde gelegt? Antwort zu 8: Im Rahmen der Evaluation werden alle relevanten Parameter entlang der Wertschöpfungskette bis zur letztendlichen Verwendung der einzelnen Produkte (flüssige, feste Gärreste) untersucht. 1 Mechanisch-Physikalische-Stabilisierung Frage 9: Ab wann werden die bei der Biogasanlage anfallenden flüssigen Gärreste gasdicht gelagert, damit die entstehenden Klimagasemissionen die Klimabilanz der Biogasanlage nicht beeinträchtigen? Antwort zu 9: Bei Planung und Bau der Biogasanlage West haben die BSR alle wirtschaftlich vertretbaren THG 2 -Minderungsmaßnahmen nach dem neuesten Stand der Technik umgesetzt. Die überaus strengen Vorgaben der Genehmigungsbehörde für die Anlage gelten bundes- weit als ambitioniert und vorbildhaft. Auf dem Gelände der Biogasanlage West sind die Lagerbehälter für flüssige Gärreste gasdicht geschlossen und mit einer Gaspendellei- tung ausgestattet. Hier wird gewährleistet, dass die direkt nach der fest/flüssig Separierung noch im flüssigen Gär- rest enthaltenen mikroskopisch kleinen Gasbläschen ent- gasen können, gefasst werden und dem Gasspeicher zuge- führt werden. Dadurch wird der größte Teil der sowieso schon kleinen Restgas-Emissionen aus den flüssigen Gärresten erfasst. Der Transport der flüssigen Gärreste zu den beauftrag- ten landwirtschaftlichen Unternehmen und die dortige Lagerung erfolgt nicht gasdicht, aber mit einer Abde- ckung aus schwimmenden Kunststoffelementen (Hexaco- ver), um primär Gerüche zu minimieren. Auf eine gas- dichte Abdichtung der Lagerbehälter vor Ort wurde ver- zichtet, da das Restgaspotenzial in den flüssigen Gärres- ten so gering ist, dass ggf. entstehendes Biomethan nicht über eine Gasfackel abgeführt werden könnte. Hier würde Stützgas (Propan) benötigt, um eine Gasfackel betriebssi- cher betreiben zu können, was zusätzliche THG Emissio- nen produziert hätte. Zur Bewirtschaftung der Behälter und zur Homogenisierung des Materials vor Aufbringung hätte man die gasdichte Abdeckung zudem teilabnehmbar ausgestalten müssen. Die Lagerung der flüssigen Gärreste wird im Rahmen der Klimagasbilanz mitgemessen und fließt in die Bewertung mit ein. Berlin, den 02. Oktober 2014 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Okt. 2014) 2 Treibhausgas