Drucksache 17 / 14 573 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Andreas Baum (PIRATEN) vom 17. September 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. September 2014) und Antwort Was folgt aus dem Online-Dialog „Radfahren in Berlin“? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Erkenntnisse hat der Senat aus dem Ende 2013 durchgeführten Online-Dialog „Radfahren in Berlin: Abbiegen? Achtung! - Sicher über die Kreuzung“ gewonnen, um die Sicherheit von Radfahrer_innen zu verbessern? Frage 2: Welche Maßnahmen ergreifen Senat und Be- zirke, um die dort benannten Unfall- und Konfliktschwer- punkte zu entschärfen? Antwort zu 1 und 2: Die Ergebnisse stellen inhaltlich erstmals Informationen zur Verfügung, an welchen Stel- len sich Radfahrende persönlich gefährdet fühlen. Diese subjektive Einschätzung stellt eine Ergänzung zu objektiv verfügbaren Informationen dar (z.B. Unfallstatistik) und ermöglicht die Einbeziehung dieser Informationen in die Bewertung und Priorisierung im Rahmen der Radver- kehrsplanung. Die Vielzahl und der Umfang der Rückmeldungen er- fordern eine fundierte qualitative Inhaltsanalyse, welche noch nicht abgeschlossen ist. Erste Ergebnisse wurden im Mai 2014 veröffentlicht. Die Ergebnisse aus dem Online-Dialog werden - so- weit sie schon ausgewertet und für das jeweilige Vorha- ben relevant sind - bereits jetzt bei den Planungen und Entscheidungen der Senatsverwaltung für Stadtentwick- lung und Umwelt, der Verkehrslenkung Berlin (VLB), der Unfallkommission, der Polizei und der Bezirksämter berücksichtigt. Geprüft wird weiterhin zusätzlich, wo kleinere, schnelle und preiswerte Maßnahmen unabhängig von den laufenden Projekten umgesetzt werden können. Frage 3: Laut Verkehrsunfallstatistik 2013 liegt der Hermannplatz mit 20 Leicht- und vier Schwerverletzten an berlinweit vierter Stelle der Unfallschwerpunkte, und im „Online-Dialog“ zählt er zu den subjektiv verkehrsunsichersten Orten der Stadt. Wie beabsichtigt der Senat, die Verkehrssicherheit am Hermannplatz zu erhöhen? Frage 4: Welche Maßnahmen haben der Senat und die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln ergriffen bzw. werden sie ergreifen, um die Verkehrssicherheit insbesondere für Radfahrer_innen und Fußgänger_innen am Hermannplatz zu erhöhen? Frage 5: Wann ist mit Umsetzung dieser Maßnahmen zu rechnen? Antwort zu 3, 4 und 5: Das Bezirksamt Neukölln be- treibt bereits seit einigen Jahren längerfristige Planungen für den Umbau des Hermannplatzes, die auch von Seiten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, der VLB und der Unfallkommission begrüßt und begleitet werden. Der Zeitraum für die Umsetzung dieser Maß- nahme („Umbau des Hermannplatzes“) ist nicht bekannt. Vertiefende Informationen zum Sachstand seitens der Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln wurden angefragt, konnten jedoch nicht fristgerecht bereitgestellt werden. Da mit dem Beginn dieser Umbauarbeiten voraus- sichtlich kurzfristig nicht zu rechnen ist, ist an der Kreu- zung Hasenheide – Karl-Marx-Straße / Hermannplatz – Hermannstraße ein kleinerer Umbau geplant, um die Verkehrssicherheit zu verbessern. Dabei soll dort auch die Radwegebenutzungspflicht aufgehoben werden. Frage 6: Eine nicht vorhandene oder unzureichende Verkehrsführung, die Radfahrer_innen z.B. zum gefährli- chen Einfädeln in den fließenden Verkehr zwingt, zählt zu den im Online-Dialog am häufigsten genannten baulich bedingten Unfallursachen. Welche Maßnahmen hat der Senat ergriffen bzw. wird er ergreifen, um die Verkehrs- führung für Radfahrer_innen zu verbessern? Antwort zu 6: Der Online-Dialog „Radfahren in Berlin : Abbiegen? Achtung! - Sicher über die Kreuzung“ verfolgte das Ziel, „gefühlte“ Konfliktsituationen zu erfassen . Statistische Informationen zu objektiven Konflik- ten mit Radfahrenden in Form von Unfällen stellt die polizeiliche Unfallstatistik bereit, u.a. auch unter geson- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 573 2 derter Betrachtung der Beteiligung Radfahrender (vgl. Sonderuntersuchung "Radfahrerverkehrsunfälle" in Berlin 2013; Hrsg.: Der Polizeipräsident in Berlin). Um die über 5.000 Beiträge zielführend inhaltlich auswerten zu können, wurden strukturierende Kategorien entwickelt, unter anderem die Kategorie „Unzureichende /nicht vorhandene B. das Fehlen von Radwegen oder Radstreifen oder das gemäß subjektiver Einschätzung der Teilnehmenden „abrupte“ Ende entsprechender Infrastrukturen . Derzeit läuft die Detailanalyse der Rückmel- dungen der Teilnehmenden am Online-Dialog und der Abgleich entsprechend genannter Orte mit der polizeili- chen Unfallstatistik (Identifikation von Unfall- bzw. Kon- fliktschwerpunkten, die sowohl objektiv Unfallhäufungs- punkte sind als auch subjektiv so wahrgenommen wer- den). Diese Informationen werden insbesondere der Un- fallkommission für die weitere Bearbeitung zu Verfügung gestellt. Frage 7: Teilt der Senat die Auffassung von Hunder- ten am Online-Dialog beteiligten Bürger_innen, dass die Sicherheit der Radfahrer_innen auf den radverkehrsrei- chen, aber weder mit Radwegen noch mit Radfahrsteifen versehenen Hauptstraßen Sonnenallee, Oranienstraße (Abschnitt zwischen Moritzplatz und Skalitzer Straße), Kottbusser Damm oder Friedrichstraße durch Radfahr- streifen und Radwege erhöht werden könnte? Antwort zu 7: Grundsätzlich ja. Es ist jedoch immer eine Abwägung der vorhandenen Nutzungen und der Auswirkungen von Neuverteilungen der Verkehrsflächen zu treffen. Insofern muss auch hier der Einzelfall unter- sucht werden. Frage 8: Welche Maßnahmen hat der Senat ergriffen bzw. wird er ergreifen, um die Sicherheit der Radfah- rer_innen auf diesen Straßen zu erhöhen? Antwort zu 8: In der Berliner Innenstadt gibt es noch zahlreiche Hauptverkehrsstraßen ohne Radverkehrsanla- gen. Daher wurde im Rahmen der begrenzten Möglichkei- ten des Radverkehrsinfrastrukturprogramms zunächst der Schwerpunkt auf andere Straßenzüge gelegt, wo Verbes- serungen für den Radverkehr einfacher zu realisieren waren. Dennoch wurden in den genannten Straßen im Rahmen des Radverkehrsinfrastrukturprogramms bisher immerhin Schutzstreifen im Bereich des Oranienplatzes und auf der Kottbusser Brücke markiert. Auch am Mo- ritzplatz gibt es Radverkehrsanlagen, die im kommenden Jahr im Rahmen einer Maßnahme der Unfallkommission neu gestaltet und verbreitert werden sollen. In der Son- nenallee existieren zwischen Krebsgang und Ederstraße Radwege. Eine Voraussetzung für die Schaffung von weiteren Radverkehrsanlagen in den genannten Straßen wäre in den meisten Bereichen die Einschränkung des ruhenden Kfz-Verkehrs sowie allgemein die Freihaltung von vor- schriftswidrig haltenden und parkenden Kraftfahrzeugen. Die Zuständigkeit für die entsprechenden Maßnahmen bzw. die Prüfung einer Realisierbarkeit liegt bei den je- weiligen Bezirksämtern. Sobald von Bezirksseite konkre- te Ansätze für die Reduzierung und Regelung des ruhen- den Verkehrs in den entsprechenden Abschnitten darge- legt werden, wird der Senat unter Nutzung der dadurch verfügbar gemachten Flächen auch in diesen besonders stark frequentierten Straßen mit konkreten Planungen für die Schaffung von Radverkehrsanlagen beginnen. Frage 9: Wie bewertet der Senat die Tatsache, dass lo- kal benutzungspflichtige Radwege in Kreuzungsberei- chen, beispielsweise auf der Schönhauser Allee, zu den am häufigsten genannten Konfliktschwerpunkten für Abbiegeunfälle gehören? Frage 10: Wie beabsichtigt der Senat, diese für Rad- fahrer_innen objektiv und subjektiv bedrohlichen Unfall- schwerpunkte zu entschärfen? Antwort zu 9 und 10: Die Entscheidung über eine notwendige Radwegebenutzungspflicht wird immer auf der Grundlage einer Gefahrensituation getroffen. Dabei wird abgewogen, welche Gefahrenlage sich bei der Be- nutzung der Fahrbahn und des Radwegs ergibt. Konkret in der Schönhauser Allee wurden die Radwegebenut- zungspflichten beibehalten, wenn Radfahrende bei Benut- zung der Fahrbahn Gleise in ungünstigem Winkel kreuzen müssen, weil dann die Gefahr eines Sturzes mit gravie- renden Unfallfolgen hoch ist. Wo diese Gefahrenlage nicht vorliegt, wurde die Benutzungspflicht aufgehoben. Den Konflikten mit rechtabbiegendem Verkehr wird durch die Herstellung möglichst guter Sichtbeziehungen Rechnung getragen. Wo möglich, wird eine Radverkehrsführung auf der Fahrbahn bevorzugt. Frage 11: Welche Maßnahmen hat der Senat in Zu- sammenarbeit mit den Bezirken ergriffen bzw. wird er ergreifen, um das laut Online-Dialog vielfach missachtete Vorrecht von Radfahrer_innen in Fahrradstraßen durch- zusetzen? (Häufig genannt wurden die Beispiele Linienst- raße im Bezirk Mitte, die Alberichstraße in Marzahn- Hellersdorf und die Prinzregentenstraße in Charlotten- burg-Wilmersdorf.)? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 573 3 Antwort zu 11: Nach den Vorgaben der Straßenver- kehrsordnung (StVO) sind von den am Verkehr Teilneh- menden bestimmte Verhaltensregeln zu beachten. In den Fahrradstraßen Berlins ist der Anliegerverkehr durch Zusatzzeichen erlaubt. Für den Fahrverkehr gilt dabei eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Der Radverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Wenn nötig, muss der Kraftfahrzeugverkehr die Geschwindigkeit wei- ter verringern. Das Nebeneinanderfahren mit Fahrrädern ist erlaubt. Im Übrigen gelten die Vorschriften über die Fahrbahnbenutzung und über die Vorfahrt. Für die Einhaltung dieser Verhaltensregeln sowohl durch Radfahrende als auch den Kraftfahrzeugverkehr bzw. deren Durchsetzung durch eine ausreichende Über- wachung des Verkehrs liegt die Zuständigkeit bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Um- welt greift das Thema auch kommunikativ im Rahmen der Kampagne „Berlin nimmt Rücksicht“ auf, um auch auf dieser Ebene proaktiv für die Belange der Radfahrenden einzutreten. Berlin, den 06. Oktober 2014 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Okt. 2014)