Drucksache 17 / 14 596 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Oliver Höfinghoff und Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 11. September 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. September 2014) und Antwort Strafbare Inhalte in sozialen Netzwerken – ist die Polizei hilflos? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Vorbemerkung: Facebook hat für die Meldung von strafbaren Inhalten durch Behörden eine spezielle Einga- bemaske unter facebook.com/records zur Verfügung gestellt. Die Richtlinien zur Nutzung dieser Eingabemas- ke und zur Kooperation mit Strafverfolgungsbehörden finden sich unter https://www.facebook.com/safety/groups/law/guidelines/. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Ist der Berliner Polizei dieses standardisierte Vor- gehen zur Meldung von strafbaren Inhalten in dem sozia- len Netzwerk "Facebook" bekannt? a) Wenn ja, wie viele Meldungen wurden in den ver- gangenen Jahren an Facebook durch die Berliner Polizei gesendet, aus welchen Gründen und wie wurde der Mel- dungszweck umgesetzt? (Bitte nach Fallgruppen und erfolgten Maßnahmen durch Facebook aufschlüsseln.) b) Wenn nein, ist die Einführung der Nutzung des von Facebook standardisierten Vorgehens für die polizeiliche Arbeit geplant? Zu 1. a, b): Die Verfahrensweise ist der Polizei Berlin bekannt und wird seit Mitte 2011 genutzt. Im internen Computernetzwerk (Intrapol) der Polizei Berlin ist der Link zur Facebook-Meldung hinterlegt. Eine Statistik über die Anzahl oder die genauen Grün- de der Meldungen wird nicht geführt. Im Falle strafbarer Inhalte wird die Meldung durch die zuständige Ermitt- lungsdienststelle bearbeitet. Die Informationen zu Anfragen von Strafverfolgungs- behörden werden durch die amerikanischen Diensteanbie- ter im halbjährlichen Turnus auf ihren Webseiten veröf- fentlicht, hier für Facebook: https://govtrequests.facebook.com/about/ Anzumerken ist, dass diese Ersuchen keine „Meldungen “ im Sinne der Anfrage darstellen. Sie dienten der Ermittlung von Nutzerdaten Tatverdächtiger im Zusam- menhang mit Strafverfahren. Eine statistische Erhebung erfolgt hierzu nicht. 2. Gibt es bei der Berliner Polizei speziell ausgebil- dete Beamt*innen für ermittlungsbezogene Kommunika- tion mit den Anbieter*innen sozialer Netzwerke? Zu 2.: Im Rahmen der Fortbildung wird ein viertägi- ger Kurs „Ausgewählte technische Aspekte zu Ermittlungen im Internet“ angeboten, der sich an Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter wendet, die im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung Vorgänge mit Internetbezug bearbeiten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der computerba- sierten Ermittlungsunterstützung der örtlichen Polizeidi- rektionen werden ebenfalls besonders beschult und stehen für eine qualifizierte Ermittlungsunterstützung und Be- weissicherung beratend zur Verfügung. a) Wenn ja, wie viele Beamt*innen gibt es und in welchen Abteilungen werden sie eingesetzt? Zu 2 a.: In den örtlichen Polizeidirektionen werden im Rahmen der computerbasierten Ermittlungsunterstützung insgesamt 18 Dienstkräfte verwendet. Darüber hinaus wurde eine Zentralstelle Internet beim Landeskriminalamt Berlin (LKA) eingerichtet, die seit 2011 behördenweit für alle Dienststellen der Polizei Ber- lin computerbasierte Einsatz- und Ermittlungsunterstüt- zung im Bereich der Sicherung von Verkehrsdaten und Telekommunikationsinhalten auf der Grundlage von rich- terlichen Beschlüssen leistet und darüber hinaus als zent- raler Ansprechpartner Beratung und Unterstützung anbie- tet. Bei der Zentralstelle Internet, LKA 722, im LKA Berlin werden 5 Dienstkräfte dienstlich verwendet. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 596 2 b) Wenn nein, welche allgemeinen Ausbildungsinhal- te decken, nach Ansicht des Senats, das Thema in der polizeilichen oder kriminalpolizeilichen Ausbildung ab? (Bitte die Ausbildungsmaterialien anhängen oder einen entsprechenden Literaturverweis zur Lehrliteratur ange- ben.) Zu 2 b.: Entfällt. 3. Gibt es behördeninterne Weisungen, Richtlinien, Anordnungen oder Veröffentlichungen in Fach- und Be- hördenpublikationen, die den Umgang mit sozialen Medi- en im Allgemeinen oder mit Facebook im Besonderen beschreiben oder regeln? (Bitte alle entsprechenden Do- kumente im Originalwortlaut beifügen.) Zu 3.: Durch die Projektgruppe Neue Medien der Po- lizei Berlin wurde für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbei- ter der Behörde das Merkblatt „Allgemeine Hinweise zum Umgang mit Sozialen Medien“ entwickelt, welches im Intranet veröffentlicht wurde und für alle Nutzerinnen und Nutzer einsehbar ist (aktueller Stand: März 2014). Eine Handlungsanleitung zu Ermittlungen im Internet befindet sich derzeit noch in der abschließenden Abstim- mung. Der Text der „Allgemeine Hinweise zum Umgang mit Sozialen Medien“ lautet: Liebe Kolleginnen und Kollegen, Soziale Medien gehören für viele von Ihnen längst zum privaten und zum Teil auch beruflichen Alltag. Doch welche Spielregeln gelten, wenn man sich als Behörden- mitarbeiterin oder -mitarbeiter im Social Web bewegt? Die nachstehenden Hinweise sollen helfen, bestehende Unsicher- oder Unklarheiten im Umgang mit Sozialen Medien, sowohl im dienstlichen als auch in Ihrem priva- ten Bereich zu beseitigen: Prinzipiell dürfen Sie soziale Medien privat nutzen, aber nicht an Ihrem MAP-PC oder anderen dienstlichen Geräten (z.B. Tablet-PC, Smartphones etc.). Schützen Sie Ihre Privatsphäre. Denken Sie immer daran: Alles, was Sie im Internet veröffentlichen, machen Sie einer breiten Masse zugänglich. Wie diese dann mit Ihren Angaben verfährt, entzieht sich Ihrer Kontrolle. Statements, die Sie aus einer spontanen Laune heraus oder im Affekt kundtun, lassen sich noch Jahre später im Netz auffinden – sogar dann, wenn Sie sie sofort nach dem Veröffentlichen wieder löschen! Bedenken Sie, dass das, was Sie im Netz tun, Aus- wirkungen auf Ihr reales Leben haben kann. Wägen Sie deshalb auch online die Chancen und Risiken Ihres Han- delns immer sorgfältig ab. Vergessen Sie nicht, dass Sie es auch online immer mit echten Menschen zu tun haben, die – wie Sie selbst auch – mit Respekt und Höflichkeit behandelt werden wollen. Natürlich steht auch Ihnen das Recht auf freie Mei- nungsäußerung zu. Möchten Sie privat in den Sozialen Medien jedoch über Ihre berufliche Tätigkeit oder über damit in Verbindung stehende Ereignisse sprechen, dür- fen Ihre Äußerungen nicht gegen die allgemeinen Pflich- ten - z.B. das Loyalitäts- und beamtenrechtliche Mäßi- gungsgebot, das Gebot zu achtungs- und vertrauensge- rechtem Verhalten gegenüber dem Dienstherrn und die parteipolitische Neutralität - verstoßen. Äußern Sie sich immer respektvoll und wertschätzend, denn Sie tragen maßgeblich zum Bild der Polizei Berlin in der Öffentlich- keit bei! Bitte kennzeichnen Sie private Äußerungen auch als solche, denn für die Polizei Berlin sprechen nur die von der Behördenleitung autorisierten Personen auf den offi- ziellen Kanälen. Seien Sie fair und verletzen Sie nie die Urheber- rechte anderer. Veröffentlichen Sie keine Fotos, Filme und andere Medien, die nicht von Ihnen selbst stammen oder deren Rechte Sie nicht besitzen. Dies gilt insbeson- dere auch für dienstliche Dokumente! Seien Sie sich der möglichen straf-, zivil- oder disziplinarrechtlichen Folgen bewusst. Bitte denken Sie daran, dass auch bei Veröffentli- chungen im Internet die beamtenrechtliche Verschwie- genheitspflicht gilt. Gehen Sie deshalb immer sorgsam mit polizeibezogenen Informationen um. Im Zweifelsfall verzichten Sie lieber. Zudem stehen Dienst- oder Ge- schäftsgeheimnisse ebenso wie Persönlichkeitsrechte unter besonderem gesetzlichem Schutz. Bei Fragen oder Hinweisen wenden Sie sich bitte an die Projektgruppe Neue Medien Tel. 4664 - 90 40 10 / - 90 40 11 Mail NeueMedien@polizei.berlin“. 4. Fanden durch Vertreter*innen der Berliner Sicher- heitsbehörden Gespräche mit deutschen oder internationa- len Vertretungen von sozialen Netzwerken statt? a) Wenn ja, wann, mit welchen Anbieter*innen und mit welchen Ergebnissen? (Bitte Protokolle der Gesprä- che oder Vermerke über ihre Ergebnisse im Originalwort- laut beifügen.) Zu 4. a) Auf Einladung von Facebook wurde am 09. November 2012 in Berlin ein Workshop mit Vertreterin- nen und Vertretern der Innenministerien der Länder und des Bundes sowie mehrerer Länderpolizeien – darunter auch ein Vertreter der Polizei Berlin -durchgeführt. Dort wurden Fragen bezüglich des Verhältnisses zwischen Facebook und Sicherheitsbehörden allgemein diskutiert, eine Protokollierung erfolgte nicht. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 596 3 Darüber hinaus wurde durch die Bund-Länder- Projektgruppe (BLPG) „Soziale Netzwerke“ des Unterausschusses Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämp- fung der Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder im Dezember 2012 ein Treffen mit Repräsentan- ten von Facebook Deutschland initiiert. An diesem Tref- fen nahmen neben der BLPG-Leitung (Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur Rheinland-Pfalz) die Vertreterinnen und Vertreter der Länder Niedersachsen und Berlin teil. Die Ergebnisse dieses Gesprächs wurden nicht protokolliert. Weiterhin wurde durch einen Mitarbeiter des Kurz- nachrichtendienstes „Twitter“ im Rahmen der Einrichtung des Twitter-Accounts der Polizei Berlin im März 2014 Kontakt zur Projektgruppe Neue Medien aufgenommen. Hierbei wurden Erreichbarkeiten für den Fall erforderli- cher persönlicher Kontaktaufnahmen ausgetauscht. b) Wenn nein, sind solche Gespräche geplant? Zu 4 b.: Entfällt. 5. Wurden gegenüber aus dem Umfeld der Berliner Extremen Rechten bekannte Facebook-Seiten ("Bürger- bewegung Hellersdorf" / "Bürgerinitiative Marzahn- Hellersdorf", "Freie Kameradschaften Berlin", "JN.Berlin", "Nein-zum-Heim"-Seiten, etc.) durch die Berliner Sicherheitsbehörden (insbes. Berliner Polizei und Berliner Verfassungsschutz (Abteilung II der Senatsver- waltung für Inneres und Sport)) Löschaufforderungen, ggf. nur zu einzelnen strafbaren Inhalten, an Facebook gestellt? a) Wenn ja, welchen Erfolg hatten diese Löschauf- forderungen? b) Wenn nein, warum nicht? Zu 5.a, b): Die so genannte Reportfunktion steht bei Facebook allen Nutzerinnen und Nutzern offen, um bei- spielsweise strafrechtlich relevante oder anderweitig an- stößige Inhalte zu melden. Die Historie der Seite „Nein zum Heim“ zeigt, dass hiervon Gebrauch gemacht wurde und wird. Die Polizei Berlin und der Berliner Verfas- sungsschutz stehen über derartige Inhalte in regelmäßi- gem Austausch und koordinieren ihr Vorgehen auch be- züglich der Frage der Benachrichtigung von betroffenen Portalen oder Netzwerken. Berlin, den 06. Oktober 2014 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Okt. 2014)