Drucksache 17 / 14 615 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher und Hakan Tas (LINKE) vom 25. September 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. September 2014) und Antwort Denkmalschutz in der Kleinhaussiedlung Am Steinberg in Reinickendorf zugunsten einer Luxusmodernisierung ausgehebelt? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche generellen Möglichkeiten bestehen für die Bewohner/innen betroffener Gebäude, um eine denkmalrechtliche Genehmigung anzufechten? Antwort zu 1: Es bestehen keine Möglichkeiten für die Bewohnerinnen und Bewohner (Mieterinnen und Mieter), die denkmalrechtliche Genehmigung anzufechten. Frage 2: Mit welcher konkreten Begründung lehnt die Obere Denkmalschutzbehörde bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt eine Überprüfung der für die Kleinhaussiedlung Am Steinberg von der Unteren Denkmalschutzbehörde des Bezirksamtes Reinickendorf erteilten denkmalrechtlichen Genehmigungen ab? Antwort zu 2: Die Oberste Denkmalschutzbehörde er- füllt ministerielle Aufgaben im Denkmal- und Welterbe- schutz. Im Prozess konkreter Genehmigungsverfahren denk- malintendierter Projekte ist sie nur im Rahmen eines Dissensfalles beteiligt oder als Geschäftsstelle des Lan- desdenkmalrates für den Fall einer Behandlung der Pro- jekte in diesem Gremium. Da beides nicht der Fall ist, war sie im vorliegenden Verfahren nicht eingebunden. Frage 3: Welche konkreten oder allgemeinen Richtli- nien existieren für die Behandlung von Bauanträgen im Denkmalbereich (Gesamtanlage) Kleinhaussiedlung Am Steinberg? Antwort zu 3: Grundlage für die Behandlung von Bauanträgen im Denkmalbereich ist das Denkmalschutz- gesetz Berlin, in dem auf die Einhaltung der denkmal- schutzrechtlichen Belange hingewiesen wird, insbesonde- re auf den Erhalt der Originalsubstanz unter Berücksichti- gung und Beachtung des Gesetzes zum Schutz von Denkmalen in Berlin. Eine weitere Grundlage über den Umgang von Bauanträgen im Denkmalbereich der Klein- haussiedlung „Am Steinberg“ bildet die Einvernehmensrichtlinie , nach der der Bezirk gemäß des Denkmal- schutzgesetzes Berlin (DschG Bln) ohne Beteiligung des Landesdenkmalamtes entscheiden kann. Frage 4: Warum wurde für die Kleinhaussiedlung Am Steinberg, die überbezirkliche Bedeutung hat, kein Ein- zelfall-Einvernehmen zwischen Landesdenkmalamt (LDA) und der Unteren Denkmalschutzbehörde herge- stellt? Antwort zu 4: Der Denkmalbereich „Kleinhaussiedlung Am Steinberg“ ist Teil einer unvollständig realisierten Gesamtplanung und ein frühes Beispiel einer Klein- haussiedlung einer Vorortgemeinde zur Linderung der großen Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg. Die Siedlung am Steinberg ist nur eine der zahlreichen, denkmalgeschützten Gartenstadtsiedlungen innerhalb Berlins. Bereits wenige Jahre nach dem Beginn der Ent- wicklung einer Gartenstadt an dieser Stelle wurden diese Pläne bereits in den 1920er Jahren im Keim erstickt. Statt dessen erfolgte die weitere städtebauliche Entwicklung zwischen der Gorkistraße und dem Nordgraben ab 1926 grundsätzlich mit drei- bis viergeschossiger Blockrandbe- bauung, die ebenfalls unter Denkmalschutz steht. Es kann sich daher bei der Siedlung am Steinberg keinesfalls um eine Siedlung von überbezirklicher Bedeutung handeln. Für die gesamte Siedlung wurde von der Unteren Denk- malschutzbehörde Reinickendorf von Berlin eine denk- malschutzrechtliche Genehmigung für die Sanierung eines Musterhauses „An der Heide 4“ vorbereitet und erteilt. Das Landesdenkmalamt (LDA) war im Zuge der Abstimmung über steuerlich absetzbare Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen an dem Verfahren beteiligt. Das denkmalfachliche Einvernehmen des Lan- desdenkamtes gilt als erteilt, wenn eine Stellungnahme – etwa aus Kapazitäts- und Zeitgründen – nicht fristgerecht innerhalb von vier Wochen eingeht, um Genehmigungs- verfahren im Interesse von Denkmaleigentümerinnen und Denkmaleigentümern zu beschleunigen und Rechtsicher- heit zu gewährleisten. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 615 2 Frage 5: Warum wurde kein Denkmalpflegeplan nach § 8 Abs. 3 Landesdenkmalgesetz angeordnet? Antwort zu 5: Die Siedlung wird maßgeblich durch die 36 Reihenhäuser bestimmt. Es gibt nur eine Eigentü- merin. Diese beantragte am Beispiel eines Musterhauses eine für die Zukunft tragfähige Reparatur, Sanierung und Umbau incl. Dach- und Außenwanddämmung der ur- sprünglich in Billigbauweise errichteten Häuser. Die denkmalrechtlichen Bescheide für das Musterhaus sollten dann entsprechend sukzessive bei den künftigen Baumaß- nahmen an den übrigen 35 Reihenhäusern angewandt werden. Insofern sah man bisher kein Erfordernis für die Erstellung eines Denkmalpflegeplans. Frage 6: Bei unterstelltem fiktiven Einvernehmen (oh- ne direkte Beteiligung des LDA): Welche Vorgaben musste die Untere Denkmalschutzbehörde des Bezirkes Reinickendorf bei der denkmalrechtlichen Abwägung und Genehmigung beachten? Liegen einzelfallübergreifende Rahmenvorgaben gem. §6 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. §5 Abs. 2 Nr. 13 DSchG Bln, Gutachten oder Denkmalpflegekon- zeptionen vor? Antwort zu 6: Grundlage über den Umgang der Sa- nierungsvorhaben in der Kleinhaussiedlung am Steinberg bildet die Einvernehmensrichtlinie, nach der der Bezirk gemäß DschG Bln entscheiden kann. Zusätzliche über- greifende Rahmenvorgaben, Gutachten, Denkmalpflege- konzeptionen liegen nicht vor und schienen auch nicht erforderlich. LDA war in der Planungsphase zudem durchgehend beteiligt, auch wenn das nicht erforderlich gewesen wäre. Aus organisatorischen Gründen wurden ausschließlich die Elemente des Bauvorhabens im Rahmen des pauschali- sierten Einvernehmens seitens der unteren Denkmal- schutzbehörde genehmigt, die ohne direkte Mitzeichnung des LDA von der Unteren Denkmalschutzbehörde (UD) entsprechend der Ausführungsvorschrift (AV) Einver- nehmen beschieden werden können. Frage 7: Selbst bei unterstelltem fiktiven Einverneh- men: Wie ist es möglich, dass selbst die unzureichenden Vorgaben für die Siedlung Am Steinberg massiv unterlau- fen werden, indem u.a. erhaltener originaler Stuck durch Styroporplatten ersetzt wird, Dächer übermäßig ausgebaut und Fenstereinschnitte drastisch verändert werden, so dass das äußere Erscheinungsbild wesentlich verändert wird? Antwort zu 7: Das DSchG Bln sowie die AV- Einvernehmen sind ausreichende Vorgaben, um die aktu- elle und zukünftige Sicherung der Siedlung als Denkmal- bereich zu gewährleisten. Diese ausreichenden Vorgaben sind zu keinem Zeit- punkt von der genehmigenden Unteren Denkmalschutzbehörde unterlaufen worden. Genehmigungen sind ggf. in der Abwägung mit anderen öffentlichen und privaten Beteiligten erteilt worden. Es ist eine 4 cm starke Außenwanddämmung genehmigt wor- den, was eine entsprechende bautechnische Veränderung des Gesimses implizierte, um Kältebrücken zu vermeiden. Aufgrund der geringen Außenwanddämmstärke konnten die originalen, aufgearbeiteten Kastendoppelfenster an ihrer ursprünglichen Position verbleiben und die Einfach- fenster wurden durch Doppelfalzisolierglasfenster mit gleichen Profilstärken im ursprünglichen Abstand zur Fassadenfront eingebaut. Alle drei Dachräume sind schon immer bewohnt gewesen. Es existiert kein zusätzlicher Dachausbau. Das Musterhaus entspricht weitgehend dem unveränderten Erscheinungsbild. Frage 8: Warum hat es seitens des Senates bzw. des LDA für die Kleinhaussiedlung Am Steinberg keine Emp- fehlung für eine Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB gegeben, wie sie bei vergleichbaren Objekten in anderen Bezirken üblich ist? Antwort zu 8: Es gibt keine Empfehlung für die Ver- abschiedung einer Erhaltungssatzung an den Bezirk, weil die in der Denkmalliste Berlin geführte Gesamtanlage Kleinhaussiedlung am Steinberg durch das DSchG Bln einen viel umfangreicheren Schutz bezüglich seiner Er- haltung genießt, als das durch einen Erhaltungsbereich gemäß §172 Baugesetzbuch (BauGB) sichergestellt wer- den könnte. Zweierlei Rechtsgrundlagen aus unterschied- lichen Rechtsbereichen für dieselbe inhaltliche Aufgabe der Bewahrung und Erhaltung des einen Schutzgutes führen zu Konflikten in der Anwendung und sind daher nicht sinnvoll anwendbar. Frage 9: In welcher Weise wird der Senat sich gegen- über dem Bezirk Reinickendorf dafür einsetzen, dass geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um einer weite- ren Zerstörung des Denkmals wirksam entgegenzutreten? Frage 10: Was gedenken die Denkmalschutzbehörden des Bezirkes und des Landes zu unternehmen, um die bisherige Verletzung denkmalrechtlicher Vorgaben zu ahnden und bereits verursachten Schaden zu beseitigen? Antwort zu 9. und 10: Durch die bezirklichen, denk- malrechtlichen Genehmigungen für die Reparatur- und Sanierungsmaßnahmen wird die Siedlung am Steinberg vor weiterem Verfall geschützt. Das Landesdenkmalamt hat ein starkes Interesse am Erhalt der denkmalgeschütz- ten Kleinhaussiedlung Am Steinberg. Deshalb werden die für Denkmalschutz zuständige Senatsverwaltung und das Landesdenkmalamt die Erarbeitung eines abgestimmten Rahmenkonzepts empfehlen, um insbesondere die Be- wahrung der straßenbildwirksamen Fassaden und Vor- gärten sowie den städtebaulichen Charakter einer stark durchgrünten Kleinhaussiedlung zu gewährleisten. Berlin, den 10. Oktober 2014 In Vertretung R. L ü s c h e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Okt. 2014)