Drucksache 17 / 14 632 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 26. September 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. September 2014) und Antwort Speicherung Personengebundener Hinweise (PHW) (II) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Aus welchen jeweiligen Gründen und seit wann vergibt die Polizei Berlin eigene personengebundene Hinweise (PHW), über die bundesweit einheitlich genutz- ten PHW hinaus? (Bitte eine detaillierte Einzelauflistung der Gründe für jeden einzelnen PHW.) Zu 1.: Eine Veröffentlichung der von der Polizei Ber- lin vergebenen Personengebundenen Hinweise (PHW) und der dazu jeweils bestimmten Voraussetzungen kann die Eigensicherung der eingesetzten Beamtinnen und Beamten beeinträchtigen und hierdurch zur Gefährdung von Gesundheit oder Leben von Menschen führen. Dar- über hinaus kann eine Veröffentlichung den Erfolg poli- zeilicher Maßnahmen beeinträchtigen und die Funktions- fähigkeit der Polizei gefährden. Aus diesen Gründen wurden Anträge zur Herausgabe bzw. Veröffentlichung gemäß § 11 Informationsfreiheitsgesetz (IFG) abgelehnt. Die Beantwortung der Frage käme einer Veröffentli- chung gleich. 2. Aus welchen Gründen vergibt die Polizei Berlin seit dem Jahr 2011 – wieder – den PHW „Freitodgefahr "? Zu 2.: Die Verwendung des PHW „Freitodgefahr“ war nie eingeschränkt. 3. Nach welchen Kriterien werden die PHW „BTMKonsum “, „BTM-Kontakt“, „Konsument harter Drogen“ jeweils vergeben, wodurch unterscheiden sich diese konk- ret und was ist der jeweilige Zweck für die Speicherung? Zu 3.: Siehe Antwort zur Frage 1. 4. Welche Laufzeiten aufgrund welcher Rechtsgrund- lage gelten jeweils für die PHW, die von der Polizei Ber- lin in POLIKS sowie in INPOL vergeben werden? (Bitte einzeln in einer Tabelle aufschlüsseln sowie die Rechts- grundlagen angeben.) Zu 4.: Die Rechtsgrundlage für die von der Berliner Polizei in das Polizeiliche Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung (POLIKS) und das bundesländerübergreifende Informationssystem der Poli- zei (INPOL) vergebenen PHW sind die §§ 42, 48 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) in Verbindung mit der Verordnung über die Prüfung bei der polizeilichen Datenspeicherung (Prüffristenverord- nung) sowie § 32 Abs. 3 Bundeskriminalamtsgesetz (BKAG). Die jeweiligen Laufzeiten ergeben sich aus den „Berliner Ergänzungen zum PHW-Leitfaden“, der aus den unter der Antwort zur Frage 1. genannten Gründen nicht veröffentlicht werden kann. 5. Nach bisheriger Argumentationslinie der Senats- verwaltung für Inneres und der Berliner Polizei werden PHW zur „Eigensicherung” von Polizeikräften vergeben: Inwiefern trägt die Vergabe der PHW „Rezeptfälscher", „Aufenthaltsverbot", „Auskunftssperre", „Stalking" etc. zur „Eigensicherung” von Polizeikräften bei? Zu 5.: Die Vergabe von PHW erfolgt vornehmlich aus Gründen der Eigensicherung, nicht ausschließlich. Zur Differenzierung des Anliegens der Eigensicherung und begründeter ermittlungstaktischer Hinweise prüft momen- tan eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eine entsprechende Trennung. 6. Zu wie vielen Personen in POLIKS hat die Polizei Berlin mehrere PHW gespeichert und was sind die gän- gigsten Kombinationen? (Bitte die zehn gängigsten Kom- binationen aufschlüsseln.) Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 632 2 Zu 6.: Mit Stand vom 02.10.2014 gibt es 70.069 Per- sonen mit mehreren PHW in POLIKS. Die häufigsten Kombinationen sind der nachfolgenden Tabelle zu ent- nehmen: BTM*-Konsument, BTM-Kontakt 2.222 BTM-Konsument, Konsument harter Drogen 1.467 Aufenthaltsverbot, BTM-Konsument 1.042 BTM-Konsument, Stalking/Nachstellung 845 BTM-Konsument, gewalttätig 516 gewalttätig, Straftäter linksmotiviert 358 bewaffnet, BTM-Konsument 357 BTM-Konsument, Sexualstraftäter 356 Achtung: Sondersachbearbeitung - Anruf bei zust. VB I Dienststelle** erforderlich, BTM- Konsument 285 Aufenthaltsverbot, BTM-Konsument, BTM-Kontakt 205 * Betäubungsmittel ** zuständige Inspektion I des Referates Verbrechensbekämpfung einer örtlichen Polizeidirektion 7. Wann und warum wurde der PHW „Rocker" eingeführt ? Zu 7.: Der PHW „Rocker“ wurde 2012 eingeführt. Im Phänomenbereich der Rockerkriminalität besteht eine besondere Gefährdung polizeilicher Einsatzkräfte. Die Einführung erfolgte auch vor dem Hintergrund der Rele- vanz der aus dem Rockermilieu heraus begangenen Straf- taten, die vielfach der Organisierten Kriminalität zuzu- rechnen sind. a) Gab es hierzu einen Beschluss des Arbeitskreises II der Innenministerkonferenz und wenn ja, wann? Zu 7. a: Ja, dieser wurde auf der 235. Sitzung des Ar- beitskreises II (AK II) am 17./18.10.2012 gefasst. b) Wann erfolgte die Anweisung an die Polizei Berlin durch die Senatsverwaltung für Inneres auf Spei- cherung des PHW „Rocker“? Zu 7. b: Die Polizei Berlin speichert den PHW „Rocker “, seit dieser unmittelbar im Anschluss an den Beschluss des AK II in den bundeseinheitlichen PHW- Leitfaden aufgenommen wurde. Einer Anweisung durch die Senatsverwaltung für Inneres und Sport bedurfte es hierzu nicht. 8. Nach welchen konkreten Kriterien wird der PHW "Rocker" vergeben? Zu 8.: Der PHW-Leitfaden ist gemäß § 3 Nr. 4 Ver- schlusssachenanweisung Bund (VSA Bund) als „Verschlusssache NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ eingestuft. Herausgeber ist das Bundeskriminalamt (BKA). Das BKA hat einer Herausgabe bzw. Veröffentli- chung nicht zugestimmt. Die Beantwortung der Frage zu konkreten Inhalten des Leitfadens käme einer Veröffentli- chung gleich, der der Herausgeber nicht zugestimmt hat. 9. Warum hat die Polizei trotz eines gegenteiligen Beschlusses des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 01.12.1988 (Drs. Nr. 10/2304 und 10/2688) weiterhin das Merkmal „ansteckende Krankheit“ in anderen Datenfeldern („Ermittlungsrelevante Hinweise") in ihrer Datenbank erfasst? Zu 9.: Es handelt sich um ausschließlich vorgangsin- terne Hinweise, die weder im POLIKS noch im INPOL veröffentlicht werden. Sie dienen ausschließlich der Kenntnis des jeweils berechtigten Vorgangssachbearbei- ters. a) Trifft es zu, dass eine Speicherung des Merkmals „ansteckende Krankheit“ auch ohne Vorliegen von schriftlichen Unterlagen (ärztliches Attest oder andere entsprechende ärztliche Unterlagen) nur aufgrund von mündlichen Aussagen möglich ist? Zu 9. a: Ja, soweit diese Angabe von der betroffenen Person selbst gemacht wird. 10. Ist es zutreffend, dass aufgrund der großen Anzahl von neu angelegten POLIKS-Vorgängen die Fachaufsicht nicht über die zeitlichen und personellen Ressourcen verfügt, alle angelegten POLIKS-Vorgänge (auf ihre Datenqualität, die Rechtmäßigkeit der Speicherung sowie datenschutzrechtlich) zu überprüfen? 11. Wie hoch ist der Anteil an allen POLIKS- Vorgängen, der noch durch die Fachaufsicht überprüft wird? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 632 3 Zu 10. und zu 11.: Es sind grundsätzlich alle Vorgän- ge in POLIKS durch die Fachaufsicht bei der Polizei Berlin zu prüfen, bevor sie an eine andere Dienststelle übergeben oder abgeschlossen werden. Für die Fachauf- sicht sind im POLIKS differenzierte, auf Sachbearbeite- rinnen bzw. Sachbearbeiter und Delikte bezogene Einstel- lungen möglich. Insofern ließe sich die Frage nur im Rahmen einer aufwändigen Detailprüfung zur Zweckmä- ßigkeit aller Einzeleinstellungen beantworten. 12. Kann der Senat mit Sicherheit davon ausgehen, dass unter der Voraussetzung, dass nicht alle neu angeleg- ten POLIKS-Vorgänge durch die Fachaufsicht vollum- fänglich überprüft werden, alle PHW auch im Einklang mit der derzeit existierenden Rechtsgrundlage und den Bestimmungen des Datenschutzes durch die Polizei Ber- lin vergeben werden? Zu 12.: Siehe Antwort zu Frage 10. und zu Frage 11. 13. Muss die Senatsverwaltung für Inneres und Sport zustimmen, wenn die Polizei Berlin neue, berlinspezifi- sche PHW einführen möchte? Zu 13.: Ja. Berlin, den 10. Oktober 2014 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Okt. 2014)