Drucksache 17 / 14 661 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Heiko Thomas (GRÜNE) vom 30. September 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Oktober 2014) und Antwort Berlins Engagement gegen die Verbreitung von Tuberkulose Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie hat sich die Anzahl der Neuerkrankungen an Tuberkulose in Berlin in den letzten zehn Jahren entwi- ckelt und worauf führt der Senat diese Entwicklung zu- rück? Zu 1.: Meldejahr Anzahl 2005 320 2006 320 2007 269 2008 278 2009 266 2010 290 2011 321 2012 319 2013 346 2014* 272 * Stand: 07.10.2014 Zwischen den Jahren 2001 (423 Fälle) und 2009 (266 Fälle) nahmen die Tuberkulosefälle in Berlin ab. Seitdem zeigte sich ein Anstieg bis auf 346 übermittelte Tuber- kulosefälle für das Jahr 2013. Bis zum 07.10.2014 wurden insgesamt 272 neue Tuberkulosefälle gemeldet, was in etwa dem Vorjahresniveau entspricht. Der Anteil der im Ausland geborenen Patienten nahm weiter zu. Er lag 2013 bei 66 % und liegt für 2014 bisher bei 62 %. 2. Nach § 36 Abs. 4 Infektionsschutzgesetz haben Personen vor oder unverzüglich nach Aufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge, Asylbewerber mittels einer aktuellen Röntgenaufnahme der Lunge nach- zuweisen, dass keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer ansteckenden Lungentuberkulose vorliegen. Wie wird gewährleistet, dass die hierfür notwendigen Rönt- genuntersuchungen unmittelbar durchgeführt werden? Zu 2.: Es sind für Asylbewerberinnen und Asylbewer- ber zwei komplette Sprechtage reserviert. An diesen Ta- gen werden zwischen 80 und 100 Röntgenuntersuchungen durchgeführt und zusätzlich zwischen 20-40 Kinder kli- nisch untersucht. Bei Bedarf werden Sondertermine ange- boten. Das Tuberkulosezentrum steht im engen Kontakt mit den Wohnheimen. Auf Anfrage werden Schulungstermine für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeboten (In- fektionsschutz / Symptome der Tuberkulose). Bei klini- schen Auffälligkeiten ist eine sofortige Untersuchung im Tuberkulosezentrum möglich. Die nach § 36 Infektions- schutzgesetz (IfSG) vorgeschriebene Unverzüglichkeit der Untersuchung kann allerdings bei dem starken Zu- strom an Flüchtlingen derzeit nur eingeschränkt gewähr- leistet werden. 3. In letzter Zeit wurde bekannt, dass auch bei Verteilentscheidungen in ein anderes Bundesland die Fahrten zum Verteilort häufig erst später erfolgen. Erfolgt bei vorübergehender Aufnahme in eine Gemeinschaftsunter- kunft ebenfalls eine Röntgenuntersuchung? Wenn ja, in welchem Zeitraum und wenn nein, mit welcher Begrün- dung nicht? Zu 3.: Die Untersuchung wird unabhängig vom Ver- teilerschlüssel im Rahmen der aktuellen Wartezeit durch- geführt. 4. Wie lang betragen a) die durchschnittliche und b) die aktuelle Wartezeit bis zur Röntgenuntersuchung im Zentrum für tuberkulosekranke und -gefährdete Men- schen? 5. Leistet allein das Zentrum für tuberkulosekranke und -gefährdete Menschen die Röntgenuntersuchungen? Ist die Personal- und Sachausstattung adäquat, wenn nein, was tut der Senat zur Verbesserung der Ist-Situation? Wird zur Durchführung der Röntgenuntersuchungen mit anderen Einrichtungen/Dienstleistern kooperiert? Wenn Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 661 2 ja, mit welchen? Wie und zu welchen Kostensätzen er- folgt eine Abrechnung? Wie lang betragen hier die durch- schnittliche und die aktuelle Wartezeit bis zu einem Rönt- gentermin? Zu 4. und 5.: Die durchschnittliche Wartezeit betrug im Jahr 2014 sechs bis acht Wochen, aktuell werden Ter- mine für Januar 2015 vergeben. Das Tuberkulosezentrum leistet als einzige Institution in Berlin die Röntgenuntersuchungen zur Heimaufnah- me. Seit 2009 besteht mit dem Vivantes Netzwerk für Ge- sundheit und dem Land Berlin, vertreten durch das Be- zirksamt Lichtenberg, Amt für Gesundheit und Verbrau- cherschutz, ein Kooperationsvertrag. 6. Bewertet der Senat die aktuelle Situation im Hinblick auf den Infektionsschutz für MitarbeiterInnen (Stichwort: Arbeitsschutz- und Arbeitssicherheit), Be- wohnerInnen von Gemeinschaftsunterkünften sowie für die Allgemeinbevölkerung als ausreichend und wie be- gründet er diese Bewertung? Zu 6.: Für den Arbeitsschutz ist die jeweilige Arbeit- geberin oder der jeweilige Arbeitgeber zuständig. Es wird davon ausgegangen, dass die erforderlichen Maßnahmen in allen Einrichtungen eigenverantwortlich umgesetzt werden. Das Infektionsrisiko für die Allgemeinbevölkerung bewegt sich im Rahmen des allgemeinen Lebensrisikos, besondere Schutzmaßnahmen sind nicht erforderlich. 7. Wie viele Tuberkulosefälle von BewohnerInnen in Gemeinschaftsunterkünften sind in den Jahren 2012, 2013, 2014 bekannt geworden, und wie viele hiervon wurden im Rahmen der routinemäßigen Untersuchungen nach dem Infektionsschutzgesetz entdeckt? Zu 7.: Gemeinschaftsunterkünfte Anlass der Diagnose 2012 2013 2014 Asylbewerber, Aufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft 5 2 6 Aufnahme in ein Obdachlosenheim 1 2 1 Aufnahme in eine Justizvollzugsanstalt 17 16 16 Aussiedler, Aufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft 0 0 1 Anzahl 23 20 24 Prozent 7,4 5,8 8,8 * Stand: 07.10.2014 Aktive Fallfindung Im Tuberkulosezentrum wurden nach Thoraxuntersu- chungen 2012: 20, 2013: 38 und 2014: 42 Tuberkuloseer- krankungen neu diagnostiziert. Nicht enthalten sind in diesen Zahlen die Erkrankungen, die in der Aufnahmeun- tersuchung der Justizvollzugsanstalt (JVA) diagnostiziert wurden. 8. Wie verteilen sich die jeweils in den Jahren 2012, 2013, 2014 in Berlin gemeldeten Tuberkulosefälle in Bezug auf Alter, Geschlecht, Herkunftsregion und ggf. auf spezielle Risikogruppen (bspw. obdachlose Men- schen, drogengebrauchende Menschen)? Zu 8.: Verteilung der Alters- 2012 2013 2014* Gruppen Anzahl Inzidenz Anzahl Inzidenz Anzahl Inzidenz von 0 bis 14 Jahren 11 2,6 15 3,6 8 1,9 von 15 bis 19 Jahren 5 3,5 17 11,9 11 7,7 von 20 bis 29 Jahren 61 12,0 57 11,3 51 10,1 von 30 bis 39 Jahren 45 9,1 71 14,4 50 10,1 von 40 bis 49 Jahren 57 9,6 53 9,0 42 7,1 von 50 bis 59 Jahren 51 11,2 46 10,1 38 8,4 von 60 bis 69 Jahren 36 9,0 28 7,0 21 5,3 ab 70 Jahren 53 12,1 59 13,5 51 11,7 * Stand: 07.10.2014 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 661 3 Geschlecht 2012 2013 2014* Anzahl Prozent Anzahl Prozent Anzahl Prozent männlich 209 65,5 214 61,8 186 68,4 weiblich 110 34,5 132 38,2 86 31,6 * Stand: 07.10.2014 Herkunftsregion Geburtsland 2012 2013 2014* Anzahl Deutschland 143 118 95 Prozent 44,8 34,1 34,9 Anzahl Ausland 174 227 169 Prozent 54,5 65,6 62,1 Anzahl unbekannt 2 1 8 Prozent 0,6 0,3 2,9 * Stand: 07.10.2014 Geburtsland 2012 2013 2014 Deutschland 143 118 95 NUS 34 52 23 Afrika 24 31 16 Europa (ohne NUS) 42 61 39 Türkei 16 21 26 Asien (ohne NUS) 55 59 59 Andere 3 2 6 Unbekannt/nicht erhoben 2 2 8 Gesamt 319 346 272 * Stand: 07.10.2014 * Neue Unabhängige Staaten (NUS) Zu speziellen Risikogruppen liegen dem LAGeSo keine Angaben vor. 9. Wie hoch wird die Anzahl nicht diagnostizierter Tuberkulosefälle in Berlin geschätzt? Zu 9.: Laut Auskunft des Robert-Koch-Institutes (RKI) und des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämp- fung der Tuberkulose (DZK) ist eine seriöse Benennung von nicht diagnostizierten Tuberkuloseerkrankungen nicht möglich, es liegen für Berlin keine Untersuchungen vor. 10. Wie viele Tuberkulosefälle wurden in den Jahren 2012, 2013, 2014 im Rahmen von Umgebungsuntersu- chungen diagnostiziert? Zu 10.: 2012 2013 2014* Anzahl der Fälle durch Umgebungsuntersuchung diagnostiziert 23 29 17 Prozent 7,2 8,4 6,3 * Stand: 07.10.2014 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 661 4 11. Wie viele Zwangsunterbringungen nach IfSG erfolgten in den Jahren 2012, 2013, 2014 in Berlin? Zu 11.: Die Bundesländer haben sich darauf verstän- digt, dass nicht jedes einzelne entsprechende Einrichtun- gen vorhält, sondern Bayern eine Einrichtung für Männer in Parsberg und Nordrhein-Westfalen eine Einrichtung für Frauen in Bad Lippspringe. Nach amtsrichterlichem Be- schluss wurde in den Jahren 2012 - 2014 folgende Anzahl an Personen in den o. g. Einrichtungen zwangsunterge- bracht: 2012 2013 2014 (Stichtag 30.09.2014) 6 Personen 5 Personen 8 Personen Berlin, den 21. Oktober 2014 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Okt. 2014)