Drucksache 17 / 14 685 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Stefanie Remlinger (GRÜNE) vom 07. Oktober 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Oktober 2014) und Antwort Wann kommt das Landeskonzept für Berufs- und Studienorientierung? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Für wann ist die Fertigstellung des Landeskonzepts für Berufs- und Studienorientierung derzeit geplant und welche Fragen sind bis dahin noch zu klären? Ab wann geht es in die Umsetzung? Zu 1.: Das Landeskonzept Berufs- und Studienorientierung wird zurzeit zwischen dem Senat und der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit final abgestimmt. Es soll ab dem Schuljahr 2015/2016 wirksam werden. Zurzeit wird geprüft, in welchen Rechtsverordnungen Änderungen durch das Landeskonzept Berufs- und Studienorientierung notwendig werden. 2. Wird Berufs- und Studienorientierung auch für Gymnasien verbindlich eingeführt. Wenn ja, in welcher Form soll die Verbindlichkeit der BSO für Gymnasien sichergestellt werden? Wenn nein, warum nicht? Zu 2.: Mit den Schulleiterinnen und Schulleitern der Gymnasien findet zurzeit ein intensiver Austausch dazu statt, ob auch an den Gymnasien, neben den bereits optio- nal vorhandenen Angeboten zur Berufs- und Studienori- entierung weitere, ggf. auch verbindliche Berufs- und Studienorientierungsmaßnahmen vorzusehen sind. 3. Ab welcher Klassenstufe sollen die Maßnahmen und Instrumente der Berufs- und Studienorientierung einsetzen und warum? Zu 3.: Die Zielsetzung des Landeskonzepts wurde in meiner Antwort zur Frage 2 in der Schriftlichen Anfrage 17/13412 bereits ausführlich dargestellt. Maßnahmen und Instrumente der Berufs- und Studienorientierung sollen in der Sekundarstufe I und II, in der Regel beginnend in der 7. Jahrgangsstufe, systematisch in schulisches Lernen eingebunden werden, wobei zu unterscheiden ist zwi- schen verbindlichen und optionalen Angeboten zur Be- rufs- und Studienorientierung. 4. Inwiefern verfolgt der Senat das Konzept der Vier- stufigkeit als verbindliche Angebote/Instrumente ab der siebten Klasse? Was ist in welcher Stufe genau vorgese- hen? Wie bauen die Stufen aufeinander auf? Zu 4.: Im Rahmen von Betriebsbegegnungen erhalten Schülerinnen und Schüler Einblicke in die praktische Arbeit von Unternehmen. Methodisch sinnvoll ist es, in der Schule aufeinander aufbauende Module, die einen systematischen Kompetenzaufbau für die Berufswahl ermöglichen, zu Grunde zu legen, wie zum Beispiel im 7. Jahrgang Betriebserkundungen, im 8. Jahrgang Kurzprak- tika zur Auseinandersetzung mit einem Berufsfeld, im 9. Jahrgang Betriebspraktika und im 10. Jahrgang vertiefen- de Praktika/Bewerbertag im Unternehmen. 5. Welche Rolle spielen Praktika im Landeskonzept? Was versteht der Senat in diesem Zusammenhang unter strukturierten Praktika? Sind Mindeststandards für Prakti- ka vorgesehen? Wenn ja, welche? 6. Wie sollen Praktika ausgewertet sowie dokumen- tiert werden? Ist in diesem Zusammenhang auch eine Überarbeitung des Berufswahlpasses vorgesehen? 7. Verfolgt der Senat das Ziel zu gewährleisten, dass die Jugendlichen praktische Erfahrungen gemäß ihren Neigungen machen können und wenn ja, wie? Zu 5. – 7.: Praktika sind wesentliche Elemente in der Berufs- und Studienorientierung und werden daher auch im Landeskonzept berücksichtigt. Die Schülerinnen und Schüler wählen in der Regel ihren Praktikumsplatz selbst- ständig aus, so dass sie praktische Erfahrungen gemäß ihrer Neigungen und Interessen machen können. Damit ein Praktikum seinen optimalen Nutzen entfalten kann, ist eine Einordnung in den individuellen Berufsorientie- rungsprozess unerlässlich. Am Ende der allgemeinbilden- den Schule soll eine strukturierte, zusammenfassende Dokumentation der Praktika einen Überblick über die absolvierten Praktika geben, die von den Schülerinnen und Schülern ausgefüllt wird. Diese Dokumentation eig- net sich zur Reflexion der bisherigen Praxiserfahrungen Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 685 2 und zur Unterstützung der Berufswahl oder der weiteren Berufsorientierung und wird in einem Portfolioinstrument wie z.B. dem Berufswahlpass (Teil 3) eingeheftet. 8. Welche Kooperationen (z.B. Betriebe, Kammern, Innungen, Lokale Ausbildungsverbünde etc.) sind vorge- sehen, um Angebote zu schaffen, mit denen Jugendliche zielführend entsprechend ihren Neigungen praktisch ori- entiert werden können? Zu 8.: Die Schulen haben Kooperationen mit Unter- nehmen und Betrieben, in denen die Schülerinnen und Schüler z.B. Praktika absolvieren können. Das Programm „Komm auf Tour“, das „Berliner Programm zur vertieften Berufsorientierung“ (BVBO), das „Netzwerk für Ausbildung “ (BNA), das „Netzwerk für Berufspraxis“, das Programm „Berlin braucht Dich!“ sind Landesprogramme, in denen die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler pra- xisorientierte Angebote zur Berufs- und Studienorientie- rung wahrnehmen. Ebenso ermöglichen die Teilnahmen der Schülerinnen am Girls´Day und der Schüler am Boys´Day Kontakte mit Unternehmen und eine prakti- schen Orientierung. 9. Welche Rolle hat der von Ihnen benannte Experte für Interkulturelle Öffnung (Drucksache 17 / 13 412) – BQN Berlin - für die Berücksichtigung der interkulturel- len Anforderungen bei der Umsetzung des Landeskonzep- tes der Berliner Studien- und Berufsorientierung? Zu 9.: Ein Vertreter des Beruflichen Qualifizierungs- netzwerkes für Migrantinnen und Migranten (BQN Ber- lin) ist an der Erarbeitung des Landeskonzepts beteiligt. 9. (siehe Ihre Nummerierung) Wird der Senat in dem Konzept Qualitätskriterien für Beratung verankern? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, mit wem zusammen wurden diese Qualitätskriterien erarbeitet? An welchen Modellen der BSO (in Berlin, im Bundesgebiet bzw. innerhalb des europäischen Bildungsraumes) orientiert sich der Senat bei der Neukonzipierung des Übergangs Schule-Beruf? Zu 9. (siehe Ihre Nummerierung): Im Projekt „Jugendberufsagentur umsetzen!“ wird mit allen Projektpartnern, der Regionaldirektion Berlin- Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit, dem Senat sowie den Bezirken an einem abgestimmten Konzept zur Beratung des Jugendlichen während der allgemein bil- denden Schulzeit und danach bis zum Alter von 25 Jahren gearbeitet. Dabei werden gemeinsame Qualitätskriterien in Ansatz gebracht, die allerdings mit den jeweiligen rechtskreisbezogenen Qualitätsanforderungen kompatibel bleiben müssen. 10. Wird der Senat an dem Konzept festhalten, an möglichst jeder Schule ein Berufsorientierungsbüro ein- zurichten? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche schulischen und welche außerschulischen Fachkräfte sollen hier an-/eingebunden werden? Zu 10: Eine Entscheidung für eine Einbindung eines Berufsorientierungsbüros in die Musterraumanforderun- gen der Integrierten Sekundarschule ist wegen der ausste- henden Entscheidungen für das Landeskonzept für Be- rufs- und Studienorientierung und dem Konzept für eine Jugendberufsagentur Berlin noch nicht erfolgt. 11. Teilt der Senat die Auffassung, dass es nicht sinn- voll wäre, die Berufsorientierung und -beratung (allein) durch Lehrkräfte der allgemeinbildenden Schulen durch- führen zu lassen? (Wie) Sollen die berufsbildenden Schu- len, Jugend(berufs)hilfe, BerufsberaterInnen, Berufsein- stiegsbegleiter sowie die Schulsozialarbeit in diesem Zusammenhang eingebunden werden? Zu 11.: Ja. Ein Konzept für eine professionelle Rollen- teilung der beteiligten Akteure für die Berufs- und Studi- enorientierung in Unterricht und Beratung wird mit dem in Entwicklung befindlichen Konzept für die Jugend- berufsagentur vorgelegt werden. 12. Sieht der Senat das Landeskonzept als Veranlas- sung, auch die bisherigen Konzeptionen des Dualen Ler- nens (inkl. der sog. Besonderen Formen des Dualen Ler- nens) sowie des Fachs WAT und seiner Verankerung im Stundenplan zu überarbeiten? Zu 12.: In diesem Zusammenhang verweise ich auf meine Antwort zur Frage 1, dass zurzeit geprüft wird, in welchen Rechtsverordnungen Änderungen durch das Landeskonzept Berufs- und Studienorientierung notwen- dig werden. 13. Was tut der Senat zur interkulturellen Öffnung der Betriebe, Unternehmen und Wirtschaftsverbände etc. im Kontext des Landeskonzeptes für Berufs- und Studienori- entierung? Zu 13: Die Handwerkskammer, die Industrie- und Handelskammer, die Unternehmensverbände Berlin und Brandenburg, der Verband der Freien Berufe und der Deutsche Gewerkschaftsbund Berlin-Brandenburg sind an der Erarbeitung des Landeskonzeptes beteiligt und wer- den für die Unterstützung in den Betrieben und Unter- nehmen, auch in Bezug auf die interkulturelle Öffnung, werben. 14. Wie wird der Senat die Entwicklung der Nachfra- ge bzw. Teilnahme an den Angeboten erfassen, im Hin- blick auf Jungen/ Mädchen mit/ ohne Migrationshinter- grund sowie Jugendliche mit Behinderungen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 685 3 Zu 14.: Das Monitoring wird durch meine Verwaltung gemeinsam mit den Schulen und voraussichtlich der Netzwerkstelle der Jugendberufsagentur erfolgen. 15. Was versteht der Senat unter persönlicher Berufs- wahlkompetenz? 16. Wie ist das Konzept pädagogisch untersetzt mit Ansätzen zum Empowerment von Schülern/innen in der Berufsorientierung? Zu 15. und 16.: Der beschleunigte Wandel einer von Globalisierung geprägten Welt sowie die Erweiterung des Wissens und seine Verfügbarkeit erfordern eine Neuori- entierung für das Lernen im Unterricht. Die Vorstellung, man könne von einem ausschließlich in der Jugend er- worbenen Wissensvorrat lebenslang zehren, ist von einem dynamischen Modell der Kompetenzentwicklung abgelöst worden. Ziel der Kompetenzentwicklung ist die erfolgrei- che Bewältigung vielfältiger Herausforderungen im All- tag und im späteren Berufsleben. Um angemessene Hand- lungsentscheidungen treffen zu können, lernen Schülerin- nen und Schüler zunehmend sicher, zentrale Zusammen- hänge grundlegender Wissensbereiche sowie die Funktion und Bedeutung vielseitiger Erfahrungen zu erkennen und diese zur Erweiterung ihres bereits vorhandenen Wissens und Könnens zu nutzen (vgl. 1.1 „Grundsätze / Kompetenzentwicklung “ in Rahmenlehrpläne für die Sekundarstufe I, Jahrgangsstufe 7 – 10). Die Schülerinnen und Schüler sollen im Anschluss an die allgemein bildende Schule in der Lage sein, eine eigenmächtige, selbstver- antwortliche und selbstbestimmte Entscheidung zu tref- fen, welchen beruflichen Weg sie gehen wollen. 17. Inwiefern ist inzwischen klar, wo die Abgrenzun- gen bzw. Schnittstellen zum Konzept der Jugendberufs- agentur liegen? Zu 17.: Im bisherigen Entwurf beider Konzepte, des Landeskonzepts für Berufs- und Studienorientierung und dem Konzept für eine Jugendberufsagentur Berlin, gibt es eine verzahnte Prozessbeschreibung mit Hinweisen auf die jeweilige Prozessverantwortung im Berufs- und Studi- enorientierungsprozess, der Erstellung von individuellen Dokumentationen zum Berufsorientierungsprozess und der Berufswegeplanung wie der Unterstützungsangebote für Jugendliche mit besonderen Förderbedarfen am Über- gang Schule/Beruf. Beide Konzepte sind dabei sowohl miteinander verzahnt als auch aufeinander aufbauend. Berlin, den 17. Oktober 2014 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Okt. 2014)