Drucksache 17 / 14 708 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Martin Delius (PIRATEN) vom 10. Oktober 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Oktober 2014) und Antwort Bezirkliche Gepflogenheiten bei der Aufstellung von Gedenktafeln Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie beurteilt der Senat die Tatsache, dass im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf die Entscheidungen bezüg- lich der Aufstellung von Gedenktafeln unter Ausschluss der Öffentlichkeit getroffen werden, insbesondere in An- betracht der Koalitionsvereinbarung von 2011 und der darin enthaltenen Feststellungen bezüglich der Bedeutung von Transparenz und Partizipation als Standortfaktor für Berlin? Zu 1.: Frage 1. bezieht sich auf Sachverhalte, die der Senat von Berlin nur teilweise in eigener Zuständigkeit beantworten kann. Die Gedenktafelkommission Charlot- tenburg-Wilmersdorf wurde daher um Informationen gebeten, auf die nachfolgend rekurriert wird. Soweit sich die Frage darauf bezieht, dass die bezirk- liche Gedenktafelkommission nichtöffentlich tagt, sind folgende Punkte zu beachten: - Bei der Anbringung von Gedenktafeln handelt es sich regelmäßig um eine Bezirksaufgabe (§ 3 Abs. 2 Allgemeines Zuständigkeitsgesetz – AZG). Rechtlich unterliegt diese nicht der Entscheidungskompe- tenz der Bezirksverordnetenversammlung nach § 12 Abs. 2 Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG), sondern der Verwaltungsbehörde. Der Bezirksverordneten- versammlung obliegt es allerdings, entsprechendes Verwaltungshandeln anzuregen (§ 13 BezVG). - Das Gremium besteht aus fünf Mitgliedern der in der Bezirksverordnetenversammlung vertretenen Fraktionen und Fraktionslosen sowie den Vorsitzen- den der Heimatvereine Charlottenburg und Wil- mersdorf und der Leitung des Fachbereichs Kultur in der zuständigen Abteilung der Verwaltungsbehörde. Der Gedenktafelkommission steht mithin aus- schließlich eine Beratungsfunktion an der Schnitt- stelle zwischen Verwaltung und Kommunalpolitik zu. - Der Entscheidung über die Aufstellung einer Gedenktafel gehen in jedem Einzelfall umfangreiche Abwägungen voraus, nicht zuletzt vor dem Hinter- grund, dass öffentliche Mittel im Bezirkshaushalt regelhaft nicht zur Verfügung stehen. Aus der Erfah- rung der Arbeit der Gedenktafelkommission Char- lottenburg-Wilmersdorf ergibt sich, dass der ent- sprechende Diskussionsprozess in einem geschütz- ten Raum stattfinden muss, um offen geführt werden zu können. Erfolgt die Anregung, einer bestimmten Person zu gedenken, durch Dritte, vor allem aus der Einwohnerschaft des Bezirks, ist es bewährte Praxis, die Initiatorin oder den Initiator zu einer persönli- chen Anhörung einzuladen. Dabei werden Art, Um- fang und Zeitpunkt der Einbeziehung als Verfah- rensfragen zwischen den Mitgliedern der Gedenkta- felkommission vereinbart. Angesichts der Zusammensetzung der Gedenktafel- kommission, ihrer beratenden Funktion, der Möglichkeit für die jeweiligen Initiatorinnen und Initiatoren einer Gedenktafel, in einer persönlichen Anhörung Stellung zu beziehen, und weil die Notwendigkeit teilweise nichtöf- fentlicher Abstimmungsprozesse begründet wird, hält der Senat das beschriebene Verfahren auch hinsichtlich der Grundsätze der Transparenz und Partizipation für nach- vollziehbar. 2. In der Koalitionsvereinbarung von 2011 wird die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements als wich- tige politische Querschnittsaufgabe bezeichnet. Wie beur- teilt der Senat die Auswirkungen auf das bürgerschaftli- che Engagement, die von den Gepflogenheiten im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf bei Entscheidungen zur Aufstellung von Gedenktafeln ausgehen? Zu 2.: Bürgerschaftliches Engagement und offene De- batten sollten bei Entscheidungen über öffentliches Ge- denken eine zentrale Rolle spielen. Insofern begrüßt der Senat es, wenn Bürgerinnen und Bürger sich für Gedenk- tafeln einsetzen, und es dient der Stärkung bürgerschaftli- chen Engagements, wenn Gedenktafelkommissionen solche Initiativen aufnehmen und sich mit den Argumen- ten auseinandersetzen, die im Rahmen der Anhörung genannt werden. Dies entspricht der Praxis der Gedenkta- felkommission Charlottenburg-Wilmersdorf. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 708 2 Wenn für die durch einen Beschluss der Bezirksverordne- tenversammlung eingesetzte Gedenktafelkommission darüber hinaus ein nichtöffentlicher Abstimmungsprozess erforderlich ist, um auftragsgemäß ein Votum abzugeben, ist dies legitim und sollte weiteres bürgerschaftliches Engagement nicht hemmen. 3. Sieht der Senat Handlungsbedarf, die bezirkliche Entscheidungspraxis in Bezug auf die Aufstellung von Gedenktafeln transparenter zu gestalten? Zu 3.: Der Senat sieht weder die Notwendigkeit noch die Möglichkeit auf die bezirkliche Entscheidungspraxis hinsichtlich größerer Transparenz bei der Aufstellung von Gedenktafeln einzuwirken. Wie unter Antwort zu 1. aus- geführt, handelt es sich hier um eine Bezirksaufgabe. 4. Sieht der Senat Handlungsbedarf, die Partizipati- onsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger bei der bezirklichen Entscheidungspraxis in Bezug auf die Auf- stellung von Gedenktafeln zu verbessern? Zu 4.: Der Senat sieht weder die Notwendigkeit noch die Möglichkeit auf die bezirkliche Entscheidungspraxis hinsichtlich größerer Partizipationsmöglichkeiten bei der Aufstellung von Gedenktafeln einzuwirken. Siehe Ant- wort zu 1. 5. Sieht der Senat den Bedarf zur berlinweiten Verein- heitlichung der bezirklichen Gepflogenheiten bezüglich der Entscheidungspraxis bei der Aufstellung von Gedenk- tafeln? Zu 5.: Der Senat sieht keinen Bedarf für eine berlin- weite Vereinheitlichung der bezirklichen Gepflogenheiten bezüglich der Entscheidungspraxis bei der Aufstellung von Gedenktafeln. Ohnehin hat aber der Gesetzgeber die Zuständigkeit für die Aufstellung von Gedenktafeln re- gelmäßig den Bezirken zugewiesen. Dem Gesetzgeber – und nicht dem Senat – würde daher die Entscheidung obliegen, ob es Bedarf für eine berlinweite Vereinheitli- chung der bezirklichen Gepflogenheiten gibt. Berlin, den 29. Oktober 2014 In Vertretung Tim Renner Der Regierende Bürgermeister von Berlin Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Okt. 2014)