Drucksache 17 / 14 716 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 14. Oktober 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Oktober 2014) und Antwort Situation von Menschen, die in Berlin auf der Straße leben müssen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Menschen waren 2011, 2012, 2013 und sind aktuell in Berlin ohne Obdach? 2. Welche Altersgruppen gehören zu welchem Prozentsatz zu der Gruppe in Frage 1? Zu 1. und 2.: Die Unterbringung wohnungloser Menschen ist eine bezirkliche Durch-führungsaufgabe nach dem Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz/AZG i. V. m. dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz/ASOG. Die Vermittlung der Unterkunftsplätze erfolgt zum überwiegenden Teil über die Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL), die im Lan- desamt für Gesundheit und Soziales/LAGeSo angesiedelt ist. In der Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) im LAGeSo waren 4.194 Personen zum Stichtag 31.12.2010 in nichtvertragsgebundenen Einrichtungen erfasst. Wei- tere 442 Personen waren in kommunalen Einrichtungen bzw. in Einrichtungen mit - zwischen Bezirksamt und Einrichtungsbetreibern - direkt vereinbarten Belegungs- rechten, in Pensionen, Hostels etc. untergebracht. In der BUL waren 4.765 Personen zum Stichtag 31.12.2011 in nichtvertragsgebundenen Einrichtungen erfasst. Weitere 505 Personen waren in kommunalen Einrichtungen bzw. in Einrichtungen mit - zwischen Be- zirksamt und Einrichtungsbetreibern - direkt vereinbarten Belegungsrechten, in Pensionen, Hostels etc. unterge- bracht. In der BUL waren 5.926 Personen zum Stichtag 31.12.2012 in nichtvertragsgebundenen Einrichtungen erfasst. Weitere 413 Personen waren in kommunalen Einrichtungen bzw. in Einrichtungen mit - zwischen Be- zirksamt und Einrichtungs-betreibern - direkt vereinbarten Belegungsrechten, in Pensionen, Hostels etc. unterge- bracht. Statistische Daten zum Alter wurde in den genannten Jahren nicht erhoben. 3. Wie viele Menschen lebten 2011, 2012, 2013 auf der Straße und wie viele sind es aktuell in Berlin? 4. Welche Altersgruppen gehören zu welchem Prozentsatz zu der Gruppe in Frage 3 und welcher Staats- angehörigkeit sind diese Menschen zu welchem Prozent- satz? 5. Wie viele Plätze der Kältehilfe werden im kommenden Winter in Berlin konkret zur Verfügung stehen? Zu 3., 4. und 5.: Die Anzahl der auf der Straße leben- den Menschen ist statistisch nicht erfassbar. Daher kann die Anzahl nur als Dunkelziffer geschätzt werden. An- haltspunkte sind die Anzahl von Menschen, die das Pro- jekt „Straßensozialarbeit“ erreicht und betreut sowie die Menschen, die Notschlafplätze in der „Kältehilfe“ nutzen. Die „Kältehilfe“ ist ein Sonderprogramm für auf der Straße lebende Menschen, die die Regelversorgung nicht an Anspruch nehmen. Die „Kältehilfe“ ist in der Systematik der Versorgungsstruktur ein Notprogramm für wohnungslose Menschen, die den Zugang zur Regelver- sorgung noch nicht erreicht haben und/oder über keine Wohnung verfügen. Die „Kältehilfe“ beinhaltet primär die Schaffung von Notschlafplätzen, um dem Personen- kreis ein niedrigschwelliges Angebot ohne Hürde (keine Vorlage von Ausweis-dokumenten) zu unterbreiten. Ziel ist, die Menschen vor der Kälte zu schützen bzw. den Erfrierungstod zu verhindern. Vor diesem Hintergrund hat sich die „Kältehilfe“ nach den Erfahrungen von über 20 Jahren sehr gut bewährt und ist bundesweit beispielhaft.  Alle Menschen, die um einen Notschlafplatz nachfragen , erhalten einen Platz.  Es werden keine Menschen, die um Notschlafplätze nachfragen, abgewiesen.  Es kommen kältebedingt nur die Menschen zu Schaden, die die „Kältehilfe“ nicht in Anspruch nehmen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 716 2 Die Übernachtungen haben sich den in Jahren 2010 bis 2013 folgendermaßen entwickelt: Jahr 2011 2012 2013 Durchschnittliche Anzahl der Notschlafplätze in der Winterzeit 464 470 483 Die zwölf Bezirke von Berlin haben in den letzten Jahren eine Vorsorge bis zu 500 Notschlafplätze getrof- fen, damit auch die Spitzen abgedeckt werden können. Die Bezirke treffen derzeit die Vorbereitungen, damit im kommenden Winter ein Angebot in einem Umfang von 600 Notschlafplätzen betrieben werden kann. Damit wird der Entwicklung der gestiegenen Anzahl von auf der Straße lebenden Menschen in den letzten Jahren in Deutschland und Berlin Rechnung getragen. 6. Welche Angebote der Straßensozialarbeit stehen für welche Altersgruppen und wie viele Personen aktuell in Berlin zur Verfügung? 7. Welche sozialen Träger erhalten wie viele und wel- che öffentlichen Mittel für die Straßensozialarbeit und für welche Altersgruppen? Zu 6. und 7.: Der Berliner Senat, vertreten durch die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, fördert im Integrierten Sozialprogramm/ISP ein Projekt „Straßensozialarbeit “. Träger des Projekts ist „Gangway e. V., der Ansatz für das Haushaltsjahr 2014 beträgt rd. 436 T€. Das Projekt erreichte im Jahr 2013 1.499 Menschen (1.003 Männer, 496 Frauen). Die Altersverteilung war wie folgt: Altersgruppen % unter 21 Jahre 5,7 21 bis unter 25 Jahre 6,1 25 bis unter 35 Jahre 29,8 35 bis unter 45 Jahre 23,9 45 bis unter 65 Jahre 31,3 65 und älter 3,2 Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wis- senschaft richtet weitere Angebote im Rahmen der Stra- ßensozialarbeit an junge Menschen, die von den beste- henden Einrichtungen der Jugend- und Jugendsozialarbeit nicht bzw. nicht genügend erreicht werden. Die Anzahl der betreuten Jugendlichen und Junger- wachsenen (Gruppen- und Einzelbegleitungen) liegt bei mehr als 3.700 Jugendlichen im Jahr, davon 30 % neue Kontaktaufnahmen. Mehr als 50 % der Jugendlichen und Jungerwachsenen haben familiäre Migrationserfahrung. Das Durchschnittsalter liegt zwischen 14 und 21 Jahren. Es werden zwei anerkannte Träger der Jugendhilfe im Jahr 2014 mit einer jährlichen Zuwendung in folgender Höhe gefördert: Gangway e. V.: 1,526 Mio. € zzgl. bezirklicher Kofinanzierung . Outreach e.V.: 1,1 Mio. €. 8. Sind die im Land Berlin und den Bezirken zur Ver- fügung gestellten Ressourcen ausreichend, um die in dieser Schriftlichen Anfrage betroffenen Personenkreise gut zu versorgen? 9. Welche Schritte hat der Berliner Senat unternom- men, um die Angebote zu verbessern und was wird er tun, um wachsende Bedarfen Rechnung zu tragen? Zu 8. und 9.: Jede Person, die in den Bezirksämtern um Versorgung in der Regelversorgung nachfragt, erhält einen Unterkunftsplatz. Die Menschen, die die Kältehilfe aufsuchen, nehmen bereits die Regelversorgung nicht in Anspruch, sondern erhalten nur eine Basishilfe in Form eines Notschlafplatzes. Die Gründe der Nichtinanspruch- nahme sind vielfältig, sind häufig aber in der Verfassung der einzelnen Person zu suchen. Individuelle Gründe und Ängste führen dazu, auf Leistungen zu verzichten. Es bestehen häufig Defizite in den persönlichen Ressourcen im Umgang mit Umgang mit Behörden, notwendige An- träge zu stellen und/oder Anforderungen der Mitwirkung nachzukommen. Hinsichtlich der Kapazitäten - sowohl der ordnungs- behördlichen Unterbringungen als auch der Notschlaf- plätze in der „Kältehilfe“ - werden diese seit Jahren bedarfsgerecht angepasst. In der „Kältehilfe“ erhalten alle Menschen einen Notschlafplatz, ungeachtet der Frage, ob Ansprüche nach den Sozialgesetzbüchern bestehen. Berlin, den 29. Oktober 2014 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Okt. 2014)