Drucksache 17 / 14 725 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marion Platta (LINKE) vom 14. Oktober 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Oktober 2014) und Antwort „Der Trend bewegt sich in die falsche Richtung“ – Indikator 10: Vogelbestände Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie und wo werden die Daten seit 2006 er- hoben? Haben sich Veränderungen bei den Probeflächen (in Berlin 30 Flächen) ergeben? Wenn ja, welche? Antwort zu 1: 2006 wurde sowohl noch die seit 1989 verwendete Methode der Punkt-Stopp-Zählung als auch parallel die 2004 begonnene neue Methode der Linienkar- tierung angewendet. Bei der Punkt-Stopp-Zählung werden auf einer vom Ornithologen selbst gewählten und dann über Jahre bei- behaltenen Zählroute jährlich bei bis zu fünf Begehungen in vorgegebenen Zeiträumen an bis zu 20 Punkten jeweils genau fünf Minuten lang alle wahrnehmbaren Vogelindi- viduen gezählt. Die Auswertung erfolgt artspezifisch unterschiedlich, so dass z.B. Zeiten, in denen bestimmte Arten noch auf dem Durchzug sind und die Vögel noch keine Brutreviere bezogen haben, nicht einbezogen wer- den. Bei der Linienkartierung werden innerhalb von 1km² großen Flächen, die vom Bundesamt für Statistik für Berlin als repräsentativ ausgewählt wurden, auf vier Kar- tierungsgängen zwischen Ende März und Anfang Juni entlang einer definierten, etwa 3km langen Strecke dieje- nigen Beobachtungen erfasst, die auf ein Brutvorkommen schließen lassen. Folgende Linienkartierungs-Flächen werden bearbei- tet: Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 725 2 Flächenbezeichnung Hauptlebensraumtypen Bearbeitet seit Fläche 01 Hermsdorf Gartenstadt 2011 Fläche 02 Tegeler Forst (Nord) Wald 2011 Fläche 03 Spandauer Forst / Radeland Wald / Kleingärten 2012 Fläche 04 Konradshöhe/Tegeler Forst Wald / Gartenstadt 2011 Fläche 05 Reinickendorf West Wohnblockzone 2012 Fläche 06 Siemensstadt / Charlotten- burg Nord Wohnblockzone / Gewerbe 2012 Fläche 07 Charlottenburg Wohnblockzone 2012 Fläche 08 Spandau / Klosterfelde Wohnblockzone / Gartenstadt / Gewerbe 2011 Fläche 09 Grunewald Wald / Gewässer 2009 Fläche 10 Friedenau Wohnblockzone 2006 Fläche 11 Altdorfer Str. Gartenstadt / Grünanlagen 2005 Fläche 12 Lichterfelde West Gartenstadt / Wohnblockzone 2005-2008, 2011 Fläche 13 Pfaueninsel Grünanlagen / Gewässer 2006 Fläche 14 Parkrange Lichterfelde Süd Offenland / Brachland 2010 Fläche 15 Moorlinse Buch Agrarland / Gewässer 2005 Fläche 16 Französisch Buchholz / Blankenburg Gartenstadt 2011 Fläche 17 Margaretenhöhe Agrarland 2008 Fläche 18 Heinersdorf Gartenstadt / Brachland / Gewerbe 2011 Fläche 19 Biesdorf Gartenstadt / Gewerbe 2004 Fläche 20 Friedrichstadt Wohnblockzone 2005 Fläche 21 Park Herzberge Grünanlagen / Wald 2010 Fläche 22 Weißensee Wohnblockzone 2005 Fläche 23 Petersburger Str. Wohnblockzone 2011 Fläche 24 Volkspark Wilmersdorf Grünanlagen / Wohnblockzone 2011 Fläche 25 Köpenick Wohnblockzone / Gartenstadt 2004 Fläche 26 Tempelhof Wohnblockzone / Gartenstadt / Grünanla- gen 2011 Fläche 27 Adlershof Gartenstadt / Wohnblockzone / Gewerbe 2005 Fläche 28 Teufelssee Köpenick Wald / Gewässer 2005-2008/ 2011 Fläche 29 Lichtenrade Gartenstadt 2011 Fläche 30 Marienfelde Gartenstadt 2005 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 725 3 Veränderungen haben sich – wie vorstehend dargestellt – hinsichtlich der Bearbeitung der einzelnen Zählrouten bzw. Probeflächen ergeben. Veränderungen hinsichtlich der Nutzung der Probeflä- chen wurden bislang nicht ausgewertet. Frage 2: Wie haben sich die 6 Teilindikatoren für die ausgewählten Berliner Hauptlebens- und Landschaftsty- pen mit den jeweils typischen Vogelarten seit 2006 bis zur letzten Datenerhebung entwickelt? Bitte einzeln ange- ben für: a) Offenes Land, Agrar- und Brachflächen, b) Wald, c) Grünanlagen, Parks und Gärten, d) Gartenstadt und Kleingärten, e) Wohnblockzone f) Gewässer Antwort zu 2: Die Zusammenstellung von Vogelarten, die für bestimmte Hauptlebensraum- bzw. Landschaftsty- pen charakteristisch sind, konnte für Berlin nicht in glei- cher Weise erfolgen, wie dies für den bundesdeutschen Indikator geschehen ist (s. http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/monitori ng/Sukopp_2007_Nachhaltigkeitsindikator_Bericht- 2_Brutvoegel_Deutschland.pdf). Dies hängt damit zusam- men, dass relativ viele Vogelarten, deren Bestandsent- wicklung für den bundesdeutschen Indikator herangezo- gen wurden, in Berlin nicht vorkommen (z.B. alpine Ar- ten und Küstenvögel) oder mit dem Stichprobensystem für das Monitoring häufiger Brutvögel nicht in ausrei- chendem Maße erfasst werden. Deshalb musste auf häufi- gere Arten zurückgegriffen werden, die allerdings eine weniger enge Bindung an bestimmte Lebensräume auf- weisen. Trotzdem ist die statistische Aussagekraft der Bestandsänderungen für zahlreiche Arten wegen zu ge- ringer Stichprobengröße nicht ausreichend, so dass auf eine Fortschreibung des Indikators zunächst verzichtet wurde. Eine Proberechnung bis 2012 ergab für die einen bestimmten Lebensraumtyp repräsentierenden Arten ab 2006 in der Tendenz folgende Richtungen: Offenland, Agrar- und Brachflächen: Teilindikator weiter fallend Wald: Teilindikator leicht steigend Grünanlagen, Parks: Teilindikator stabil Gartenstadt, Kleingärten: Teilindikator stabil Wohnblockzone: Teilindikator schwach steigend Gewässer: keine Aussage möglich Es zeichnet sich somit für den Gesamtindikator eine leichte Verbesserung ab. Frage 3: In welchem Flächenverhältnis stehen diese Hauptlebens- und Landschaftstypen zur Gesamtfläche Berlins? Antwort zu 3: Nach Angaben des Statistischen Lan- desamtes haben Waldflächen einen Anteil von 18,3% und Gewässer einen Anteil von 6,7% der Landesfläche. Für die übrigen in Frage 2 genannten Lebensraumtypen bzw. Kombinationen liegen entsprechende Angaben nicht vor, diese können nur mit erheblichem Aufwand ermittelt werden. Frage 4: Welche Maßnahmen wurden seit der Feststel- lung im Datenbericht 2012 zur nachhaltigen Entwicklung Berlins (Der Trend bewegt sich in die falsche Richtung – Indikator 10: Vogelbestände) für die Umkehrung des Entwicklungstrends im Bereich der Biodiversität einge- leitet? Bitte für die einzelnen Hauptlebens- und Land- schaftstypen differenzieren. Antwort zu 4: Um statistisch besser belastbare Ergeb- nisse zu erzielen, wurden die Untersuchungen intensiviert. Durch Gewährung einer Aufwandsentschädigung für die ehrenamtlichen Kartierer konnte erreicht werden, dass seit 2012 alle 30 vom Bundesamt für Statistik gezogenen Probeflächen tatsächlich bearbeitet werden. Folgende Maßnahmen wurden und werden zur Förde- rung der Biodiversität und damit auch der Vogelwelt durchgeführt: 1. Umsetzung der Berliner Strategie zur Biologischen Vielfalt und der Strategie Stadtlandschaft, 2. Umsetzung der Ziele des Teilprogramms Biotopund Artenschutz aus dem Landschaftsprogramm Berlin (LAPRO Berlin), das zurzeit aktualisiert wird, 3. Aufbau des Biotopverbundsystems nach § 20 Bundesnaturschutzgesetz, 4. Umsetzung von Projekten, die einer Aufwertung der Landschaft u. a. für die Avifauna dienen (U- EP 1 -Projekte Tiefwerder Wiesen, Lietzengraben- niederung, Herzberge) und deren Finanzierung im Rahmen der Umsetzung des Förderschwerpunktes 7 (Natur- und Landschaft) des Umweltentlastungs- programms Berlin (UEP) in der jetzt auslaufenden Förderperiode, 5. Schaffung einer abwechslungsreichen Halboffenlandschaft durch Beweidung, welche für den Ar- tenschutz, besonders für Vogelarten, von hoher Bedeutung ist, im Erprobungs- und Entwicklungs- vorhaben Rieselfeldlandschaft Hobrechtsfelde, an- teilig finanziert durch das Bundesamt f. Natur- schutz und die Länder Berlin und Brandenburg, 6. Ausweisung von neuen Schutzgebieten (Landschaftsschutzgebiet [LSG] Barnimhang, Treptow- Köpenicker Wald- und Seenlandschaft), 7. Anpassung bestehender Schutzgebietsverordnungen an die Erfordernisse der FFH 2 - und Vogel- schutzgebiete (NATURA 2000), 8. Schutz-, Pflege und Entwicklungsmaßnahmen in Schutzgebieten, 1 Umweltentlastungsprogramm 2 Fauna-Flora-Habitat Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 725 4 9. Aufklärung der Bevölkerung über die Bedürfnisse von gebäudebewohnenden Arten und über die Artenschutzbestimmungen, 10. Erhöhung der Kompensationsverpflichtung bei Beseitigung von Niststätten bestimmter Arten, 11. stärkere Berücksichtigung des Artenschutzes bei Maßnahmen der Gewässerunterhaltung, 12. Durchführung des Röhrichtschutzprogrammes, 13. Förderung heimischer Gehölze und krautiger Pflanzen, Zurückdrängung von Neophyten, 14. Umsetzung der Ziele der Waldbaurichtlinie des Landes Berlin (Erhaltung von Totholz, Auswei- sung störungsarmer Waldflächen, Verbesserung der Altersstruktur, Waldumwandlung zu stand- ortgerechten Wäldern). Frage 5: Welche Rolle können Ausgleichs- und Er- satzmaßnahmen für einen funktionierenden Naturhaushalt spielen, wenn diese in anderen Lebens- und Landschafts- typen realisiert werden als in den unter Veränderungs- druck verloren gegangenen Lebensräumen? Antwort zu 5: Der funktionierende Naturhaushalt ist nicht ausschließlich mit den Ansprüchen einzelner Tier- und Pflanzenarten oder Ökosysteme an bestimmte Le- bensraum- und Landschaftstypen gleichzusetzen. Frage 6: Welchen Anteil misst der Senat den urbanen Räumen für die Erreichung des Nachhaltigkeitsziels zur Biologischen Vielfalt bis 2015 bei? Antwort zu 6: Berlin ist aufgrund seiner Vielfalt an Lebensräumen eine der artenreichsten Städte Europas. Der Senat misst den urbanen Räumen eine hohe Bedeu- tung für die Erreichung des Nachhaltigkeitsziels bei. Berlin, den 30. Oktober 2014 In Vertretung R. L ü s c h e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Nov. 2014)