Drucksache 17 / 14 728 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 15. Oktober 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Oktober 2014) und Antwort Wie setzt der Berliner Senat das europäische Übereinkommen zum Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch um? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Wie plant der Senat das Übereinkommen des Europa- rats zum Schutz von Kindern vor Ausbeutung und sexuel- ler Gewalt umzusetzen, nachdem das Übereinkommen nach sieben Jahren endlich auch in Kürze in der Bundes- republik Gesetzesrang haben wird und damit auch die Bundesländer wie Berlin bindet? Insbesondere sind fol- gende Unterpunkte darzustellen: 1. Artikel 4, Grundsätzliches: Welche gesetzgeberi- schen oder sonstigen Maßnahmen hat das Land Berlin unternommen, um alle Formen der sexuellen Ausbeutung und des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu verhüten und davor zu schützen, welche Maßnahmen wir das Land Berlin nach in Kraft treten des Übereinkommens ergreifen und welche Beachtung werden diese Verpflichtungen im Haushalt 2015/16 finden? 2. Artikel 5, Beschäftigung, Ausbildung und Sensibi- lisierung von Personen: Welche gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen hat das Land Berlin ergriffen, um das Bewusstsein für den Schutz und die Rechte des Kin- des bei den Personen zu schärfen, die in den Bereichen Erziehung, Gesundheit- und Jugendschutz, Justiz, Straf- verfolgung sowie im Zusammenhang mit Sport-, Kultur- und Freizeitaktivitäten regelmäßige Kontakte zu Kindern haben zu schärfen und welche Maßnahmen wird das Land Berlin ergreifen, wenn das Übereinkommen in Kraft tritt, welche Vorkehrungen werden insbesondere im zukünfti- gen Haushalt getroffen? 4. Artikel 7, Präventive Interventionsprogramme oder -maßnahmen: Hält der Senat die Angebote im Rahmen von „Nicht Täter werden“ für ausreichend, oder sind Ausweitungen der Angebote oder andere Maßnehmen geplant, wenn nein, warum nicht, wenn ja welche? 5. Artikel 8, Maßnahmen für die Öffentlichkeit: Wel- che Sensibilisierungskampagnen zur Aufklärung der Öf- fentlichkeit über das Phänomen der sexuellen Ausbeutung und des sexuellen Missbrauchs von Kindern und über mögliche präventive Maßnahmen plant und/oder unter- stützt der Senat? 6. Artikel 9, Beteiligung von Kindern, des privaten Sektors, der Medien und der Zivilgesellschaft: Wie soll die Beteiligung von Kindern umgesetzt werden, wie sol- len die Dienstleister in den Bereichen Information und Kommunikation, des Tourismus und des Finanzsektors in Berlin sensibilisiert werden, welche Kontakte zu Medien sind geplant und wie kann eine Unterstützung von Pro- grammen der Zivilgesellschaft zum Schutz der Kinder aussehen? 7. Artikel 10, Nationale Maßnahmen zur Koordinie- rung und Zusammenarbeit: Wie soll in Berlin ein Netz- werk zum Schutz der Kinder aus Akteuren der Jugendhil- fe, der Schulen, des Gesundheitswesens, der Polizei und Justiz organisiert werden? Wie soll die Zusammenarbeit mit Akteuren der freien Träger der benannten Bereiche, der Zivilgesellschaft und des privaten Sektors gestaltet werden? Wie werden Anlaufstellen, Einrichtungen und Projekte für Kinder, Jugendliche und ihre Familien vor- gehalten und gesichert? Zu 1., 2., 4., 5., 6., 7.: Der Senat von Berlin hat seit 2009 mit dem Berliner Kinderschutzgesetz, dem „Netzwerk Kinderschutz“ und mit der Einrichtung des „Netzwerks gegen sexuelle Gewalt“ umfassende gesetzliche und konzeptionelle und strukturelle Maßnahmen zum Schutz des Kindeswohls auf den Weg gebracht. Im Rah- men der Beantwortung der Großen Anfrage über „Netzwerk Kinderschutz sichern, weiter entwickeln und nicht durch Personalabbau und Kürzungen gefährden!“ (Drs. 17/0719) vom Januar 2014, wurde die Umsetzung und Weiterentwicklung der Maßnahmen zum Kinderschutz ausführlich dargelegt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 728 2 Deshalb konnte Berlin jetzt auch bundesweit als erste Stadt dem „Pakt der Städte und Regionen zur Beendigung der sexuellen Gewalt gegen Kinder“ beitreten. Das Bündnis beinhaltet ein Bündel von Initiativen und politischen Maßnahmen für den Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt. 3. Artikel 6, Erziehung der Kinder: Wie wird die in dem Übereinkommen geregelte staatliche Verpflichtung des Landes Berlins personell, materiell und qualitativ gesichert, um zu garantieren, dass Kinder während ihrer Schulzeit in Grund- und weiterführenden Schulen ent- sprechend über die Gefahren sexueller Ausbeutung und sexuellen Missbrauch sowie über die Möglichkeiten sich davor zu schützen, aufgeklärt werden? Zu 3.: Das Berliner Schulgesetz führt in § 12 die Se- xualerziehung als besondere Bildungs- und Erziehungs- aufgabe der Schule auf. Darüber hinaus sind 2001 allge- meine Hinweise zu den Rahmenplänen für Unterricht und Erziehung in der Berliner Schulen entwickelt worden. Dort wird festgelegt, dass der gesetzliche Erziehungsauf- trag der Schule die Sexualerziehung als einen wichtigen und unverzichtbaren Teil der Gesamterziehung mit ein- schließt. Sexualerziehung ist in diesem Kontext ein fä- cherübergreifend zu unterrichtendes Thema, daher sind in jeder Schule Lehrerinnen und Lehrer aufgefordert, sich mit dieser Thematik zu beschäftigen. Sexuelle Gewalt und sexueller Missbrauch werden als thematische Aspekte der sexuellen Erziehung betrachtet. Die Schule soll vor allem Primärprävention durch Förde- rung der Ich-Stärke leisten. In Konfliktfällen hat die Schule außerdem eine Informationspflicht. Haben Lehre- rinnen und Lehrer den begründeten Verdacht, dass ein Kind oder eine Jugendliche bzw. ein Jugendlicher sexuell missbraucht wird, entsteht die Pflicht der Schule zur se- kundären Prävention, d.h. zur Nutzung professioneller Hilfe. Die Zusammenarbeit zwischen Schulen und bezirkli- chem Jugendamt im Kinderschutz erfolgt auf der Grund- lage des entsprechenden Handlungsleitfadens. Seit De- zember 2008 sind damit verbindliche Verfahrensregelun- gen in Fällen von Kindeswohlgefährdung erlassen wor- den. Darin eingeschlossen sind auch die Verfahren im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch. 8. Artikel 11, Grundsätze: Wie soll in Berlin ein Netz wirksamer Sozialprogramme und multidisziplinärer Strukturen, die den Opfern, ihren nahen Angehörigen und allen Personen, die für das Wohl der Opfer verantwortlich sind, die erforderliche Unterstützung gewähren, ausgebaut und erhalten werden? 9. Artikel 13, Beratungsangebote: Wie plant der Se- nat die Einrichtung von Informationsdiensten, etwa per Telefon oder Internet, zu fördern und zu unterstützen, welche die Ratsuchenden, gegebenenfalls vertraulich oder unter Wahrung ihrer Anonymität, beraten? 10. Artikel 14, Unterstützung der Betroffenen: Welche Konzepte hat der Senat, Betroffenen kurz- oder langfristig bei ihrer körperlichen und psychosozialen Genesung zu unterstützen? Wie wird sichergestellt, dass den Betroffe- nen nahestehende Personen gegebenenfalls therapeutische Unterstützung, insbesondere sofortige psychologische Hilfe, erhalten? Wie werden dabei nichtstaatliche Organi- sationen oder Teile der Zivilgesellschaft, die sich für die Unterstützung der Betroffenen einsetzen, einbezogen? Zu 8. - 10.: Im Rahmen des Netzwerk Kinderschutz sind geeignete Instrumente entwickelt worden, die den Anforderungen einer frühzeitigen niederschwelligen Be- ratung und Unterstützung gerecht werden. Zu nennen sind hier vor allem die Hotline Kinderschutz, die rund um die Uhr erreichbar ist, sowie die vom Land geförderten Kin- derschutzprojekte. Zusätzlich stehen die Kinder- und Jugendgesundheitsdienste (KJGD) der Bezirke für die gesundheitliche und medizinische Beratung zur Verfü- gung. Darüber hinaus haben Bund und Länder auf Empfeh- lung des Runden Tisches sexueller Kindesmissbrauch über eine Bundesinitiative die Hilfe für Betroffene sexuel- ler Gewalt in Heimen und im familiären Bereich instal- liert und aktuell ein ergänzendes Hilfesystem für Be- troffene sexueller Gewalt im institutionellen Bereich konzipiert. Letzteres soll ab dem 1.1.2015 über eine Ver- einbarung zwischen Bund und Ländern seine Arbeit auf- nehmen. Die Umsetzung dieser Vorhaben wird in enger Zusammenarbeit mit freien Trägern organisiert. Berlin, den 28. Oktober 2014 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Okt. 2014)