Drucksache 17 / 14 783 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Philipp Magalski und Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 14. Oktober 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Oktober 2014) und Antwort Struktur der Berliner Wasserbetriebe (BWB) nach der Rekommunalisierung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Sind alle Verträge, die im Zuge des Rückzugs von Veolia und RWE sowie der Neugründung und Einbin- dung der durch Vermögensgeschäft Nr. 17/2013 (Ds. 17/1275) als neue Beteiligungsgesellschaft in die Fußstap- fen der vorherigen privaten Gesellschafter getretenen BWB Rekom Berlin GmbH Co. KG in die Berlinwasser- Gruppe abgeschlossen wurden und an denen das Land Berlin als Anteilseigner beteiligt ist, offen gelegt? Wenn nein, welche wurden aus welchen Gründen nicht offen gelegt? 2. Wie verträgt sich die Nicht-Offenlegung aller Ver- träge mit der durch den Volksentscheid vom 13. Februar 2011 geforderte Offenlegung der Teilprivatisierungsver- träge bei den Berliner Wasserbetrieben (BWB)? Zu 1. und 2.: Alle Verträge sind offen gelegt. Unter http://www.berlin.de/sen/finanzen/vermoegen/downloads/ artikel.7166.php sind diese Verträge öffentlich einsehbar. 3. Wie hoch waren die Gewinnabführungen der BWB AöR an die BWB Rekom Berlin GmbH Co. KG, die die Kredittilgung gegenüber der IBB vollzieht, und an das Land Berlin in den Jahren 2012 und 2013, aufgesplittet nach Jahr und Adressat? Zu 3.: Die BWB AöR führt ihren Teilgewinn nicht di- rekt an die BWB Rekom ab. Die BWB AöR führt gemäß dem Vertrag über zwei stille Gesellschaften zwischen den Berliner Wasserbetrieben und der Berlinwasser Holding AG (StG-Vertrag II) einen Teilgewinn an die Berlinwas- ser Holding AG ab. Für 2012 waren dies 96,36 Mio. €, für 2013 waren dies 89,37 Mio. €. Die Berlinwasser Holding AG ihrerseits führte für 2012 88,25 Mio. €, für 2013 83,11 Mio. € an die Berlinwasser Beteiligungs GmbH (BBG, vormals RWE-Veolia Berlinwasser Beteiligungs GmbH (RVB)) ab. Die Jahresüberschüsse der BBG werden an die An- teilseigner (ehemals RWE und Veolia, nunmehr alleinig die BWB Rekom) abgeführt. Im Rumpfgeschäftsjahr 2012 (01.08.12-31.12.12) ver- einnahmte die BWB Rekom einen 50%igen Anteil der Teilgewinnabführung in Höhe von 23,6 Mio. € im Wege der Vorabausschüttung. Die anderen 50% standen Veolia zu. Erst durch die vollständige Rekommunalisierung im Dezember 2013 steht der BWB Rekom die volle Teilge- winnabführung zu, erstmals für das Geschäftsjahr 2013. Da die bisherige Praxis der Vorab-Gewinnausschüttungen mit dem Ausscheiden der Privaten aufgegeben wurde, werden die Jahresüberschüsse nunmehr erst im Folgejahr an die BWB Rekom ausgeschüttet. Das heißt, der aus- schüttungsfähige Bilanzgewinn des Jahres 2013 fließt der BWB Rekom erst im Jahr 2014 zu. Einen weiteren Teil der Teilgewinnabführung be- kommt die BWB Rekom in Form der Verzinsung der übernommenen Gesellschafterdarlehen. Diese Zinszah- lungen stellen ergebnismindernden Aufwand bei der BBG und einen ergebniserhöhenden Ertrag bei der Rekom dar. Für 2012 waren dies 2,2 Mio. € und für 2013 14,8 Mio. €. Der volle Zinsanspruch steht der BWB Rekom erstmals für das Jahr 2014 zu (ca. 27,4 Mio. €). Das Land Berlin selbst erhielt von den BWB AöR für das Jahr 2012 84,7 Mio. € und für das Jahr 2013 76,0 Mio. € an Gewinnabführung (nach Abzug von Kapitalertragsteuern ). 4. Welche Aufgaben nehmen die Beteiligungsgesell- schaft (Erwerbs- und Finanzierungsgesellschaft) BWB Rekom Berlin GmbH Co. KG und die BWB Rekom Ver- waltungs GmbH genau wahr? Welche Pflichten haben diese Gesellschaften und wo genau sind diese jeweils schriftlich fixiert? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 783 2 Zu 4.: Das Abgeordnetenhaus von Berlin hat mit Be- schluss vom 25.10.2012 der Gründung der Erwerbs- und Finanzierungsgesellschaft BWB Rekom Berlin GmbH Co. KG auf Grundlage des vorgelegten Gesellschaftsver- trags zugestimmt. Die Pflichten der Gesellschaft sind im Gesellschaftsvertrag geregelt. Nach § 2.1. des Gesellschaftsvertrags der BWB Re- kom Berlin GmbH Co. KG ist der Gegenstand des Unter- nehmens der Erwerb und die Verwaltung von unmittelba- ren und mittelbaren Beteiligungen an den Berliner Was- serbetrieben AöR. Die Gesellschaft verwaltet ausschließ- lich ihr eigenes Vermögen. Nach § 2.1. des Gesellschaftsvertrags der BWB Re- kom Verwaltungs GmbH ist der Gegenstand des Unter- nehmens die Beteiligung an und die Tätigkeit als persön- lich haftende Gesellschafterin für Kommanditgesellschaf- ten, die unmittelbare und mittelbare Beteiligungen an den Berliner Wasserbetrieben AöR halten. 5. Erwirtschaftete die BWB Rekom Berlin GmbH Co. KG Jahresüberschüsse in den Jahren 2012 und 2013? Wenn ja, wie hoch waren diese und was geschah mit ihnen? Zu 5.: Im Rumpfwirtschaftsjahr 2012 wurden 25,33 Mio. €, im Jahr 2013 wurden 4,56 Mio. € erwirtschaftet. Die Gewinne werden ausnahmslos für die Tilgung der Erwerbsfinanzierung verwendet und daher vollständig thesauriert. 6. Welche Kosten produzieren diese neuen Gesell- schaften BWB Rekom Berlin GmbH Co. KG und BWB Rekom Verwaltungs GmbH für Betrieb, Land und Was- serkunden. Wie rechtfertigt der Senat diese Kosten in Anbetracht des mehrfach öffentlich angekündigten Ver- sprechens, die Wasserpreise nachhaltig zu senken? Zu 6.: Bei der BWB Rekom Berlin GmbH & Co. KG fielen im Jahr 2012 Zinsaufwendungen für die Erwerbsfi- nanzierung bei der IBB (0,32 Mio. €) sowie sonstige betriebliche Aufwendungen (rd. 0,2 Mio. €) an. Im Geschäftsjahr 2013 sind 9,81 Mio. € Zinsen für die Erwerbsfinanzierung zu zahlen gewesen. Sonstige betriebliche Aufwendungen sind in Höhe von 0,4 Mio. € entstanden. Bei der BWB Rekom Verwaltungs GmbH fielen sons- tige betriebliche Aufwendungen in Höhe von rd. 5,2 T€ für 2012 und 1,7 T€ für 2013 an. An sonstigen betrieblichen Kosten sind für beide Ge- sellschaften damit bis Ende 2013 insgesamt rd. 0,6 Mio. € angefallen, was etwa rd. 0,05% des Transaktionsvolu- mens von 1,2 Mrd. € entspricht. Die Wasserpreise werden dadurch nicht beeinflusst, denn diese Kosten sind nicht Bestandteil der Wasser- preiskalkulation. 7. Welche steuerlichen Belastungen bzw. Abführun- gen fielen bei der Berlinwasser Beteiligungs GmbH (RVB), der BWB Rekom Berlin GmbH Co. KG und der BWB Rekom Verwaltungs GmbH in den Jahren 2012 und 2013 an? Zu 7.: Die BBG zahlte 12,13 Mio. € Ertragssteuern für das Jahr 2012 und 11,84 Mio. € Ertragssteuern für das Jahr 2013. Die BWB Rekom Verwaltungs GmbH sowie die BWB Rekom Berlin GmbH & Co. KG sind rein vermö- gensverwaltende Gesellschaften, deren einzige Aufgabe der Erwerb und die Verwaltung von Beteiligungen ist. Insofern entstehen keine Ertragssteuern auf dieser Ebene. 8. Wurde der Kredit, den die neugegründete landes- eigene Gesellschaft bei der IBB aufgenommen hat im Landeshaushalt abgebildet oder lediglich die vom Parla- ment beschlossene Bürgschaft? Wird dieser Kredit bzw. diese Bürgschaft dem Stabilitätsrat, der die Einhaltung der Schuldenbremse kontrolliert, gemeldet? Wenn nein, warum nicht? Zu 8.: Im Landeshaushalt werden entsprechend den haushaltsrechtlichen Vorschriften die Bürgschaften für die Erwerbsfinanzierung abgebildet. Der Stabilitätsrat stellt bis einschließlich 2019 keine Erhebungen zur Einhaltung der Schuldenbremse der Län- der an, denn diese gilt für die Länder erst ab 2020. Des- halb sind die Länder gegenwärtig nicht dazu verpflichtet, mit Blick auf die Schuldenbremse Meldungen an den Stabilitätsrat zu machen. Das gilt auch für Berlin. Als Empfänger von Konsolidierungshilfen ist Berlin allerdings verpflichtet, einmal jährlich nachzuweisen, dass das nach den Vorgaben der Konsolidierungshilfen- vereinbarung errechnete strukturelle Defizit die Linie nicht überschreitet, die das strukturelle Defizit des Aus- gangsjahres (2010: 2.012 Mio. €) mit der Zielgröße Null (zu erreichen 2020) verbindet. Im Zuge der dazu notwen- digen Berechnungen werden auch die Kreditaufnahmen sogenannter Extrahaushalte berücksichtigt. Weder die BWB Rekom noch die IBB sind Extrahaushalte. Die Kreditaufnahmen und Schuldenstände dieser Unterneh- men und die finanziellen Beziehungen zwischen ihnen sind für die Überprüfung Berlins im Rahmen der Gewäh- rung von Konsolidierungshilfen ohne Belang. Das Glei- che gilt für die durch das Land Berlin für einen Kredit der IBB an die BWB Rekom übernommene Bürgschaft. Bürgschaften sind Eventualverbindlichkeiten und werden zur Konsolidierungshilfengewährung nicht berichtet. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 783 3 9. Ergänzend zu den Antworten auf die Anfrage des Kollegen Claus-Brunner (Ds. 17/14493) frage ich, ob der Senat der Aussage des Berliner Wasserrats zustimmt, dass – obwohl das Abgeordnetenhaus von Berlin mit der Annahme des Vermögensgeschäfts Nr. 17/2013 beschlossen hat, „dass nach dem Erwerb des Geschäftsanteils von Veolia an der RWE-Veolia Berlinwasser Beteiligungs GmbH („RVB“) eine Neuorganisation der BerlinwasserGruppe und die Auflösung der konsortialvertraglichen Strukturen vorbereitet wird.“ - die von der Bevölkerung aufgegebene Aufgabe der Re-Kommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe bislang nicht vollständig abge- schlossen ist und vielmehr nach dem Rückkauf der Ge- schäftsanteile auf halber Strecke Halt gemacht wurde? 11. Wann werden die Neuorganisation der Berlinwas- ser-Gruppe und die Auflösung der konsortialvertraglichen Strukturen abgeschlossen sein, welche derzeit von den Berliner Wasserbetrieben (BWB) in Abstimmung mit dem Senat vorbereitet wird? Wann ist mit der Vorlage eines umfassenden Gesamtkonzepts hierfür zu rechnen? Zu 9. und 11.: Die Konzernstruktur der Berlinwasser- Gruppe soll weiterhin vereinfacht werden, nicht mehr benötigte Gesellschaften sollen aufgelöst oder verschmol- zen werden. Die Ermittlung der steuerrechtlich und be- triebswirtschaftlich optimierten Zielstruktur ist komplex, wobei eine Vielzahl steuer- bzw. handelsrechtlicher Ef- fekte und Wechselwirkungen, die teilweise als Einmal- und teilweise als Dauereffekte auftreten, zu berücksichti- gen sind. Aufgrund der Singularität der bei der Teilpriva- tisierung 1999 geschaffenen konsortialvertraglichen Strukturen existieren keine Präzedenzfälle für die Auflö- sung derartiger Konstrukte und die daraus resultierenden Steuerwirkungen. Es wird mit einem strukturellen Um- bauprozess gerechnet, der unter Umständen einen mittle- ren Zeitraum (etwa zwei Jahre) in Anspruch nehmen könnte. Derzeit sind die Berliner Wasserbetriebe (BWB) in Abstimmung mit dem Senat mit der Ausarbeitung eines diesbezüglichen Gesamtkonzepts befasst. Das Abgeordnetenhaus wird in die Entscheidungen über die endgültige Zielstruktur und dazu erforderliche Zwischenschritte bei der Umstrukturierung der Berlin- wasser-Gruppe eingebunden werden. Diese Phase des Umbaus der Berlinwasser Gruppe hat keinen Einfluss mehr auf die jetzt schon wahrzunehmende Verantwortung des Landes Berlin im Rahmen der kommunalen Daseins- vorsorge. 10. Stimmt der Senat zu, dass sich nach dem Ende der Privatisierung im Betrieb nichts geändert hat, also dass die Eigentümer, somit der Senat, vertraglich über private Gesellschaften, die zu 100% dem Land gehören, lediglich in die Position der ehemaligen privaten Eigentümer ein- gestiegen ist? Zu 10.: Mit dem Ausstieg der privaten Anteilseigner hat sich die Eigentümerstruktur der Berlinwasser-Gruppe grundlegend verändert. Das Land Berlin ist wieder allei- niger Eigentümer der Berlinwasser-Gruppe. Damit ist die Zielsetzung der Rekommunalisierung, nämlich die Kon- trolle der Berlinerinnen und Berliner über das Wasser zu erlangen, abgeschlossen. Das Land Berlin hat nach einem zähen Aushand- lungsprozess mit den privaten Investoren deren Anteile zu einem Kaufpreis von insgesamt 1, 2 Mrd. € im Vergleich zum seinerzeitigen Privatisierungsvolumen (1,7 Mrd. €) deutlich günstiger zurückgekauft. Diese Ausgangssituati- on hat es dem Land Berlin gestattet, Tarifsenkungen um- zusetzen und den Rückkauf gleichwohl innerhalb von 30 Jahren komplett zu refinanzieren. Berlin, den 06. November 2014 In Vertretung Dr. Margaretha Sudhof Senatsverwaltung für Finanzen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Nov. 2014)