Drucksache 17 / 14 791 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach (LINKE) vom 23. Oktober 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Oktober 2014) und Antwort Anerkennung der beruflichen Qualifikationen von Flüchtlingen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Flüchtlinge und Asylsuchende haben seit Inkrafttreten des Berufsqualifikationsfeststellungsge- setz des Bundes (BQFG Bund) im Jahr 2012 bei der Zent- rale Erstanlaufstelle Anerkennung (ZEA) in Berlin eine Beratung in Anspruch genommen (bitte getrennt nach Geschlechtern, Herkunftsländern und Jahren auflisten)? 2. Wie viele Flüchtlinge und Asylsuchende haben seit Inkrafttreten des Berliner Berufsqualifikationsgesetz (BQFG Berlin) im Februar 2014 bei der ZEA in Berlin eine Beratung in Anspruch genommen (bitte getrennt nach Geschlechtern, Herkunftsländern und Monaten auf- listen)? 3. Wie viele Flüchtlinge oder Asylsuchenden haben seit 2012 bei einer der weiteren Projektpartnern des IQ Netzwerkes in Berlin, Beratung und Unterstützung bei der Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Berufsquali- fikationen gesucht (bitte getrennt nach Geschlechtern, Herkunftsländern und Jahren auflisten)? 4. Wie viele Flüchtlinge und Asylsuchende haben einen Antrag auf Anerkennung der Gleichwertigkeit ihrer im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikation gestellt (bitte getrennt nach Geschlechtern, Herkunftsländern, Berufen und Jahren auflisten)? 5. In wie vielen Fällen scheiterte die Beantragung der Anerkennung der Gleichwertigkeit der im Ausland er- worbenen Berufsqualifikationen von Flüchtlingen und Asylsuchenden daran, dass die notwendigen Unterlagen (Zeugnisse, Qualifikationsnachweise, Arbeitsbescheini- gungen, etc.) nicht vorgelegt werden konnten (bitte ge- trennt nach Geschlechtern und Jahren auflisten)? 6. In wie vielen Fällen scheiterte die Beantragung der Anerkennung der Gleichwertigkeit der im Ausland er- worbenen Berufsqualifikationen von Flüchtlingen und Asylsuchenden daran, dass ihnen die finanziellen Mittel zur Übersetzung der notwendigen Unterlagen fehlten (bitte nach Geschlechtern und Jahren auflisten)? 7. In wie vielen dieser Fälle wurde die Gleichwertig- keit der im Ausland erworbenen Berufsqualifikation be- schieden (bitte getrennt nach Jahren, Geschlechtern, Beru- fen sowie vollständiger Anerkennung, teilweiser Aner- kennung und Ablehnung auflisten)? Zu 1.-7.: Eine große Zahl von Flüchtlingen und Asyl- suchenden hat seit Inkrafttreten des Berufsqualifikations- feststellungsgesetzes des Bundes (BQFG Bund) im Jahr 2012 und seit Inkrafttreten des Berliner Berufsqualifikati- onsgesetzes (BQFG Berlin) im Februar 2014 die Angebo- te des IQ Netzwerks Berlin (IQ = Integration durch Quali- fizierung) genutzt. Das betrifft die Beratung in der Zentra- len Erstanlaufstelle Anerkennung (ZEA), die Coaching- Projekte der Träger Club Dialog e.V., LIFE e.V.- Bil- dung, Umwelt, Chancengleichheit und Türkischer Bund in Berlin-Brandenburg e.V. (TBB) und alle weiteren An- gebote im Netzwerk. Die Angaben beziehen sich auf die ZEA und die Coaching-Projekte der Träger LIFE e.V. TBB e.V. und Club Dialog e.V. Die Dokumentation der Beratenen erfolgt nach den Vorgaben der Mittelgeber für das IQ Netzwerk Berlin (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Bundesmi- nisterium für Bildung und Forschung, Bundesagentur für Arbeit) bundesweit einheitlich. Da Flüchtlinge wie alle anderen Migrantinnen und Migranten Anträge auf Aner- kennung der Gleichwertigkeit ihrer beruflichen Qualifika- tionen stellen können, wird die Eigenschaft „Flüchtling“ als solche nicht dokumentiert. Erfasst werden die Aufent- haltstitel (Aufenthaltserlaubnis, Duldung und Aufent- haltsgestattung). Seit 01.01.2012 bis 31.03.2014 wurden insgesamt 3157 Ratsuchende in der Anerkennungsberatung des IQ Netzwerks Berlin beraten. Die Beratung wird bundesweit quartalsweise ausgewertet. Es ergeben sich in der Summe stets nur geringe Veränderungen im Quartal. Es liegen keine Daten dazu vor, wie viele Personen aus dem Kreis der Ratsuchenden als Flüchtlinge in die Bundesrepublik gekommen sind. Indikatoren dafür, dass die Zahl hoch ist, bestehen auf zwei Ebenen: Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 791 2 1. Das IQ Netzwerk Berlin ist eingebunden in die Strukturen, die in Berlin in hohem Maß Flüchtlin- ge beraten, und die Angebote des IQ Netzwerk Berlin sind diesen Institutionen bekannt. Das be- trifft die zu Frage 10 genannten Institutionen. Zahlreiche Personen werden von diesen Institutio- nen in die Beratungsangebote des IQ Netzwerk Berlin verwiesen. 2. Die Herkunftsländer der Beratenen bieten einen weiteren Indikator. Personen in der Beratung 2013 Personen in der Beratung 2014 Afghanistan: 5 Irak: 23 Iran: 45 Syrien: 47 Afghanistan: 8 Irak: 17 Iran: 42 Syrien: 81 Es ist anzunehmen, dass ein hoher Anteil dieser Personen Flüchtlinge sind. Gesonderte Angaben liegen für Personen mit einer Duldung und einer Aufenthaltsgestattung vor:  Beratungen in der Zentralen Erstanlaufstelle: Für 2012 gibt es keine Angaben zum Aufenthaltsstatus. 2013 Personen mit Aufenthalts- gestattung 7 Personen (davon männlich: 4, weiblich: 3) Herkunftsländer/Personen: Afghanistan: 2, Syrien: 2, Iran: 2, Palästina: 1 Personen mit Duldung 4 (davon männlich: 2, weiblich: 2) Herkunftsländer: Iran, Russland, Äthiopien, Kamerun 2014 Personen mit Aufenthalts- gestattung 7 (davon männlich: 5, weiblich: 2) Herkunftsländer/Personen: Iran: 2, Kolumbien: 2, Ägypten: 1, Palästina: 1, Syrien: 1 Personen mit Duldung 4 (alle männlich) Herkunftsländer: Syrien, Mazedonien, Iran, Bosnien  Beratungen der Coaching-Projekte (LIFE, TBB, Club Dialog) Für 2012 gibt es keine Angaben zum Aufenthaltsstatus 2013 Personen mit Aufenthalts- gestattung 14 (davon männlich: 3, weiblich: 11) Herkunftsländer/Personen: Russland: 8, Iran: 2, Pakistan: 1, Türkei: 1 Kenia: 1, Aserbaidschan: 1. Personen mit Duldung 13 (davon männlich: 5, weiblich: 8) Herkunftsländer/Personen: Russland: 8, Iran: 2, Bosnien: 1 Kenia: 1, Armenien: 1 2014 Personen mit Aufenthalts- gestattung 13 (davon: männlich: 10, weiblich: 3) Herkunftsländer: Syrien: 4, Palästina: 1,Tunesien: 2, Ägypten: 1, Türkei: 1, Georgien: 1, Kasachstan: 1, Russland: 2 Personen mit Duldung 7 (alle weiblich) Herkunftsländer/Personen: Russland: 3, Iran: 1, Kirgistan: 1, Afghanis- tan:1, Kamerun: 1 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 791 3 8. In wie vielen Fällen konnten Flüchtlinge und Asylsuchende , eine Anpassungsqualifizierung die zur Aner- kennung der Gleichwertigkeit ihrer Berufsqualifizierung notwendig gewesen wäre nicht durchführen, weil ihnen die dafür notwendigen finanziellen Mittel fehlten (bitte getrennt nach Geschlechtern, Berufen und Jahren auflis- ten)? Zu 8.: Es sind keine Fälle bekannt, in denen eine zur Anerkennung der Gleichwertigkeit der Berufsqualifizie- rung notwendige Anpassungsqualifizierung aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht möglich war. 10. Mit welchen Maßnahmen werden Flüchtlinge und Asylsuchende auf die gesetzlichen Möglichkeiten zur Anerkennung der Gleichwertigkeit ihrer Berufsabschlüsse sowie der Beratungsstrukturen des IQ Netzwerkes hinge- wiesen werden? Hält der Senat diese Maßnahmen für ausreichend? Wenn nein, welche weiteren Maßnahmen plant der Senat? Zu 10.: Die Öffentlichkeitsarbeit des IQ Netzwerks Berlin richtet sich an alle Personen, die eine Qualifikation im Ausland erworben haben. Die Zielgruppe wird über ein breites Spektrum von Institutionen an das Beratungs- angebot des IQ Netzwerks Berlin verwiesen: Jobcenter, Migrationsrat Berlin-Brandenburg, Sozialämter, Migrati- onsberatung für Erwachsene (MBE) sowie persönliche Empfehlung und Recherchen potentieller Antragstellerin- nen und Antragsteller im Internet. Flüchtlinge und Asyl- suchende werden zusätzlich informiert über das bridge - Berliner Netzwerk für Bleiberecht und Wohlfahrtsver- bände. 9. Sieht der Senat besondere Probleme die sich für Flüchtlinge im Rahmen des Anerkennungsprozesses der Gleichwertigkeit ihres Berufsabschlusses ergeben? Wenn ja, welche und mit welchen Maßnahmen plant der Senat sie zu beheben? 11. Welche Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung gibt es für Flüchtlinge und Asylsuchende im Rah- men des Anerkennungsprozesses der Gleichwertigkeit ihres Berufsabschlusses? Zu 9. und 11.: Flüchtlinge verfügen oft nicht über die erforderlichen Nachweise für das Anerkennungsverfah- ren. Aufgrund des Tatbestands einer Flucht haben sie auch weniger als Migrantinnen und Migranten mit ande- rem Status die Möglichkeit, entsprechende Unterlagen aus den Herkunftsländern zu beschaffen. Für solche Problem- lagen hat der Gesetzgeber den § 14 BQFG „Sonstige Verfahren zur Feststellung der Gleichwertigkeit bei feh- lenden Nachweisen“ geschaffen, der folgendes regelt: Kann eine Antragstellerin oder ein Antragsteller die für die Feststellung oder Bewertung der Gleichwertigkeit erforderlichen Nachweise aus nicht selbst zu vertretenden Gründen nicht oder nur teilweise vorlegen oder ist die Vorlage der entsprechenden Unterlagen mit einem unan- gemessenen zeitlichen und sachlichen Aufwand verbun- den, stellt die zuständige Stelle die für einen Vergleich mit der entsprechenden inländischen Berufsbildung maß- geblichen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fä- higkeiten der Antragstellerin oder des Antragstellers durch sonstige geeignete Verfahren fest. Sonstige geeig- nete Verfahren zur Ermittlung der beruflichen Fertigkei- ten, Kenntnisse und Fähigkeiten sind insbesondere Ar- beitsproben, Fachgespräche, praktische und theoretische Prüfungen sowie Gutachten von Sachverständigen. Diese Verfahren sind in der Praxis bislang nicht ausreichend erprobt, bzw. vorhanden. Es liegen allerdings bislang auch nur wenige Anträge nach § 14 BQFG vor. Derzeit werden die meisten potentiellen Antragstelle- rinnen und Antragsteller individuell aus Mitteln der Job- center und Arbeitsagenturen unterstützt, sofern das erfor- derlich ist. In Einzelfällen besteht die Möglichkeit, dass das Berliner Netzwerk für Bleiberecht bridge aus Mitteln des Bundes die Kosten übernimmt. Voraussichtlich wer- den ab 2015 zudem ebenfalls aus Mitteln des Bundes über das IQ Netzwerk Berlin individuelle Hilfen für Antrag- stellerinnen und Antragsteller genehmigt werden können. Berlin, den 11. November 2014 In Vertretung Barbara Loth Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Nov. 2014)