Drucksache 17 / 14 824 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Simon Weiß (PIRATEN) vom 27. Oktober 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Oktober 2014) und Antwort Ein Schritt vor, zwei zurück - Verzicht auf offene IT-Standards in den Berliner Finanz- ämtern? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Ist es zutreffend, dass die Senatsverwaltung für Fi- nanzen plant, auf den IT-Arbeitsplätzen in den Finanzäm- tern von OpenOffice auf proprietäre Software der Firma Microsoft umzusteigen? Zu 1.: Ja. Die frei verfügbare Software Open Office war im Zuständigkeitsbereich der Senatsverwaltung für Finanzen in den Finanzämtern eingesetzt. Open Office bzw. dessen Vorgängersoftware StarOffice wurde dort seit Jahren als alleinige Bürokommunikationssoftware genutzt. Maßgeblich für die Entscheidung, künftig Microsoft Office in den Finanzämtern einzusetzen, waren folgende Gründe: Die Berliner Steuerverwaltung setzt das Steuerfach- verfahren KONSENS ein. Das mit dem Vorhaben KON- SENS verfolgte Ziel besteht in der Beschaffung, arbeits- teiligen Entwicklung und Pflege sowie dem Einsatz ein- heitlicher Software für das Besteuerungsverfahren sowie für das Steuerstraf- und Bußgeldverfahren. Die Software wird grundsätzlich unter der Federführung eines Landes entwickelt und anschließend in allen Ländern eingesetzt. Neue Aufgaben müssen somit nur noch einmal realisiert werden. Mit dem Steuerfachverfahren KONSENS werden die Steuern festgesetzt, erhoben und vollstreckt. Die Textver- arbeitung ist integrierter Bestandteil des Steuerfachver- fahrens. Die rund jährlich 4,2 Mio Steuerbescheide wer- den nicht mit MS Word erstellt. Das automatisierte Steu- erfestsetzungs- und -erhebungsverfahren wird im Hochsi- cherheitsrechenzentrum des ITDZ Berlin (Datacenter) in eigener Hoheit als sogenanntes Housing betrieben. Regel- typisch werden die Steuerbescheide zentral versandt. Die Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürgern erfolgt über das mit sicheren Schnittstellen ausgestattete Verfah- ren ELSTER. Im Steuerfachverfahren KONSENS wird als Büro- kommunikationssoftware MS Office in 13 von 15 Bun- desländern eingesetzt. Das die Vordrucke programmie- rende Land stellt daher die Vorlagen und Textbausteine im MS Office-Format den anderen Bundesländern zur Verfügung. Die Umwandlung in Open Office führte im Land Berlin zu erheblichem personellem Aufwand. Zu- dem ging Arbeitszeit in den Finanzämtern durch nicht korrekte Konvertierung, die zu IT-Abstürzen führte, ver- loren. Auch soll in den Berliner Finanzämtern künftig MS Office zum Einsatz kommen, um den heutigen Ansprü- chen an Informationstechnik und Informationssicherheit vollumfänglich zu entsprechen und den Datenaustausch der Berliner Finanzämter mit der Senatsverwaltung für Finanzen sowie die Kommunikation mit anderen Berliner Behörden, anderen Bundesländern und Bürgern – der unter dem derzeitigen Programm Open Office 3.2.0 ein- geschränkt ist – zu gewährleisten. 2. Welche Kosten sind damit voraussichtlich verbun- den? Zu 2.: Zu den im Zusammenhang mit der Software- umstellung entstehenden Kosten können derzeit keine Angaben gemacht werden, da die Vertragsverhandlungen noch nicht abgeschlossen sind. 3. Ist es zutreffend, dass diese Maßnahme unter ande- rem mit Ansprüchen an die Informationssicherheit be- gründet wird, und wenn ja, auf welcher Grundlage beruht die entsprechende Einschätzung? Zu 3.: Ja. Die Informationssicherheit umfasst die drei Grund- werte der Verfügbarkeit, Integrität und Vertraulichkeit. Im Hinblick auf Verfügbarkeit und Integrität genügt ein fortgesetzter Einsatz von OpenOffice nicht den Anforde- rungen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 824 2 Der fortgesetzte Einsatz von OpenOffice führt zu ei- nem Risiko für unsere Betriebssicherheit. Die Berliner Steuerverwaltung ist in hohem Maße darauf angewiesen, dass die steuerlichen Fachverfahren unter anderem auch die Textverarbeitung mit Daten versorgt. Die anderen Bundesländer, von denen die Berliner Steuerverwaltung gemäß dem Verwaltungsabkommen KONSENS die steu- erlichen Fachverfahren übernimmt, programmieren nicht für OpenOffice, sondern nur für die Microsoft-Office. Entwicklungen bei den steuerlichen Verfahren werden in den entwickelnden Ländern nicht mit OpenOffice getes- tet. Das heißt, die Berliner Steuerverwaltung liefe Gefahr, dass bei Änderungen in den steuerlichen Fachverfahren die Beschäftigten in den Finanzämtern nicht mehr ord- nungsgemäß arbeiten können. 4. Ist es zutreffend, dass diese Maßnahme unter ande- rem mit der Vereinfachung des Datenaustausches mit anderen Behörden begründet wird, und wenn ja, wie ist dies mit den IT-Standards der Berliner Verwaltung zu vereinbaren, die für den Dokumentenaustausch die Ver- wendung des Open-Document-Standards vorsehen? Zu 4.: Der Datenaustausch der Berliner Finanzämter mit der Senatsverwaltung für Finanzen ist mit dem Ein- satz von OpenOffice eingeschränkt, zum Beispiel kann OpenOffice im Steuerfachverfahren Excel-Tabellen nicht öffnen. Daneben ist die Kommunikation mit anderen Berliner Behörden, anderen Bundesländern und Bürgern – unter dem derzeitigen Programm Open Office 3.2.0 - eingeschränkt. Der Einsatz von MS Office ist vor allem damit be- gründet, dass die Vordruckkataloge (zurzeit 4.000 Vor- drucke) im Rahmen des Steuerfachverfahrens KONSENS leichter übernommen werden können. Der Datenaustausch zwischen den Berliner Behörden wird von der Entscheidung nicht berührt. Der Datenaus- tausch mit anderen Stellen wird in aller Regel nicht über Office-Dokumente, sondern über andere Verfahren ge- währleistet. Dabei werden nur unter den Voraussetzungen der §§ 30 ff. Abgabenordnung steuerliche Einzelfalldaten übermittelt. 5. Mit welchen Stellen, mit denen die Berliner Fi- nanzämter regelmäßig kommunizieren, ist ein Dokumen- tenaustausch nach diesem Standard zur Zeit nicht mög- lich? Zu 5.: Siehe Ausführungen zu Punkt 4. 6. Ist bei einer geplanten Umstellung gewährleistet, dass die Berliner Finanzämter auch zukünftig Office- Dokumente gemäß den IT-Standards der Berliner Verwal- tung empfangen, versenden und bearbeiten können? Zu 6.: Ja. Berlin, den 06. November 2014 In Vertretung Dr. Margaretha Sudhof Senatsverwaltung für Finanzen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Nov. 2014)