Drucksache 17 / 14 842 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 27. Oktober 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Oktober 2014) und Antwort Datenbanken des Berliner Verfassungsschutzes (III) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Kann der Senat mit Sicherheit ausschließen, dass der Verfassungsschutz Berlin (Senatsverwaltung für Inne- res und Sport, Abteilung II) aktuell oder in der Vergan- genheit nicht wie der Niedersächsische Verfassungsschutz die Bewohner*innen von „Linke-Szeneobjekte“ im Zuge einer Meldedatenabklärung in seiner Amtsdatei, anderen Dateien oder Listen gespeichert hat? Zu 1.: Beim Berliner Verfassungsschutz sind keine Personen wegen ihrer Meldeanschrift in Wohnhäusern, die von Personen der politisch linksorientierten Szene bewohnt sind („Szeneobjekte“), gespeichert. Es werden nur Personen gespeichert, bei denen tatsächliche Anhalts- punkten für extremistische Bestrebungen vorliegen. 2. Kann der Senat mit Sicherheit ausschließen, dass der Berliner Verfassungsschutz aktuell oder in der Ver- gangenheit nicht wie der Niedersächsische Verfassungs- schutz die regelmäßigen Teilnehmer*innen an in extre- mistisch eingestuften Moscheen durchgeführten Freitags- gebeten in seiner Amtsdatei, anderen Dateien oder Listen gespeichert hat? Zu 2.: Beim Berliner Verfassungsschutz sind keine Personen allein wegen der Teilnahme an Freitagsgebeten gespeichert, sondern es liegen ausnahmslos weitere, indi- viduell zurechenbare Extremismusbezüge vor. Im Übri- gen beobachtet der Berliner Verfassungsschutz keine Moscheen, sondern Personenzusammenschlüsse, die in Moscheen extremistische Aktivitäten entfalten. 3. Kann der Senat mit Sicherheit ausschließen, dass der Berliner Verfassungsschutz aktuell oder in der Ver- gangenheit nicht wie der Niedersächsische Verfassungs- schutz die Teilnehmer*innen von Sitzblockaden gegen Neonazis etc. in seiner Amtsdatei, anderen Dateien oder Listen gespeichert hat? Zu 3.: Beim Berliner Verfassungsschutz sind keine Personen allein wegen der Teilnahme an Sitzblockaden gegen Extremistinnen und Extremisten gespeichert, son- dern nur, wenn aus anderen Zusammenhängen tatsächli- che Anhaltspunkte für eine Betätigung innerhalb extre- mistischer Personenzusammenschlüsse bestehen. 4. Welche gesetzlichen, organisatorischen und tech- nischen Rahmenbedingungen bestehen in Berlin, die verhindern sollen, dass der Berliner Verfassungsschutz nicht wie der Niedersächsische Verfassungsschutz eine illegale und ausufernde politische Datensammlung anlegt (vgl. Antwort auf Frage 6 in der Drucksache Nr. 17/14392)? Zu 4.: Ein Großteil der von der sog. „Task Force zur Überprüfung der Speicherung personenbezogener Daten durch den Niedersächsischen Verfassungsschutz“ beanstandeten Speicherungen beruhte darauf, dass gespeicher- te Minderjährige den vom Niedersächsischen Verfas- sungsschutzgesetz geforderten Gewaltbezug nicht aufwie- sen. Ein vergleichbares Problem kann in Berlin nicht auftreten, da das Berliner Verfassungsschutzgesetz in § 12 für die Speicherung Minderjähriger keine Einschränkung auf einen Gewaltbezug vorsieht. Gleichwohl sind beim Berliner Verfassungsschutz insgesamt nur elf Minderjäh- rige (rechtmäßig) gespeichert, während die „Task Force“ für den Niedersächsischen Verfassungsschutz von 197 zu Unrecht gespeicherten Minderjährigen ausging. Nach den für den Berliner Verfassungsschutz geltenden internen Richtlinien bedarf die Erstspeicherung einer Person der Zustimmung der jeweiligen Referatsleitung. Bereits dadurch wird sichergestellt, dass eine Speicherung nur dann erfolgt, wenn hinreichende tatsächliche Anhalts- punkte für die in § 5 Absatz 2 des Berliner Verfassungs- schutzgesetzes genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten bestehen. Zugleich wird der Speichergrund schriftlich dokumentiert und seine Überprüfung durch nachfolgende Kontrollen ermöglicht. Der Umfang der Speicherung richtet sich nach der Art der Betätigung, die eine Person in einer oder für eine als Beobachtungsobjekt vorab förm- lich festgelegten Gruppierung entfaltet. Die Einhaltung Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 842 2 der gesetzlichen Speichervorschriften wird regelmäßig im Rahmen der bestehenden internen Kontrollmechanismen überprüft und durch ein elektronisches Wiedervorlagesys- tem unterstützt. 5. Welche Software welcher Herstellerfirmen kommt beim Verfassungsschutz Berlin zur Vorgangsverwaltung sowie zur Fallbearbeitung zur Anwendung und was ist jeweils Zweck und Funktionalität der Software? Zu 5.: Der Berliner Verfassungsschutz verfügt nicht über eine elektronische Vorgangsverwaltung im Sinne eines Dokumentenmanagementsystems. Zur suchfähigen Erschließung des Aktenbestandes und zur strukturierten Speicherung der im Rahmen des gesetzlichen Beobach- tungsauftrages erhobenen Informationen betreibt der Berliner Verfassungsschutz eine Amtsdatenbank. Über Einzelheiten des Datenmodells hat der Senat den Aus- schuss für Verfassungsschutz des Abgeordnetenhauses bereits in geheimer Sitzung am 4. April 2014, an der der Fragesteller teilgenommen hat, informiert (siehe die Ant- wort auf Frage 2 der Schriftlichen Anfrage Nr. 17/13233 des Fragestellers vom 13. Februar 2014). Eine Veröffent- lichung der genauen Funktionalitäten der Software der Herstellerfirma würde Rückschlüsse auf die Arbeitsweise und die Fähigkeiten des Verfassungsschutzes zulassen, weshalb die Beantwortung auch dieser Frage in einer der nächsten Sitzungen des Ausschusses für Verfassungs- schutz in geheimer Sitzung erfolgen kann. 6. Hat der Verfassungsschutz Berlin personenbezo- gene Daten von besonders geschützten Berufsgruppen wie Journalist*innen, Rechtsanwält*innen, Pfarrer*innen/Pas- toren etc. gespeichert? Wenn, wie viele jeweils? (Bitte nach Berufsgruppe und Anzahl aufschlüsseln.) Zu 6.: Der Berliner Verfassungsschutz speichert keine Daten von Personen wegen ihrer Tätigkeit als Journalistin oder Journalist, Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt, Pfar- rerin oder Pfarrer. Wenn bei einer Person tatsächliche Anhaltspunkte für eine extremistische oder geheimdienst- liche Tätigkeit vorliegen, sammelt und speichert der Ber- liner Verfassungsschutz Informationen zu dieser Person – unabhängig von ihrer beruflichen Tätigkeit. Beim Berli- ner Verfassungsschutz erfolgt keine statistische Erfassung der gespeicherten Personen nach ihrer beruflichen Tätig- keit und ist auch nicht beabsichtigt. Bei „Journalisten“ handelt es sich im Übrigen nicht um eine feststehende oder geschützte Berufsbezeichnung. Die Abgrenzung zu gelegentlichen oder regelmäßigen Publikationen in szene- internen oder -externen Publikationsorganen ist daher schwer zu ziehen. Konkrete Zahlen zu den genannten Berufsgruppen, die im Rahmen der gesetzlichen Aufga- benerfüllung beobachtet werden, können aus den darge- stellten Gründen nicht genannt werden. 7. Werden aktuell Mitglieder des Abgeordnetenhau- ses von Berlin durch den Verfassungsschutz Berlin, deren persönliche Mitarbeiter*innen oder Fraktionsmitarbei- ter*innen oder überwacht? Wenn, ja wie viele und von welchen Fraktionen? (Bitte nach Personengruppe, Frakti- on und Anzahl aufschlüsseln.) Zu 7.: Es werden keine Mitglieder des Abgeordneten- hauses von Berlin durch den Verfassungsschutz Berlin beobachtet. Der Verfassungsschutz verfügt nicht über eine namentliche Übersicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Abgeordneten oder Fraktionen des Abge- ordnetenhauses. Berlin, den 07. November 2014 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Nov. 2014)