Drucksache 17 / 14 880 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 28. Oktober 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. November 2014) und Antwort Linksextremistische Gewalttaten – Wohnprojekte „Rigaer 94“ und „Köpi 137“ Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wer ist Eigentümer der „Rigaer 94“ und des „Köpi 137“ in Berlin? Zu 1.: Die aktuellen Eigentumsverhältnisse sind den jeweiligen Grundbuchauszügen zu entnehmen. Eine Ein- sichtnahme in das Grundbuch ist ohne Weiteres nicht möglich. Diejenige oder derjenige, die oder der ein be- rechtigtes Interesse darlegt, kann beim zuständigen Amts- gericht (Grundbuchamt) einen Antrag auf Einsicht in das Grundbuch stellen (§ 12 Grundbuchordnung). 2. Werden die sogenannten Wohnprojekte durch die Eigentümer geduldet oder liegen Räumungsbeschlüsse vor? Zu 2.: Der Polizei Berlin liegen zu beiden Objekten keine Räumungsersuchen vor. 3. Ist der Berliner Polizei bekannt, wie viele Menschen jeweils tatsächlich dort wohnen? Zu 3.: Valide Informationen zur Anzahl der tatsäch- lich dort wohnenden Personen liegen nicht vor. 4. Wie viele Menschen sind jeweils behördlich dort gemeldet – insbesondere Kinder und Jugendliche? Zu 4.: Im Berliner Melderegister sind mit Stand vom 13. November 2014 in der Rigaer Straße 94 in Friedrichs- hain-Kreuzberg insgesamt 38 Personen, davon vier min- derjährige Personen, und in der Köpenicker Straße 137 in Berlin-Mitte insgesamt 51 Personen, darunter keine min- derjährigen Personen, in alleiniger Wohnung oder Haupt- oder Nebenwohnung gemeldet. 5. Wurden von dort aus in der Vergangenheit Straftaten verübt oder gelten die „Rigaer 94“ sowie die „Köpi 137“ weiterhin als Rückzugsort nach Straftaten? Zu 5.: Im Zeitraum 2010 – 2014 wurden aus der Rigaer Straße 94 in Friedrichshain-Kreuzberg heraus fol- gende Straftaten bekannt: Anlässlich des Hoffestes der „Rigaer 94“ am 20. Juni 2010 kam es aus dem Objekt heraus zu zahlreichen Über- griffen auf Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte. Diese wurden mit Pyrotechnik und anderen Gegenständen be- worfen, gezielt mit Laserpointern geblendet sowie mit Reizgas besprüht. Eingeleitete Ermittlungsverfahren: viermal Verdacht der gefährlichen Körperverletzung, einmal Verdacht des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz. Anlässlich mehrerer Ruhestörungen am 30. Oktober 2011 wurde die Rigaer Straße durch Polizeikräfte aufge- sucht. Als sich die Beamtinnen und Beamten Zutritt zu dem Haus Rigaer Straße 94 verschaffen wollten, um dort nach eventuellen Tatverdächtigen zu suchen, wurden sie im Bereich der Eingangstür massiv mit Pfefferspray be- sprüht. Außerdem wurde aus dem Objekt heraus ein Poli- zeifahrzeug mit einem pyrotechnischen Gegenstand be- worfen. Eingeleitete Ermittlungsverfahren: einmal Verdacht der gefährlichen Körperverletzung, einmal Verdacht der Sachbeschädigung. Im Anschluss an eine Demonstration in Berlin- Friedrichshain versammelten sich am 29. Januar 2012 etwa 120 Personen in der sogenannten "Kadterschmiede" in der Rigaer Straße 94. Während eines Polizeieinsatzes trat während der polizeilichen Maßnahmen wiederholt eine Gruppe von etwa 20, teilweise vermummten, Perso- nen aus dem Hauseingang der Rigaer Straße 94. Unter anderem wurde ein Polizeifahrzeug durch einen Steinwurf beschädigt. Als die Polizeikräfte auf die Personengruppe zugingen, zog sich diese in das Gebäude zurück, schloss die Hauseingangstür und verstellte diese von innen mit Müllcontainern. Zwei Polizeibeamten wurden mittels Laserpointern gezielt in die Augen geleuchtet. Beim Ein- dringen in den Innenhof des Gebäudes wurden die Ein- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 880 2 satzkräfte gezielt mit Flaschen und Steinen beworfen. Auch wurden sie mit Reizgas und dem Inhalt aus Feuerlö- schern besprüht sowie mit unbekannten Flüssigkeiten begossen. Die Atemnot und Orientierungslosigkeit der Beamten wurde ausgenutzt, um gezielt mit einer Eisen- stange in Richtung ihrer Köpfe zu stoßen. 45 Polizeibe- amtinnen und Polizeibeamte wurden verletzt. Nach diesen Vorfällen überprüften Polizeibeamte das Haus Rigaer Straße 94. Ein Beschuldigter wurde in einer Wohnung des Hauses angetroffen, bei seiner Festnahme leistete er Widerstand. Eingeleitete Ermittlungsverfahren: einmal Verdacht des versuchten Mordes, einmal Verdacht der gefährlichen Körperverletzung, einmal Verdacht des besonders schwe- rer Falls des Landfriedensbruchs und einmal Verdacht des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Am 14. August 2013 wurden im Rahmen von Durch- suchungsmaßnahmen im Objekt Rigaer Straße 94 diverse sprengstoff- und waffenrechtlich relevante Gegenstände aufgefunden. Eingeleitete Ermittlungsverfahren: zwölfmal Verdacht des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz. Am 7. April 2014 wurden während einer Verkehrs- kontrolle in der Rigaer Straße die eingesetzten Polizeibe- amtinnen und Polizeibeamten von dem Dach der Rigaer Straße 94 aus mit mehreren, mit unbekannter Flüssigkeit gefüllten Ballons und Hühnereiern beworfen. Ein Dienst- Kraftfahrzeug wurde dabei getroffen. Als Täterinnen beziehungsweise Täter zu den Würfen konnten zwei un- bekannt gebliebene schwarz gekleidete und vermummte Personen beschrieben werden. Eingeleitete Ermittlungsverfahren: einmal Verdacht der gefährlichen Körperverletzung. Aufgrund der genannten Sachverhalte muss davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Rigaer Straße 94 um einen Tat- und Rückzugsort von/ nach begangenen Straftaten handelt. Im Zeitraum 2010 – 2014 wurden aus der Köpenicker Straße 137 in Mitte heraus folgende Straftaten bekannt: Am 3. April 2011 traten zwei Personen aus dem Ein- gang des Hauses der Köpenicker Straße137 und beleidig- ten am Ort befindliche Polizeibeamte. Eingeleitete Ermittlungsverfahren: einmal Verdacht der Beleidigung. Weitere Vorfälle, die eindeutig aus dem Objekt Köpe- nicker Straße 137 heraus begangen wurden, sind hier nicht bekannt. Es liegen auch keine belastbaren Erkennt- nisse vor, dass das Objekt nach zuvor begangenen Strafta- ten als Rückzugsort diente. 6. Erfüllt das Wohnprojekt die Brandschutzbestimmungen ? Zu 6.: Nach § 14 der Bauordnung für Berlin sind bau- liche Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind. Dies zu überwachen liegt in der Zuständig- keit der bezirklichen Bauaufsichtsbehörden. 7. Wie schätzt der Berliner Verfassungsschutz die Gewaltbereitschaft der dortigen Bewohner ein? Zu 7.: In den Hausprojekten Rigaer Straße 94 und Kö- penicker Straße 137 befinden sich Wohn- und Veranstal- tungsräume, in denen auch Linksextremistinnen und Linksextremisten verkehren, insbesondere aus der auto- nomen „Anarcho“-Szene. Die dortige Bewohnerschaft kann ebenso wenig als generell linksextremistisch be- zeichnet werden, wie eine pauschale Aussage zu ihrer Gewaltbereitschaft möglich ist. Der Verfassungsschutz Berlin beobachtet Personenzu- sammenschlüsse, die sich aus Teilen der Bewohnerinnen und Bewohner sowie Besucherinnen und Besucher, insbe- sondere des Objektes Rigaer Straße 94 zusammensetzen. Spätestens nach den einschlägigen Funden bei polizeili- chen Maßnahmen im letzten Jahr und wiederholten Aus- schreitungen im Umfeld des Hausprojekts ist von einer hohen Gewaltbereitschaft dieses Personenkreises auszu- gehen. Das Objekt Köpenicker Straße 137 ist dagegen stärker von subkulturellen Lebensstilen geprägt, der An- teil gewaltbereiter Linksextremistinnen und Linksextre- misten ist hier geringer. Polizeiliche Maßnahmen vor Ort führen dennoch fast reflexhaft zu gewalttätigen Reaktio- nen. Gewalt richtet sich aber nicht nur gegen die Polizei, sondern auch gegen neu Hinzugezogene und bauliche Veränderungen im Umfeld. Das räumliche Umfeld des Objektes Rigaer Straße 94 ebenso wie des Objektes Köpenicker Straße 137 wird von Teilen der linksextremistischen Szene als „autonomer Freiraum“ betrachtet, in dem rechtsstaatlichen Normen die Geltung abgesprochen wird. Ihre gewaltsame „Verteidigung “ gegen „Eindringlinge“ gilt ihnen als legitim. Dazu zählen neben der Polizei Berlin und Eigentümerin- nen und Eigentümern auch Neumieterinnen und Neumie- ter sowie Touristinnen und Touristen. Selbst Einrichtun- gen des Quartiersmanagements geraten in den Fokus der Szene. Die dabei entstehenden Drohkulissen sind gewollt und zielen auf Machtausübung in Teilen des öffentlichen Raums. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 880 3 8. Werden die dort lebende Kinder und Jugendlichen beschult? Zu 8.: Hierzu kann der Senat keine Aussage treffen. Berlin, den 19. November 2014 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Nov. 2014)