Drucksache 17 / 14 933 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Jasenka Villbrandt (GRÜNE) vom 11. November 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. November 2014) und Antwort Mobilitätshilfedienste in Berlin – chronisch gefährdet? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Arbeitsstellen existieren momentan in den einzelnen Mobilitätshilfediensten und wie viele davon werden über arbeitsmarktpolitische Förderinstrumente finanziert? Zu 1.: Nach einer Stichtagserhebung der Koordinati- onsstelle der Berliner Mobilitätshilfedienste vom 31. Juli 2014 waren in den 13 Diensten insgesamt 367 Teilneh- merinnen und Teilnehmer im Rahmen öffentlich geför- derter Beschäftigung tätig. Daneben wurde die Arbeit der Dienste von Personen aus ehrenamtlicher Tätigkeit und aus den Programmen Bundesfreiwilligendienst/ Freiwilli- ges soziales Jahr (zusammen 128 Personen) unterstützt. Über Zuwendungen des Landes Berlin werden regelhaft Personalkosten für 0,75 Stellen Projektleitung und je 1,0 Stelle Einsatzleitung und Mobilitätshelferin oder Mobi- litätshelfer finanziert. Darüber sind laut Zuwendungsan- trägen für 2014 insgesamt rund 70 Personen mit unter- schiedlichen Stellenanteilen in den Diensten tätig. 2. Welche arbeitsmarktpolitischen Instrumente sind das jeweils, welches Volumen (in Euro) und welchen Anteil an der Gesamtfinanzierung der Mobilitätshilfe- dienste haben sie? Zu 2.: Zum oben benannten Stichtag handelte es sich um die Maßnahmen Bürgerarbeit (185 Personen), Förderung von Arbeitsverhältnissen (FAV) (54 Personen) und Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsent- schädigung (AGH MAE) (128 Personen). Vom Bund bewilligte Bürgerarbeitsplätze und FAV werden ergänzend vom Land Berlin gefördert. Bei FAV übernimmt das Land 25 % der Personalkosten, das entspricht rd. 327 € pro Person. Bei der Bürgerarbeit gewährt der Bund 1.080 € pro Person und Monat und das Land Berlin erbringt eine ergänzende Personalkostenförderung, um den Berliner Mindestlohn i. H. v. 8,50 € pro Stunde einzuhalten. Dazu kommt landesseitig noch eine Sachkostenförderung mit durchschnittlich 140 € pro Teilnehmerin oder Teilnehmer und Monat. Das Förderinstrument AGH MAE wird ausschließlich von den regionalen Jobcentern finanziert. Die Teilnehmenden erhalten die Grundsicherung und eine Mehraufwandsentschädigung. 3. Welche zeitlichen Begrenzungen für die Förderun- gen und für die jeweiligen TeilnehmerInnen gibt es? Zu 3.: Das Bundesprogramm Bürgerarbeit, das eine dreijährige Förderung ermöglichte, endet am 31. Dezem- ber 2014 ersatzlos. Die Nutzung von Instrumenten der Beschäftigungsförderung des Bundes nach dem Zweiten Soziallgesetzbuch (SGB II) ist ebenfalls grundsätzlich befristet. Die Förderzeiträume für die nach Beschäfti- gungsförderungsinstrumenten des SGB II geförderten erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, wie z. B. bei FAV oder AGH MAE, legen ausschließlich die regionalen Jobcenter fest. Der Bewilligungszeitraum in den 13 Diensten variiert zwischen sechs Monaten und zwei Jah- ren. In wenigen Fällen wurden Bewilligungen von drei Wochen ausgesprochen. Nach der Instrumentenreform dürfen erwerbsfähige Leistungsberechtigte innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nicht länger als insge- samt 24 Monate gefördert werden. 4. Mit welchen Maßnahmen möchte der Senat die Finanzierung der Mobilitätshilfedienste nach Auslaufen der unter 1. und 2. genannten Programme (zum Beispiel Bürgerarbeit) sicherstellen? Zu 4.: Die Finanzierung von Overheadkosten (Perso- nalkosten s. Ziffer 1 sowie Sachkosten) über Zuwendun- gen ist durch den Rahmenfördervertrag des Integrierten Sozialprogrammes bis einschließlich 2015 gesichert. In den Verhandlungen zum neuen Rahmenfördervertrag ab 2016 werden unter anderem Art und Umfang des Ange- botes der Mobilitätshilfedienste erörtert. Die Mobilitäts- hilfedienste gehören zu den im gesamtstädtischen Interes- se liegenden Projekten und werden weiterhin im Rahmen der Möglichkeiten einer Beschäftigungsförderung vom Land Berlin unterstützt. Die für Arbeit und Soziales zu- ständigen Senatsverwaltungen setzen sich mit Nachdruck Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 933 2 bei der Regionaldirektion Berlin – Brandenburg und den Jobcentern dafür ein, dass bevorzugt Beschäftigungsmaß- nahmen für Projekte im gesamtstädtischen Interesse be- willigt und geeignete erwerbsfähige Leistungsberechtigte zugewiesen werden. Über die Beschäftigungsmaßnahmen hinaus werden weitere Möglichkeiten, die sich zum Beispiel durch das Inkrafttreten des Pflegestärkungsgesetzes ab 01. Januar 2015 ergeben könnten, geprüft. 5. Wie viele mobilitätseingeschränkte Menschen wurden in den letzten Jahren begleitet (je 2011, 2012 und 2013) und wie viele Einsatzpunkte wurden pro Jahr geleistet (jeder Einsatzpunkt entspricht einem Zeitintervall von bis zu 30 Minuten Begleitung)? Zu 5.: 2011* 2012 2013 Personen 4.975 4.989 4.948 Einsätze/ Ein- satzpunkte 286.679 922.000 779.270 * Für 2011 wurde noch die Zahl der Einsätze (1,5 Std. = ein Einsatz ) dokumentiert 6. Wie hoch wird der Bedarf der Mobilitätshilfedienste in Berlin für die Jahre 2016 und 2017 geschätzt? Welche Grundlage nimmt der Senat für diese Prognose? 7. Wie wird der Bedarf in Anbetracht des demografischen Wandels in näherer Zukunft eingeschätzt (zum Beispiel in 10, 15 und 20 Jahren)? Zu 6. und 7.: Der „Bevölkerungsprognose für Berlin und die Bezirke 2011 – 2013“ der für Stadtentwicklung zuständigen Senatsverwaltung aus Oktober 2012 ist zu entnehmen, dass es in der Altersgruppe der 65 - bis unter 80 - Jährigen in 2020 (2030) gegenüber dem Basisjahr 2011 einen Zuwachs von rund 3.000 Personen (2030: 74.000 Personen), in der Altersgruppe der 80 Jährigen (und älter) einen Zuwachs im gleichen Zeitraum von rd. 79.000 Personen (2030: 120.000 Personen) geben wird. Mit dem steigenden Anteil älterer Menschen an der Ge- samtbevölkerung steigt perspektivisch auch die Nachfrage nach altersgerechten Angeboten im Land Berlin. Insofern besteht die Notwendigkeit, das Angebot der Dienste nicht nur zu sichern sondern perspektivisch auszubauen. Eine genaue Bedarfsprognose ist jedoch nur schätzungsweise möglich 8. Inwieweit findet die Herstellung des in der UN-Be- hindertenkonvention festgeschrieben Rechtes auf Mobili- tät und Teilhabe Eingang in die Planung der Mobilitätshil- fedienste? Zu 8.: Aus der UN-Behindertenrechtskonvention las- sen sich keine direkten Ansprüche für die einzelne Person ableiten. Die finanzielle Förderung der Berliner Mobili- tätshilfedienste über Zuwendungen stellt eine freiwillige Leistung des Landes Berlin dar. Etwaige individuelle Bedarfe bzw. Ansprüche auf Teilhabeleistungen wären ggf. gegenüber dem jeweiligen Sozialleistungsträger geltend zu machen. 9. Wie soll in Zukunft der zusätzliche 13. Dienst dauerhaft finanziert werden? Zu 9.: Bis zum Ende der Förderperiode des aktuellen Rahmenfördervertrages (d. h. bis Ende 2015) wird der 13. Dienst weiter gefördert: Alle Dienste erhalten einen gleich hohen Sockelbetrag sowie einen variablen Aufsto- ckungsbetrag, der sich an den bezirklichen Strukturen (u. a. Gebietsfläche, Zahl älterer Menschen etc.) orientiert. Wie unter Ziffer 4. dargestellt, wird im Rahmen der Ver- tragsverhandlungen zu einem neuen Rahmenfördervertrag u. a. auch die abschließende Umsetzung des sogenannten 12er Modells erörtert. 10. Nach welchen Tarifvereinbarungen werden die MitarbeiterInnen und die ProjektleiterInnen der Mobilitätshilfedienste entlohnt? Wie sind diese eingestuft? Wann gab es die letzte Lohnanpassung? Zu 10.: Das fest angestellte Personal in den Diensten wird nach den (Haus-) Tarif-verträgen des jeweiligen Trägers bezahlt. Die Bewertung nach dem Tarifrecht für den öffentlichen Dienst sieht regelhaft eine Eingruppie- rung für Projektleitung vergleichbar der Entgeltgruppe 9, für Einsatzleitung der Entgeltgruppe 5 und für Mobilitäts- helferinnen und Mobilitätshelfer der Entgeltgruppe 2 vor. Im Rahmen der Zuwendungsgewährung wird die Einhal- tung des Besserstellungsverbots geprüft. Seit 2013 wer- den Mehrbedarfe aufgrund einer tariflichen Angleichung anteilig nach Maßgabe verfügbarer Mittel und vorliegen- der Anträge als Einmalzahlung über Zuwendungen finan- ziert. 11. Auf welche Unterstützung können die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen zurückgreifen, um eine qualitätsorientierte Arbeit leisten zu können? 12. Durch welche Maßnahmen kann die Qualität der zeitlich befristeten Tätigkeiten in den Mobilitätshilfe- diensten gesichert werden? Zu 11. und 12.: Der Qualitätsleitfaden bildet für alle als Mobilitätshelferinnen und Mobilitätshelfer eingesetz- ten Kräfte die verbindliche Grundlage für die Durchfüh- rung der Leistung. Darin werden u. a. Aufgaben, Anlei- tungen und Qualifizierungsmöglichkeiten der Mobilitäts- helferinnen und Mobilitätshelfer darstellt. Ein „Leitfaden für Mobilitätshilfe“ vermittelt einen ersten Überblick über das Tätigkeitsfeld, die Erwartungen und das Verhalten in dem Beschäftigungsfeld der Mobilitätshilfe. Während einer Einführungsschulung und einer reha- technischen Unterweisung lernen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter u. a. den Umgang mit dem Personenkreis und mit den Rollstühlen, sie werden eingewiesen in die Überwindung von Barrieren, in die Treppenhilfeleistung und lernen die Angebote technischer Hilfsmittel kennen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 933 3 Darüber hinaus wird in regelmäßigen Teamsitzungen die Möglichkeit eröffnet, organisatorische Fragen und Probleme mit den Klientinnen und Klienten zu erörtern. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten träger- und dienstabhängig unterschiedliche Fort- und Weiterbil- dungsangebote und werden durch die sozialpädagogisch ausgebildeten Projektleitungen der Dienste angeleitet und unterstützt. Alle Maßnahmen zielen auch darauf ab, die Integrati- onschancen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Beschäftigungsmaßnahmen in den ersten Arbeitsmarkt zu erhöhen. In der Maßnahme Bürgerarbeit bestand zudem die Möglichkeit, an Qualifizierungsmaßnahmen und am Jobcoaching teilzunehmen. Finanzielle Unterstützung erhalten die ehrenamtlich tätigen Kräfte durch eine Auf- wandsentschädigung. Berlin, den 28. November 2014 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Dez. 2014)