Drucksache 17 / 14 939 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN) vom 12. November 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. November 2014) und Antwort Unregelmäßigkeiten bei Ausschreibungen für Modulare Flüchtlingsunterkünfte Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Nach welchen Baugenehmigungsverfahren werden die modularen Flüchtlingsunterkünfte errichtet? Wird hierbei das vereinfachte Genehmigungsverfahren ange- wendet? Zu 1.: Für die modularen Flüchtlingsunterkünfte wer- den jeweils Zustimmungsverfahren gemäß § 76 Bauord- nung für Berlin (BauOBln) durchgeführt. 2. Entfallen dabei die Brandschutzauflagen und die Anforderungen der ENEV 2009, die in der dazugehörigen Ausschreibung verlangt wurden? Wenn ja, widerspricht die nachträgliche Veränderung des Ausschreibungsver- fahrens nicht den Bestimmungen für die Durchführung von Ausschreibungsverfahren, insbesondere den Punkten Verhandlungsverfahren ohne öffentliche Vergabebe- kanntmachung und der ausgeschriebenen Leistung? Zu 2.: Die Anforderungen der Verordnung über ener- giesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anla- gentechnik bei Gebäuden (Energieeinsparverordnung - EnEV) und die Brandschutzklasse F30 (Modulbauweise, feuerhemmend, einschließlich des Nachweises der Ver- wendbarkeit im Sinne des § 17 der BauO Bln) sind Be- standteil des Leistungsverzeichnisses und damit Grundla- ge des Vergabeverfahrens gewesen und sind nicht verän- dert worden. Es sind im Leistungsverzeichnis außerdem darüber hinausgehende Anforderungen an den Brand- schutz formuliert worden. Eine Brandschutzmeldeanlage wird nach Aufbau der Wohneinheiten installiert. 3. Wie hoch ist die beauftragte Gesamtsumme der Ausschreibung mit der Vergabe-Nr. 01/2014 und dem Submissionstermin 29.09.2014 bezogen auf die ausge- schriebenen zwölf Gebäude? 4. An welche bzw. wie viele Firmen wurden die Auf- träge zur Erstellung der Containeranlagen vergeben? 5. Wurden konkrete Aufstelltermine in den Aufträgen vertraglich mit den Lieferanten vereinbart? Wenn ja, welche genau und an welchen Aufstellorten? Wenn nein warum nicht? 6. Ist es geplant, die Container für modulare Unter- künfte seitens des Senates zu kaufen? Wenn ja, in wel- chen Umfang soll dies geschehen? 7. Ist es weiterhin geplant, Container anzumieten be- ziehungsweise bestehen bereits Mietverträge für modulare Unterkünfte? Wenn ja, seit wann und in welchem Umfang ist bzw. soll dies geschehen? Zu 3. bis 7.: Der Senat hat sich in seiner Sitzung am 09.09.2014 auf der Grundlage einer von der Senatsver- waltung für Gesundheit und Soziales vorgelegten Bespre- chungsunterlage eingehend mit der aktuellen Situation beim Zuzug von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern befasst. Im Hinblick auf die prognostizierten wachsenden Asylbewerberzahlen hat die Senatsverwaltung für Ge- sundheit und Soziales mit der Senatsverwaltung für Fi- nanzen einen Systemwechsel für die Bereitstellung zu- sätzlicher Unterbringungsmöglichkeiten als wirtschaftli- cherer Variante ermittelt. Danach ist zum einen vorgese- hen, zumindest den überwiegenden Anteil der Unterbrin- gungsplätze in geeigneten landeseigenen Bestandsimmo- bilien einzurichten. Dazu wird von der bisherigen Refi- nanzierungsvariante auf Investitionen im Bereich der Herrichtungskosten umgestellt und dies perspektivisch bei der Investitionsplanung berücksichtigt. Da diese Maß- nahme alleine nicht ausreichend wäre, um kurzfristig den Unterkunftsbedarf für alle in Berlin aufzunehmenden Flüchtlinge zu decken, wurde als ergänzende schneller zu realisierende Maßnahme beschlossen, in Abstimmung mit dem Liegenschaftsfonds Berlin auf landeseigenen Grund- stücken modulare Wohneinheiten aufzustellen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 939 2 Mit Schreiben vom 09.10.2014 zur Roten Nummer 1455 B hat die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales den Hauptausschuss des Berliner Abgeordneten- hauses mitgeteilt, dass für die Schaffung von 2.200 Plät- zen in modularen Flüchtlingsunterkünften ein geschätzter Betrag in Höhe von rund 42,65 Millionen Euro für Inves- titionen und Dienstleitungen benötigt wird. Nicht berück- sichtigt sind in dieser Kalkulation die Kosten für die Wie- derherstellung des Grundstücks nach Ende der Nutzung bzw. die Versetzung der modularen Unterkünfte; hierfür werden Kosten von rund 700.000 Euro pro Standort kal- kuliert. Die modularen Wohneinheiten werden vom Land Ber- lin, vertreten durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo), käuflich erworben. Den Zuschlag für die Lieferung der modularen Wohneinheiten haben drei Unternehmen erhalten; im Hinblick auf die laufenden Vertragsverhandlungen können diese Unter-nehmen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht alle benannt werden. Der Lieferant für das Grundstück Alfred-Randt-Straße ist das Container-Handelsbüro Peter Bonitz e. K.. Die Aufstell- termine sind Bestandteil der jeweiligen Verträge mit den Lieferanten. Bisher wurde der Vertrag für den Standort Alfred-Randt-Straße abgeschlossen. Dort wurden der 15.12.2014 und der 19.12.2014 als Termine für die schlüsselfertige Übergabe der beiden Gebäudekomplexe vereinbart. Die Kosten für die auf diesem Standort aufge- stellten modularen Wohneinheitenkosten sind zwar aus- verhandelt, können aber mit Blick auf weitere laufende Verhandlungsverfahren derzeit noch nicht veröffentlicht werden. Der Betrag wird in Raten ausgezahlt. Für das Objekt werden sich weitere Kosten (Erschließungskosten, Einbau der Brandschutzanlage etc.) ergeben, da die Bau- maßnahme noch nicht abgeschlossen ist. Zu den abschlie- ßenden Kosten können daher noch keine Angaben ge- macht werden. Für die übrigen Standorte kann die Gesamtsumme zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht benannt werden, da die nach Zuschlagserteilung begonnenen Vertragsver- handlungen noch nicht abgeschlossen sind. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es keine Mietver- träge für die Nutzung modularer Unterkünfte, jedoch wird bei etwaigen zukünftigen Planungen auch geprüft werden, ob sich die Anmietung als wirtschaftlichere Alternative zum Ankauf anbietet. Das dem Vergabeverfahren zu Grunde liegende Leis- tungsverzeichnis wurde der für die Dateneinstellung im Datenraum zuständige Stelle des Abgeordnetenhauses zugeleitet. 8. Inwiefern überprüft der Senat in Anbetracht der derzeitig bekannten Skandale die in diesem Sektor beauf- tragten Anbieter? Zu 8.: Im Rahmen der Vergabeverfahren sind die An- bieter gemäß § 6 Absatz 3 EG der Vergabebestimmungen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18/EG (VOB/A – EG) beim Gewerbezentralregister des Bundesamtes für Justiz nach § 150a Gewerbeordnung (GewO) und beim Korruptionsregister des Landes Berlin gemäß § 7 des Gesetzes zur Einrichtung und Führung eines Re- gisters über korruptionsauffällige Unternehmen in Berlin (Korruptionsregistergesetz - KRG) überprüft worden. Tatsachen, welche geeignet wären, die fachliche Eig- nung der für den Betrieb der modularen Flüchtlingsunter- künfte ausgewählten Betreiberinnen und Betreiber anzu- zweifeln, sind dem Senat nicht bekannt. 9. Warum wurden die Aufträge nicht auf mehrere verschiedene Anbieter verteilt? Zu 9.: Auf die Antwort zu 3. bis 7. wird verwiesen. 10. Welche Konsequenzen werden aus den Vorgän- gen der Flüchtlingsunterkunft Haarlemer Straße gezogen bzw. welche Maßnahmen werden ergriffen, um solches Desaster in Zukunft zu vermeiden? Zu 10.: Zur Gemeinschaftsunterkunft am Standort Haarlemer Straße hat der Senat in seiner Antwort vom 19.09.2014 auf die schriftliche Anfrage 17/14458 einge- hend Stellung genommen. Grundsätzlich ist das LAGeSo stets bemüht, die Erfahrungen bei der Lösung von Prob- lemen im Zusammenhang mit dem Betrieb von Gemein- schaftsunterkünften in die stetige Fortentwicklung des Qualitätsmanagements einfließen zu lassen. Darüber hinaus beabsichtigt die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, nach Kenntnisnahme des Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses die Beauftra- gung eines verwaltungsexternen Wirtschaftsprüfungsun- ternehmens, um eine unabhängige Untersuchung des Verwaltungsverfahrens beim LAGeSo in Zusammenhang mit der Akquise und dem Betrieb von Flüchtlingsunter- künften zu ermöglichen. Nach Auswertung des Prüfbe- richts wird über ggf. erforderliche Maßnahmen zur Opti- mierung des Verwaltungs-verfahrens im LAGeSo ent- schieden werden. 11. Inwieweit finden seitens des LaGeSo laufende Kontrollen statt, um die vorgeschriebenen Standards zu gewährleisten? Welche Konsequenzen müssen die Betrei- ber von Flüchtlingsunterkünften erwarten, sollten die vorgeschriebenen Standards über einen längeren Zeitraum nicht eingehalten werden können? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 939 3 Zu 11.: Das LAGeSo stellt im Rahmen des Qualitäts- managements schon bisher sicher, dass die Einhaltung der Qualitätsanforderungen in allen Unterkünften – einschließlich jener in Modulbauweise errichteten – regelmäßig , mindestens einmal jährlich, kontrolliert wird. Hierzu erfolgen sowohl Routinebegehungen als auch schwerpunktbezogene Begehungen (Teil-, Nach- oder Beschwerdebegehungen). Im Rahmen der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe, die sich unter der Leitung des für Soziales zuständigen Staatssekretärs am 03.11.2014 konstituiert hat und das Ziel verfolgt, eine konzeptionelle Neuausrichtung bei der Aufnahme von Flüchtlingen in Berlin auszugestalten, werden die thematischen Schwerpunkte „Wohnen“, „Bildung “, „Gesundheit“ sowie „Integration und Arbeit“ behandelt. Im Zusammenhang mit dem Arbeitsfeld Woh- nen/Unterbringung ist unter anderem auch beabsichtigt zu prüfen, ob und ggf. in welcher Weise das beim LAGeSo praktizierte Qualitätsmanagement quantitativ und/oder qualitativ ausgeweitet werden kann, und welche zusätzli- chen Ressourcen dafür benötigt werden. Berlin, den 02. Dezember 2014 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Dez. 2014)