Drucksache 17 / 14 941 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 11. November 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. November 2014) und Antwort Speicherung Personengebundener Hinweise (PHW) (IV): „Ansteckungsgefahr“ und „geisteskrank“ Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wurde bereits schon einmal in einem Gremium wie der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Landeskrimi- nalämter mit dem Bundeskriminalamt (AG Kripo), der Projektgruppe INPOL-Fachlichkeit, dem Unterausschuss Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung (UA FEK) oder einem anderen Gremium der Innenminister- konferenz diskutiert, ob der personengebundene Hinweis PHW „geisteskrank“ (GEKR) begrifflich neu bezeichnet werden sollte? Wenn ja, warum und mit welchem Ergeb- nis? Welche Position vertritt/vertrat der Berliner Senat dabei? Zu 1.: In der für das Informationssystem der Polizei (INPOL) fachlich zuständigen Kommission INPOL- Fachlichkeit (KINF) wurde das Thema in der letzten Sitzung am 10./11. November 2014 erörtert. Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport hat der Ständigen Konferenz der Innenminister und Innensenato- ren der Länder (IMK) für die Konferenz am 11. und 12. Dezember 2014 einen Beschlussvorschlag zur Überprü- fung der Personenbezogenen Hinweise (PHW) „Ansteckungsgefahr “ und „geisteskrank“ unterbreitet. Ziel dieses Vorschlages ist die Überprüfung der Zweckmäßigkeit der verwendeten Begriffe und die Klärung der Möglichkeit, ob sie durch Formulierungen ersetzt werden können, die eine eventuelle Stigmatisierung ausschließen. Vorbehaltlich eines entsprechenden Beschlusses soll ein Ergebnis der zu beauftragenden KINF der Arbeitsge- meinschaft der Leiter der Landeskriminalämter mit dem Bundeskriminalamt (AG Kripo) bis zum Frühjahr 2015 vorliegen. 2. Teilt der Senat die Auffassung, dass die Informati- on über eine nachweisliche „Geisteskrankheit“ im engeren Sinne für die Lagebeurteilung erheblich informativer ist, als der Hinweis auf eine „psychische Erkrankung“? Wenn ja, warum? Zu 2.: Der Begriff „geisteskrank“ ist nach Auffassung des Senats veraltet und der Hinweis auf eine „psychische Erkrankung“ erscheint zu unspezifisch, um den Zweck der Vergabe (Vermeidung der Selbst- bzw. Fremdgefähr- dung) zu erreichen. Die Zweckmäßigkeit und auch An- gemessenheit der Begrifflichkeiten sollen daher durch die KINF überprüft werden. 3. Wurden die Vergabekriterien und die Vergabepra- xis des PHW „Ansteckungsgefahr“ (ANST) seit der oben genannten Befassung der Bund-Länder-Projektgruppe zur bundeseinheitlichen Erfassung und Nutzung von PHW, seitdem regelmäßig durch das Robert-Koch-Institut ge- prüft, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse etc. in die Vergabekriterien einfließen zu lassen? Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis jeweils? Zu 3.: Nach Abstimmung der Kommission INPOL- Fachlichkeit (KINF) mit dem Robert-Koch-Institut (RKI) werden die für die Vergabe des PHW relevanten Krank- heiten jährlich auf unheilbare Krankheiten überprüft und ggf. aktualisiert. 4. Woran orientiert sich ist die Laufzeit des PHW „Ansteckungsgefahr“ und an welchen Kriterien (Un- )Heilbarkeit oder Ansteckungsgefahr) und warum? Zu 4.: Auf Empfehlung des RKI erfolgte eine Ein- grenzung auf die Möglichkeit der Infektion mit einer als unheilbar geltenden Krankheit. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 941 2 Die Laufzeit des PHW „Ansteckungsgefahr“ richtet sich nach den Regelungen der nach § 48 Abs. 4 des All- gemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG Berlin) erlassenen Verordnung über Prüffristen bei poli- zeilicher Datenspeicherung (Prüffristenverordnung). 5. In der Sitzung des Innenausschusses am 13. Okto- ber 2014 führte Polizeipräsident Klaus Kandt aus, dass mit anderen Bundesländern und dem Bund vereinbart worden sei, dass für den PHW „Ansteckungsgefahr“ nur nicht heilbare Krankheiten registriert würden (vgl. In- haltsprotokoll 17/52vom 13. Oktober 2014, S. 12f). Wel- chen medizinischen Kenntnisstand hat der Senat bezüg- lich der grundsätzlichen Heilbarkeit der Infektionskrank- heiten Hepatitis B und C bei richtiger Behandlung? Zu 5.: Für den Senat besteht kein Anlass, Möglichkei- ten der Heilbarkeit von Hepatitis B und C zu bewerten. Die jährlich mit dem RKI erfolgende Überprüfung stellt eine Aktualisierung des Kenntnisstandes sicher. 6. Die Infektionskrankheiten Hepatitis B und C sind bei richtiger Behandlung nicht ansteckend und grundsätz- lich heilbar. HIV ist unter wirksamer Therapie zwar noch nicht heilbar, aber nicht ansteckend. Wie wird dem medi- zinischen Fortschritt bei Vergabekriterien, Vergabepraxis und Laufzeit beim PHW „Ansteckungsgefahr“ Rechnung getragen? Zu 6.: Die Bewertung des Infektionsrisikos und der Heilbarkeit obliegt Infektologen. Die jährliche Überprü- fung der in Betracht kommenden Krankheiten mit dem RKI sichert die Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts. 7. Wie wird gewährleistet, dass in die Vergabekrite- rien, der Vergabepraxis und der Laufzeit des PHW „Ansteckungsgefahr “ fortwährend neue Erkenntnisse über medizinische Entwicklungen einfließen, damit dieser polizeiinterne Warnhinweis nicht dazu führt, dass (fal- sche) Ängste bei Polizist*innen nachhaltig geschürt, der Stigmatisierung und Diskriminierung von Erkrankten Vorschub geleistet und gesellschaftliche Vorurteile inner- halb polizeilicher Strukturen verfestigt werden? Zu 7.: Siehe Antwort zu Frage 6. 8. Inwiefern werden Berliner Polizeikräfte in der Aus- und Fortbildung über Infektionskrankheiten aufge- klärt, um zu einem größeren Verständnis und Wissen zu Übertragungswegen und einem Leben mit Infektions- krankheiten zu gelangen, um im Polizeialltag vorurteils- frei und medizinisch angemessen reagieren zu können? Zu 8.: Grundsätzlich werden alle neu eingestellten Po- lizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten des mittleren und gehobenen Dienstes sowie die Polizeiange- stellten im Objektschutz seitens des Sanitätseinsatzdiens- tes der Polizei Berlin zu Ersthelferinnen und Ersthelfern ausgebildet. Im Rahmen dieses zweitägigen Lehrganges werden den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Thematik der Infektionskrankheiten nebst Erkennungsmerkmalen und Symptomen sowie Präventions- und Schutzmaßnahmen vermittelt. Darüber hinaus werden im Zuge dieser Ausbil- dungsmaßnahmen die Verfahrensabläufe der Postexposi- tionsprophylaxe (PEP) nach einer potentiellen Infektion unterrichtet. Der Sanitätseinsatzdienst dient gerade in Fällen eines potentiell infektiösen Kontaktes einer Beam- tin oder eines Beamten als Informationsquelle zu der weiteren Verfahrensweise. Infektionskrankheiten werden zudem in diversen wei- terführenden Aus- und Fortbildungsveranstaltungen des Sanitätseinsatzdienstes thematisiert. Hierbei handelt es sich insbesondere um die Ausbildung zur Einsatz – und Rettungssanitäterin bzw. zum Einsatz – und Rettungssanitäter . Gesonderte Fortbildungen nach dem Infektions- schutzgesetzes (IfSG) erhalten die Polizeiangestellten im Gefangenenbewachungsdienst. Außerdem bildet der Polizeiärztliche Dienst eine ge- wisse Anzahl an Pandemiehelferinnen und Pandemiehel- fern aus. In diesem Lehrgang ist die in Rede stehende Thematik obligatorischer Schwerpunkt. Zudem sind behördenintern im internen Polizeinetz Intrapol für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei Berlin diverse Informationsblätter zu unterschied- lichen Infektionskrankheiten vom Leiter des Polizeiärztli- chen Dienstes autorisiert und eingestellt worden. Darin werden unter anderem entsprechende Verhaltens- und Schutzmaßnahmen empfohlen. Hierunter finden sich unter anderem Merkblätter zu den Themen • Hepatitis • Humane Immundefizienz-Virus (HIV/Aids) • Tuberkulose • Ebola – Verdachtsfall. Darüber hinaus werden die Berliner Polizeikräfte im Rahmen des nach Zielgruppen abgestuften Einsatztrai- nings mit Maßnahmen bzw. Möglichkeiten der Eigensi- cherung vertraut gemacht. Hierzu gehören auch Hinweise zur Vermeidung von Gesundheitsrisiken. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 941 3 9. Wird in jedem Fall zu jedem vergebenen PHW „Ansteckungsgefahr“ im Datenfeld „Sondervermerke“ gespeichert, woher die Information der Erkrankung stammt? a. Handelt es sich dabei um ein Freitext- oder um ein Katalogfeld? b. Ist dieses Feld statistisch auswertbar? Wenn ja, woher stammen die Informationen der in POLIKS vergebenen PHW „Ansteckungsgefahr“? (Bitte nach Herkunftsart aufschlüsseln.) c. Falls es sich um ein Freitextfeld handelt, die Ein- gabe wie vieler Zeichen ist möglich? Zu 9.: Die Herkunft der Information zur Erkrankung ist in dem ergänzenden Datenfeld „Erläuterungen zum Hinweis“ zu erfassen. Hierzu wird die Nutzerin bzw. der Nutzer mittels Hinweisdialog aufgefordert, den er jeweils aktiv bestätigen muss. Zu 9 a: Es handelt sich um ein Fließtextfeld. Zu 9 b: Da es sich um ein Fließtextfeld handelt, muss die Auswertung durch eine manuelle Sichtung und Sortie- rung der Rechercheergebnisse erfolgen. Die Informationen über das Vorliegen einer relevanten Infektionskrankheit stammen zum ganz überwiegenden Teil von den Betroffenen selbst. In wenigen Einzelfällen stammen die Informationen von Ärztinnen und Ärzten bzw. aus ärztlichen Unterlagen oder einer Justizvollzugs- anstalt. Zu 9 c: Das Fließtextfeld fasst 2.000 Zeichen. 10. Welche zusätzlichen Informationen werden zum PHW „Ansteckungsgefahr“ im Datenfeld „Sondervermerk “ gespeichert? Zu 10.: Im Datenfeld „Erläuterungen zum Hinweis“ wird per Scripting ein mit dem RKI abgestimmter Hin- weistext eingefügt, der Hinweise zur Minimierung des Infektionsrisikos (bspw. Vermeidung Blutkontakt) und Maßnahmen nach Blutkontakt beinhaltet. Berlin, den 25. November 2014 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Dez. 2014)