Drucksache 17 / 14 956 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Turgut Altug (GRÜNE) vom 17. November 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. November 2014) und Antwort Lichtverschmutzung in Berlin – Störung von Mensch und Natur I Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele sog. „Sky-Beamer“ in Berlin sind dem Senat bekannt? Bitte Standort angeben. Antwort zu 1: Zur Beantwortung dieser schriftlichen Anfrage wurden die Bauaufsichtsbehörden der Bezirks- ämter von Berlin um Stellungnahme gebeten. Es gingen 11 Stellungnahmen ein. Nur bei wenigen Bezirksämtern von Berlin ist die Installation von Sky-Beamern bekannt. Im Bezirk Mitte gibt es aus der Bauberatung bekannte Anfragen zu dem Thema für die Leipziger Straße. Außer- dem hat es, soweit es dem Stadtentwicklungsamt bekannt ist, temporäre Anlagen während des „Festival of Lights“ gegeben. Im Fachbereich Bauaufsicht des Bezirksamtes Tem- pelhof-Schöneberg von Berlin sind keine Sky-Beamer bekannt. Weder liegen Beschwerden oder andere Hin- weise zu solchen Anlagen vor, noch gibt es im Fachver- fahren elektronische Baugenehmigung entsprechende Vorgänge. Einzig bekannt ist eine Anfrage zur Genehmi- gungspflicht eines solchen Gerätes für einen Tag (06.12.2013) im Zusammenhang mit einer Veranstaltung in der „Urania“. Hier wurde die Auskunft gegeben, dass es sich um eine verfahrensfreie Werbeanlage an der Stätte der Leistung handelt. Im Bezirk Treptow-Köpenick befindet sich in Adlers- hof seit ca. 15 Jahren ein grüner Laserstrahl, der ausge- hend vom Dach des „Gründerzentrums“ (IGZ), Rudower Chaussee Nr. 29, über der Rudower Chaussee bis zum Giebel des Gebäudes Dörpfeldstr. Nr. 2 verläuft. Diesen Laserstrahl hat der Fachbereich Bau- und Wohnungsauf- sicht allerdings nicht unter die Werbeanlagen und damit nicht zu den genehmigungspflichtigen baulichen Anlagen gezählt. Der Fachbereich Bau- und Wohnungsaufsicht des Be- zirksamts Reinickendorf von Berlin hat nur einmal auf- grund von Beschwerden (Oraniendamm Nr. 6 - 10 / Za- bel-Krüger-Damm in Berlin-Waidmannslust) die Benut- zung aufgrund von planungsrechtlichen Vorschriften gemäß § 7 Nr. 5 Bauordnung für Berlin 1958 (BO`58) bzw. § 15 Baunutzungsverordnung (BauNVO) untersagt, da das Grundstück nach dem Baunutzungsplan im be- schränkten Arbeitsgebiet mit angrenzendem allgemeinen Wohngebiet lag und die Lichtstrahlen zur Blendwirkung führten, so dass sich die Anwohnerinnen und Anwohner massiv belästigt fühlten. Frage 2: Auf welcher Rechtsgrundlage sind die jewei- ligen Anlagen genehmigt worden? Welche dieser Anlagen sind gegenwärtig nicht genehmigt, obwohl sie nach Auf- fassung des Senats genehmigungspflichtig sind? Antwort zu 2: In keinem der 11 Fachbereiche für Bau- und Wohnungsaufsicht, die auf das Stellungnahmeersu- chen geantwortet haben, wurden Sky-Beamer bauord- nungsrechtlich genehmigt. Auch Bauanträge für Sky- Beamer liegen nicht vor. Aus immissionsschutzrechticher Sicht sind Sky-Beamer als nicht genehmigungsbedürftige Anlagen im Sinne des § 22 Absatz 1 des Bundes-Immis- sionsschutzgesetzes (BImSchG) zu betrachten, so dass ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren nicht stattfindet. Frage 3: Welche Rechtsvorschriften (insbesondere Immissionsschutzrecht, Bauordnungsrecht, Bauplanungs- recht, Naturschutzrecht [Artenschutz, Eingriffsregelung], Straßenrecht) sind aus Sicht des Senats beim dauerhaften oder vorübergehenden Betrieb dieser Anlagen zu beach- ten? Antwort zu 3: Gemäß den Entscheidungshilfen der Bauaufsicht sind Himmelsstrahler und sogenannte Sky- Beamer aus einem Gerät bzw. einer Maschine und einem Lichtstrahl bestehende Werbeanlagen i.S. des § 10 Absatz 1 Bauordnung für Berlin (BauO Bln). Eine Qualifikation als bauliche Anlage wird nicht immer möglich sein. Je- doch wird es sich in aller Regel um eine ortsfeste Ein- richtung handeln, die vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar ist. Es handelt sich um Fremdwerbung, denn auf Grund des in die Umgebung wirkenden Lichtstrahls ist die Verbindung zur „Stätte der Leistung" nicht mehr gegeben . Die für Werbeanlagen geltenden Vorschriften der Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 956 2 Bauordnung sind also anzuwenden. Weiter fallen Him- melsstrahler und Sky-Beamer unter den bauplanungs- rechtlichen Anlagenbegriff. Es sind bauliche Anlagen im Sinne des § 29 Baugesetzbuch (BauGB). Ihre Zulässigkeit richtet sich somit nach den §§ 30 - 37 BauGB. Eine in den Außenbereich strahlende Anlage kann unzulässig sein, wenn sie öffentliche Belange nach § 35 Absatz 3 BauGB beeinträchtigt. Das nachbarschaftliche Rücksichtnahme- gebot ist zu beachten. Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens ist das aufgedrängte Recht zu prüfen: Denkmalschutzrecht, Naturschutzrecht (§§ 14 und 15 Berliner Naturschutzgesetz (NatSchG Bln); Eingriff in Natur und Landschaft), Fern- straßenrecht, Eisenbahnrecht, Luftverkehrsrecht und so- wie über das Rücksichtnahmegebot das Immissions- schutzrecht. Sky-Beamer unterliegen als nicht genehmigungsbe- dürftige Anlagen im Sinne des Bundes-Immissions- schutzgesetzes den §§ 22 ff BImSchG. Nach § 22 Absatz 1 BImSchG sind Anlagen so zu errichten und zu betrei- ben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen sind auf ein Mindestmaß zu be- schränken. Sollte es durch Sky-Beamer zu schädliche Umwelteinwirkungen durch die Lichtimmissionen kom- men, kann durch die zuständige Behörde dagegen einge- schritten werden. Rechtsgrundlage sind die §§ 24 und 25 BImSchG. Das Artenschutzrecht ist betroffen, da europarechtlich zu schützende Zugvögel erheblich beeinträchtigt werden können (Tötungs-, Verletzungs- und Störungsverbote in § 44 Absatz 1 Bundesnaturschutzgesetz). Die durch den Betrieb eines Sky-Beamers verursachte Lichtimmission wird nicht von der naturschutzrechtlichen Eingriffsrege- lung erfasst. Frage 4: Welche behördlichen Empfehlungen und Hinweise zum Betrieb solcher Anlagen wurden und wer- den Betreibern erteilt? Antwort zu 4: Im Rahmen der Bauberatung wird auf die oben genannten Ausführungen der Entscheidungshil- fen verwiesen und die zu beteiligenden Fachämter be- nannt. Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin teilt mit, dass in einer schriftlichen Auskunft zu einer Anfrage bezüglich eines Sky-Beamers ein Hinweis über die zulässige mittlere Beleuchtungsstärke im Kerngebiet, unterschieden zwischen Tag- (15 lux) und Nachtzeit (5 lux) gegeben wurde. Frage 5: Wie gewichtet der Senat die Auswirkungen von Lichtimmissionen im Allgemeinen und von himmel- wärts gerichteten Scheinwerfern im Besonderen auf Natur und Umwelt (z.B. Vögel und nachtaktive Insekten) sowie die Lebensqualität des Menschen (z.B. Gefahr von Schlafstörungen)? Antwort zu 5: Aus der Sicht des umweltbezogenen Gesundheitsschutzes kann eine längerdauernde abendli- che oder nächtliche Lichtexposition beim Menschen zu Schlafstörungen und zu einer Unterdrückung des Boten- stoffs Melatonin führen. Die Melatonin-Produktion ist in der Dunkelphase normalerweise hoch. Tierversuche ha- ben deutliche Hinweise darauf geliefert, dass die Unter- drückung des Melatonins eine wichtige Rolle bei der Entwicklung chronischer Krankheiten spielt. Aus arten- und naturschutzrechtlicher Sicht ist zu be- achten, dass die Auswirkungen von Sky-Beamern auf Zugvögel erheblich sein können, wie mehrfach durch Untersuchungen nachgewiesen wurde: Die Vögel werden gegebenenfalls von ihrer Zugrichtung abgelenkt, werden quasi vom Lichtstrahl „gefangen“, fangen an zu kreisen, nähern sich der Lichtquelle und können mit anderen Hin- dernissen kollidieren, wodurch Verbotstatbestände des Bundesnaturschutzgesetzes erfüllt sein könnten. Je nach Standort sollten daher Betreiber während der Vogelzug- zeiten (Anfang März bis Ende Mai und Mitte Juli bis Mitte November) Sky-Beamer nicht verwenden. Die Auswirkungen auf Insekten sind lokaler Natur und auf das Sommerhalbjahr beschränkt: Durch die starke Lichtquelle werden die Tiere aus der direkten Umgebung (Vegetation, Gewässer) angelockt und verbrennen an dem heißen Lampenkörper. Hier ergeben sich Schutzmöglichkeiten durch Abschirmung der Leuchtquelle. Aus immissionsschutzrechtlicher Sicht sind Sky-Bea- mer in der Regel nicht problematisch, da durch die him- melwärts gerichtete Lichtabstrahlung eine erhebliche Belästigung der Nachbarschaft dieser Geräte nicht zu besorgen ist. Sollte es im Einzelfall dennoch zu erhebli- chen Belästigungen kommen, kann auf der Grundlage der §§ 24 und 25 BImSchG gegen den Betrieb eingeschritten werden. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass in Bezug auf Sky-Beamer kein Erfordernis für weitere rechtliche Re- gelungen besteht. Die bestehenden Rechtsvorschriften genügen, um im Einzelfall gegen den Betrieb von Sky- Beamern einschreiten zu können, wenn diese andere Rechtsgüter unzumutbar beeinträchtigen. Berlin, den 28. November 2014 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Dez. 2014)