Drucksache 17 / 14 963 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 17. November 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. November 2014) und Antwort Tatort Internet: Polizeiliche Ermittlungen zu rechten Hetzkommentaren in Sozialen Netzwerken (I) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele der durch die Berliner Polizei seit August 2013 registrierten Straftaten, die dem Phänomenbe- reich PMK-rechts zugeordnet wurden, hatten den Tatort „Internet“ (bitte Antwort nach Themenbereichen und jeweiligem Zähldelikt aufschlüsseln)? 2. Wie viele der registrierten Delikte richteten sich gegen geplante bzw. bestehende Flüchtlingsunterkünfte in Berlin und ihre Bewohner? 3. Wie viele der registrierten Delikte richteten sich gegen Mitglieder und/oder Einrichtungen von Willkom- mensinitiativen und anderen Initiativen zur Unterstützung von Flüchtlingen? Vorbemerkung: Grundlage für die Beantwortung der Fragen 1.-3. bildet der „Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMDPMK ). Hierbei handelt es sich entgegen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) um eine Eingangsstatistik. Die Fallzählung erfolgt tatzeitbezogen, unabhängig davon, wann das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde. Die folgenden statistischen Angaben stellen keine Einzelstraftaten der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) dar. Bei der Darstellung handelt es sich um Fall- zahlen. Ein Fall bezeichnet jeweils einen Lebenssachverhalt in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit identischer oder ähnlicher Motivlage, unabhängig von der Zahl der Tatverdächtigen, Tathandlungen, Anzahl der verletzten Rechtsnormen oder der eingeleiteten Ermitt- lungsverfahren. Einem Fall können unter Umständen mehrere The- menfelder und Unterthemen zugeordnet werden. Deshalb lässt die Anzahl der Themenfeld- und Unterthemennen- nungen keine Rückschlüsse auf das tatsächliche Fallauf- kommen zu. Die Fallzahlen der PMK unterliegen bis zum Ab- schluss der Ermittlungen – gegebenenfalls bis zum endgültigen Gerichtsurteil – einer Bewertung gemäß der angenommenen Tatmotivation. Darüber hinaus können Fälle der PMK erst nach dem Statistikschluss bekannt und entsprechend gezählt werden. Deshalb kommt es sowohl unter- als auch überjährig immer wieder zu Fallzahlenän- derungen. Zu 1. - 3.: Dargestellt werden hier die Fallzahlen von Januar 2013 bis September 2014. Für die Monate Oktober und November 2014 ist die Erfassung noch nicht abge- schlossen. Rückwirkend zum 1. Januar 2014 wurde im bundes- weit verbindlichen Themenfeldkatalog zur „Kriminaltaktischen Anfrage in Fällen Politisch motivierter Kriminali- tät“ (KTA-PMK) ein zusätzliches Unterthema „gegen Asylunterkünfte“ eingeführt. Das erlaubt der Polizei Berlin nunmehr, trennscharf die politisch motivierten Taten auszuwerten, die sich gegen Flüchtlingsunterbringungen richten. Verlässliche Fallzahlen zu Straftaten gegen Asyl- und Flüchtlingsunterkünfte liegen daher nur für den Zeitraum Januar bis September 2014 vor. Für das Jahr 2013 können mangels bundeseinheitlicher Vorgaben keine Fallzahlen in diesem Themenzusammenhang erhoben werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 963 2 Fallaufkommen PMK – rechts mit dem Tatort Internet in den Deliktsbereichen im direkten Jahresvergleich: 2013 2014 (bis 30.09.) § 86a Strafgesetzbuch (StGB) Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 26 15 § 90 StGB Verunglimpfung des Bundespräsidenten 1 0 § 90a StGB Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole 0 1 § 111 StGB Öffentliche Aufforderung zu Straftaten 9 17 § 126 StGB Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten 0 2 § 130 StGB Volksverhetzung 22 32 § 140 StGB Belohnung und Billigung von Straftaten 3 1 § 166 StGB Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungvereinigungen 1 0 § 185 StGB Beleidigung 8 16 § 187 StGB Verleumdung 0 3 § 189 StGB Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener 0 2 § 201 StGB Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes 2 1 § 203 StGB Verletzung von Privatgeheimnissen 0 1 § 240 StGB Nötigung 2 1 § 241 StGB Bedrohung 1 9 Verstoß Jugendschutzgesetz 1 0 Verstoß Kunsturheberrechtgesetz 2 0 PMK - rechts Tatort Internet gesamt 78 101 Im Zeitraum Januar 2013 bis September 2014 wurden 52 Fälle der PMK - rechts mit dem Tatort Internet regis- triert, die sich gegen Asyl- oder Flüchtlingsunterkünfte richteten. Fallzahlen zu übrigen Objekten, in denen Asylsuchen- de oder Flüchtlinge untergebracht wurden und zu deren Nachteil es aus diesem Grund zu Straftaten kam, liegen der Polizei Berlin nicht vor. Im Zeitraum Januar 2013 bis September 2014 wurde ein Fall der Politisch motivierten Kriminalität – rechts – mit dem Tatort Internet registriert, der sich gegen Mit- glieder und/oder Einrichtungen von Willkommensinitiati- ven und andere Initiativen zur Unterstützung von Flücht- lingen richtet. Eine detaillierte Auflistung bezüglich der konkreten Straftaten bezüglich der Fragen 2. und 3. ist der Polizei Berlin aufgrund fehlender Erfassungskriterien nicht mög- lich. 4. Wie bewertet der Senat das Phänomen, dass sich in Beiträgen und insbesondere hierzu veröffentlichten Kommentaren auf Seiten der Social Media-Plattform Facebook, die sich gegen die Unterbringung von Flücht- lingen in Berlin wenden, volksverhetzende und sonstige strafbare Äußerungen häufen? Zu 4.: An den realen wie virtuellen Protesten gegen geplante oder bestehende Flüchtlingsunterkünfte beteili- gen sich sowohl Rechtsextremistinnen und Rechtsextre- misten als auch Personen mit fremdenfeindlicher Einstel- lung ohne Organisationsbezug. Auch Anwohnerinnen und Anwohner von Liegenschaften mit bereits genutzten oder geplanten Flüchtlingsunterkünften schließen sich den Protesten an. Der zunehmende virtuelle Protest führt auch zu einer Zunahme von strafrechtlich relevanten Äußerungen, die aus der vermeintlichen Anonymität des Internets heraus begangen werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 963 3 5. Welche Maßnahmen ergreift der Senat, um die Urheber dieser Äußerungen zu ermitteln? Zu 5.: Der Berliner Verfassungsschutz hat bereits im Sommer 2013 mit dem Aufkommen der „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“ auf den rechtsextremistischen Hintergrund der virtuellen Bürgerbewegungen bezie- hungsweise -initiativen gegen Flüchtlingsunterkünfte öffentlich hingewiesen. Die Berliner Sicherheitsbehörden kooperieren bei der Beobachtung rechtsextremistischer Internetinhalte. Inner- halb des gesetzlichen Rahmens übermittelt der Verfas- sungsschutz Hinweise über die Urheberinnen oder Urhe- ber strafbarer Inhalte, wenn sie dort bekannt werden. Bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für das Vorliegen einer Straftat prüft die Polizei Berlin in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft alle strafpro- zessualen Maßnahmen und leitet entsprechende Verfahren ein. Zu den Details entsprechender polizeilicher Maßnah- men wird im Rahmen von für die Veröffentlichung be- stimmten Anfragen aus ermittlungstaktischen Gründen keine Stellung genommen. 6. Existiert im zuständigen Dezernat 53 – PMKrechts – des Landeskriminalamtes eine spezielle Einheit, die mit der Auswertung von volksverhetzenden und sons- tigen strafbaren Äußerungen im Internet befasst ist und wenn ja, a. seit wann existiert diese Einheit und wie viele Dienstkräfte sind hier eingesetzt? b. wie viele Ermittlungsverfahren wurden seit August 2013 basierend auf Auswertungsergebnissen dieser Ein- heit eingeleitet und wie viele davon hatten veröffentlichte Beiträge auf Facebook-Präsenzen, die sich gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in Berlin richten, zum Gegenstand? Zu 6., a. und b.: Mit der Umstrukturierung des Polizei- lichen Staatsschutzes zum 1. September 2012 erfolgte zur strukturellen Optimierung die Anbindung der Auswer- teeinheit Rechtsextremismus im Dezernat 53. Dort wird, neben den allgemeinen Auswertetätigkeiten, eine anlass- und themenbezogene Auswertung von für den Phäno- menbereich relevanten Internetseiten durchgeführt. Eine gesonderte Dienststelle für den Bereich der Internetaus- wertung besteht nicht. Eine statistische Erfassung über eingeleitete Ermitt- lungsverfahren im Rahmen der Auswertetätigkeit der Dienstkräfte wird nicht geführt. Berlin, den 28. November 2014 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Dez. 2014)