Drucksache 17 / 14 976 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Daniel Buchholz (SPD) vom 18. November 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. November 2014) und Antwort Jährlich 5 Milliarden Euro für öffentliche Einkäufe und Beschaffungen: Welche Verga- bestellen beachten in der Praxis ökologische Kriterien und passt das zu den Berliner Kli- mazielen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Vergabestellen gibt es aktuell in Berlin in den Verwaltungen und landeseigenen Unter- nehmen und welchen Umfang hat das entsprechende Beschaffungsvolumen schätzungsweise insgesamt (frühe- re Angaben des Senats lagen bei fünf Milliarden Euro pro Jahr)? Antwort zu 1: Es gibt schätzungsweise 2.000 bis 2.500 öffentliche Vergabestellen im Land Berlin, die jährlich Produkte und Dienstleistungen mit einem Kostenumfang von schätzungsweise rund 4 bis 5 Mrd. Euro beschaffen. Frage 2: Welche Rechtsgrundlagen und Verordnungen zur Einhaltung von ökologischen Kriterien sind bei der Beschaffung von den Vergabestellen im Land Berlin auf Landes- bzw. Bezirksebene zu beachten? Antwort zu 2: Bezüglich der verbindlichen Anwen- dung von ökologischen Kriterien bei der öffentlichen Beschaffung sind die entsprechenden Vorgaben des Ber- liner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes, § 7 Umwelt- verträgliche Beschaffung, sowie die auf dieser Rechts- grundlage am 01. Januar 2013 in Kraft getretene Verwal- tungsvorschrift Beschaffung und Umwelt (VwVBU) maßgeblich. Frage 3: Berücksichtigen einzelne Senatsverwaltungen bei Beschaffungen mit geschätzten Auftragswerten zwi- schen 500 und 10.000 Euro die Grundsätze des § 7 Berli- ner Ausschreibungs- und Vergabegesetz (BerlAVG) und der Verwaltungsvorschrift für ökologische Beschaffung (VwVBU), obwohl dies unterhalb des Schwellenwertes von 10.000 Euro nicht verpflichtend ist? Wenn ja, welche Senatsverwaltungen gehen so vor, auf welcher Grundlage und mit welchen internen Vorgaben? Frage 4: Welche Berliner Bezirke oder andere Verga- bestellen berücksichtigen ebenfalls ökologische Kriterien bei Auftragswerten unter 10.000 Euro, obwohl dies nicht verpflichtend ist? Welche Behörden oder Beteiligungsun- ternehmen planen ein solches Vorgehen? Frage 5: Unterstützen der Senat bzw. die zuständigen Senatsverwaltungen die umweltverträgliche Beschaffung unterhalb des genannten Schwellenwertes in den Berliner Bezirken und anderen Vergabestellen und wenn ja, in welcher Weise? Antwort zu 3 bis 5: In Wahrnehmung ihrer Vorbild- funktion hat sich die Senatsverwaltung für Stadtentwick- lung und Umwelt mit einer Arbeitsanweisung des Sena- tors bereits am 29.11.2012 selbstverpflichtet, die Verwal- tungsvorschrift bereits ab einem geschätzten Auftragswert von 500 Euro anzuwenden. Im Dezember 2012 hat unser Haus auch die anderen Dienststellen des Landes Berlin sowie die Anstalten öffentlichen Rechts aufgefordert, diesem Beispiel zu folgen. Im Rahmen der derzeitigen Evaluierung der Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt (siehe Antwort zu den Fragen 7 bis 12) wird auch ermittelt, welche größeren öffentlichen Beschaffungsstel- len diesem Beispiel folgen. Frage 6: Welche Verpflichtung zur umweltverträgli- chen Beschaffung leitet der Senat für die Vergabestellen neben dem BerlAVG aus § 23 Abs. 2 Kreislaufwirt- schafts- und Abfallgesetz Berlin (KrW-/AbfG) ab, ob- wohl die konkretisierende Verwaltungsvorschrift nicht mehr gültig ist? Antwort zu 6: Die auf § 23 Abs. 2 Kreislaufwirt- schafts- und Abfallgesetz Berlin (KrW-/AbfG Bln) basie- renden „Ausführungsvorschriften für umweltfreundliche Beschaffungen und Auftragsvergaben nach der Verdin- gungsverordnung für Leistungen – ausgenommen Bauleistungen – AVUm VOL“ wurden durch die Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt abgelöst. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 976 2 Die Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt enthält weitergehend Anforderungen an die Vermeidung und Verwertung von Abfällen. Frage 7: Welche Erfahrungen liegen aus den verschie- denen Vergabestellen bzw. der zentralen Kontrollgruppe hinsichtlich der praktischen Umsetzung der Regelungen zur umweltverträglichen Beschaffung vor? Sind dem Senat Beispiele bekannt, wo aufgrund der Regelungen kein geeignetes Produkt beschafft werden konnte und wenn ja, was waren die Ursachen? Welche positiven Beispiele ökologischer Beschaffung sind dem Senat be- kannt, insbesondere durch die Berücksichtigung von voll- ständigen Lebenszykluskosten? Frage 8: Welche klima- und umweltpolitischen Ziel- setzungen verfolgt der Senat grundsätzlich mit der um- weltverträglichen Beschaffung, wie sie in § 7 BerlAVG verankert sind? Frage 9: Sind durch die Neuregelung der umweltver- träglichen Beschaffung zusätzliche CO2-Einsparungen erreicht worden und wenn ja, in welcher Höhe? Wie ste- hen diese im Verhältnis zu dem im Berliner Abfallwirt- schaftskonzept vom Mai 2011 verankerten Ziel, durch den Aufbau eines ökologischen Beschaffungswesens jährlich bis zu 800.000 Mg CO2 im Land Berlin einzusparen? Frage 10: Welche Auswirkungen hat der Schwellen- wert von 10.000 Euro im BerlAVG nach bisheriger Kenntnis des Senates auf die Klimaziele der Stadt? Wel- che Bedeutung kommt dabei § 23 Abs. 2 KrW-/AbfG zu? Frage 11: Wie unterstützt der Senat bzw. seine zu- ständigen Verwaltungen die Vergabestellen bei Beschaf- fungsvorgängen nach dem BerlAVG im Allgemeinen sowie insbesondere bei der umweltverträglichen Beschaf- fung, z.B. durch Bereitstellung von erforderlichen Formu- laren in Fremdsprachen bei internationalen Beschaffungs- vorgängen? Frage 12: Ist der Aufbau einer IT-gestützten Vergabe- plattform vorgesehen, die Produkte zentral einord- net/bewertet und die Einhaltung von Gütesiegeln oder z.B. ökologischen Kriterien ausweist, um damit den de- zentralen Vergabestellen eine praktische Hilfe für Bestel- lungen an die Hand zu geben, wie es sie in vielen großen Unternehmen bereits seit Jahren gibt? Antwort zu 7 bis 12: Das Land Berlin verfolgt das Ziel, durch die Beschaffung von umweltverträglichen Produkten und Dienstleistungen bei öffentlichen Einrich- tungen einen großen Beitrag zum Klima- und Ressour- censchutz zu erzielen sowie wichtige Impulse für innova- tive Produkte und Dienstleistungen zu geben. Erste Ab- schätzungen gehen von bis zu 800.000 Mg CO2- Einsparung jährlich aus. Darüber hinaus sind durch die Berücksichtigung von Lebenszykluskosten auch relevante Kosteneinsparungen zu erwarten. Gemäß Senatsbeschluss vom 23.10.2012 ist die zu- ständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt verpflichtet, ein Jahr nach Inkrafttreten der Ver- waltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt (VwVBU) mittels externer Untersuchung die ökologischen und wirt- schaftlichen Auswirkungen zu evaluieren. In diesem Zu- sammenhang wurden in diesem Jahr zwei umfassende Untersuchungen beim renommierten Öko-Institut Frei- burg in Auftrag gegeben. Zum Einen handelt es sich um die „Evaluierung der Umsetzung der VwVBU bei relevanten Produktgruppen sowie Erarbeitung von umsetzbaren Maßnahmen zur Optimierung“. Zum Anderen wird die „Ermittlung der Effekte hinsichtlich Umweltentlastung sowie der Kosten von relevanten Produkten sowie Bau- und Dienstleistun- gen bei einer nachhaltigen Beschaffung gegenüber einer herkömmlichen Beschaffung im Land Berlin“ untersucht. Auch die inhaltlichen Aspekte der Fragen 7 bis 12 werden im Rahmen dieser beiden Projekte mit untersucht. Für eine möglichst umfassende Evaluierung der VwVBU wurden im Rahmen dieser Untersuchungen beispielsweise alle schriftlichen Nachfragen zur VwVBU gesichtet und ausgewertet. Ausgewählte öffentliche Beschaffungsstellen wurden zudem mittels eines umfassenden Erhebungsbo- gens direkt abgefragt. Weiter werden Probleme oder Hemmnisse, die bei den speziell zu Themenschwerpunk- ten durchgeführten Schulungen zur Sprache kamen, auf- genommen und untersucht. Belastbare und umfassende Aussagen zu den in den Fragen 7 bis 12 angesprochenen Sachverhalten liegen daher erst nach Beendigung der beiden Projekte vor. Die Ergebnisse der Untersuchungen werden frühestens im I. Quartal 2015 dem Senat vorgelegt werden. Berlin, den 28. November 2014 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Dez. 2014)