Drucksache 17 / 14 984 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sabine Bangert (GRÜNE) vom 19. November 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. November 2014) und Antwort Verspielt der Senat die Zukunft Berliner Musikensembles? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Gespräche hat der Senat den freien Grup- pen angeboten, die aufgrund der Juryentscheidung für den Antragszyklus 2015/2016 über das Jahr 2014 hinaus nicht weiter gefördert werden sollten? Zu 1.: Im Bereich der Förderung von freien Gruppen der Neuen Musik ist für 2015/2016 erstmals – neben den einjährigen Fördermaßnahmen – eine zweijährige Basisförderung ausgeschrieben worden. Den abgelehnten Gruppen aller Förderprogramme wird das Ergebnis der Juryberatung mitgeteilt. Eine grundsätzliche Gesprächs- bereitschaft ist stets vorhanden. Im Bereich der Förderung von freien Gruppen der Darstellenden Kunst sind auf Referatsleiterebene teilwei- se mehrere Gespräche mit den nicht zur Förderung emp- fohlenen Ensembles bzw. deren Vertreterinnen und Ver- tretern geführt worden. Auch Kulturstaatssekretär Tim Renner hat an einem Gespräch mit den Betroffenen teil- genommen und war für Ansprachen am Rande anderer Termine stets offen. Darüber hinaus wurden Gespräche zwischen der Jury und den Gruppen angeboten und ange- nommen. 2. Welche Perspektiven wurden den Ensembles sei- tens des Senats in den Gesprächen aufgezeigt und welche konkrete Unterstützung wurde - wie in der 40. Sitzung des Ausschusses für Kulturelle Angelegenheiten am 26. Mai 2014 von Staatssekretär Tim Renner angekündigt, zur Zukunftssicherung der betroffenen Ensembles angeboten? Zu 2.: Perspektiven wurden mit Blick auf die beste- henden Förderprogramme aufgezeigt. Diese wurden be- reits von den Ensembles genutzt und stehen auch 2015 für Anträge zur Verfügung. Zwar entscheiden die Jurys in erster Linie über künstlerische Qualität, weisen aber im- mer wieder darauf hin, dass eine Nicht-Empfehlung in einem bestimmten Förderprogramm keine allgemeine Bewertung der künstlerischen Arbeit sei, sondern Ergeb- nis von Abwägungen zwischen den vorliegenden Anträ- gen und den tatsächlich zur Verfügung stehenden Mitteln. Somit ist eine zukünftige Förderung der Gruppe oder einzelner Projekte im selben oder einem anderen Pro- gramm keineswegs ausgeschlossen. So konnten die Grup- pen Lubricat und Rubato in der Einzelprojektförderung Darstellende Kunst 2015 berücksichtigt werden, der Auf- führungsort 4. Welt erhält 2015 eine einjährigen Spielstät- tenförderung. Das Musikensemble Kaleidoskop wird 2015 im Rahmen der Einzelprojektförderung Darstellende Kunst gefördert, über Anträge beim Hauptstadtkul- turfonds sowie bei der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin ist noch nicht entschieden. Auch die Zeitgenössi- sche Oper Berlin hat Anträge in anderen Förderprogram- men gestellt, über die teilweise noch keine Juryentschei- dungen vorliegen. 3. Wie schätzt der Senat die Chancen ein, dass die betroffenen Ensembles ohne eine weitere öffentliche Förderung durch den Senat über das Jahr 2014 hinaus ihre Arbeit in gleicher Qualität fortsetzen können? Zu 3.: In der Neue Musik-Förderung hat ein freies En- semble ohne kontinuierliche Förderung es schwer, eine hohe künstlerische Qualität dauerhaft zu halten. Ungenü- gende oder mangelnde Förderung führt dazu, dass die einzelnen Musikerinnen und Musiker jedes sich anbieten- de Engagement annehmen, wodurch die Besetzung des Stammensembles häufig wechselt und Profilschärfe und Wettbewerbsfähigkeit abnehmen. Bezogen auf das Solis- tenensemble Kaleidoskop ist festzustellen, dass es in der kurzen Zeit seines Bestehens (seit 2006) die höchste För- derung aller Berliner Kammermusikensembles erhalten und seine Infrastruktur und Konzertdichte offenkundig auf dauerhafte Förderung eingestellt hat. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 984 2 2010 Ensembleförderung Neue Musik Musik 20.000 2011 Hauptstadtkulturfonds Musik POLYTOPE XI 70.000 2011 Hauptstadtkulturfonds Musiktheater Die Jaffa Orangen des Richard W. Ein Rheingold Projekt 70.000 2012 Hauptstadtkulturfonds Interdisziplinäre Kunst Zero Time 70.000 2012 Ensembleförderung Neue Musik Musik 32.000 2013 Darstellende Kunst - Basis- förderung 1. Jahr Musiktheater 80.000 2013 Hauptstadtkulturfonds Musik The Sensitive Style – zum 300. Geburtstag von C.P.E. Bach) 30.000 2013 Ensembleförderung Neue Musik Musik 20.000 2014 Darstellende Kunst Basis- förderung 2. Jahr Musiktheater 80.000 2014 Hauptstadtkulturfonds Musiktheater Kaleidoskopville 90.000 2014 Ensembleförderung Neue Musik Musik 30.000 2015 Darstellende Kunst - Ein- zelprojektförderung Musiktheater Blackhole (Förderung geplant) 25.000 617.000 Im Bereich Musiktheater stehen, wie oben beschrie- ben, andere Förderprogramme zur Verfügung. Über die Landesprogramme hinaus haben die Gruppen außerdem die Möglichkeit und Chancen, Mittel anderer Förderinsti- tutionen wie z.B. Kulturstiftung des Bundes oder Fonds Darstellende Künste zu erhalten. 4. Wie bewertet der Senat die Tatsache, dass die be- troffenen Ensembles nicht aus Mangel an Qualität son- dern aufgrund struktureller Schwächen im aktuellen För- dersystem von der Jury nicht zur Basisförderung für die Jahre 2015/2016 vorgeschlagen wurden und welchen kulturpolitischen Handlungsauftrag leitet der Senat aus dem diesbezüglichen Urteil der Jury ab? (Zitat aus der Erklärung der Jury des Berliner Senats für Freie Gruppen zur Basis-und zweijährigen Spielstät- tenförderung für die Jahre 2015/16 - Erläuterungen zur Nichtmehrempfehlung der Zeitge- nössischen Oper Berlin: „Die Jury bedauert, dass ein längst zur Institution gereifter freier künstlerischer Zu- sammenhang, der vor Jahren nur wegen Haushaltskür zungen den Sprung in die Konzeptförderung nicht ge- schafft hat, sich nun als nicht förderbar in der Basisför- derung erweist. Das Beispiel der Zeitgenössischen Oper zeigt den strukturellen Mangel des aktuellen Fördersys- tems - zu wenig Mittel für kontinuierliche Weiterarbeit auf hohem Niveau - auf besonders schmerzliche Art und Wei- se.“ und zur Nichtmehrempfehlung des Solistenensemble Kaleidoskop und Kammerensemble Neue Musik (KNM): „Es handelt sich in beiden Fällen um hochprofessionelle Instrumental-Ensembles, die sich jetzt bzw. schon vor einiger Zeit zusätzlich auf das Gebiet des Musiktheaters begeben haben. Im Unterschied zu anderen Theatergrup- pen gehen sie in erster Linie von der fertigen Partitur aus, für die eine neue Aufführungspraxis erarbeitet wird. Die- sen Weg unterstützte die Jury im vergangenen Zweijah- reszeitraum mit einer Basisförderung für Kaleidoskop. Sie ließ sich dabei auch von der Überlegung leiten, dass es zum damaligen Zeitpunkt keine adäquate Ensembleförde- rung im Musikbereich für Initiativen dieser Art gab. Dies hat sich mittlerweile eben mit dem Instrument der Ensem- bleförderung im Bereich Musik geändert. Der Jury ist klar, dass die dortigen Fördervolumina keineswegs für die Erarbeitung von Musiktheaterprojekten ausreichen.“) Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 984 3 Zu 4.: Die Schwäche liegt nicht in der Fördersystema- tik, sondern in der Ausstattung der Förderetats. Das Solis- tenensemble Kaleidoskop hat 2013 und 2014 sowohl Basisförderungen (Ensembleförderungen) aus dem Be- reich Musik erhalten als auch – parallel – aus dem Bereich Darstellende Kunst. Damals hatten sich die vonei- nander unabhängigen Jurys beide für eine Förderung ausgesprochen. Für die Jahre 2015 und 2016 fiel das Votum beider Jurys im Vergleich zu den anderen vorlie- genden Anträgen negativ aus. Auf Grund der begrenzten Mittel können nicht alle grundsätzlich förderungswürdi- gen Ensembles bedacht werden. Dies betrifft auch die Zeitgenössische Oper Berlin, die mit ihrem Förderantrag in starker Konkurrenz zu anderen Antragstellern bei gleichzeitig begrenztem Fördervolumen stand. 5. Welche Maßnahmen wird der Senat kurzfristig aber auch perspektivisch ergreifen, um die Arbeit und das künstlerische Wirken der betroffenen Ensembles in seiner bisherigen internationalen Reichweite über das Jahr 2014 hinaus zu sichern? Zu 5.: Wie schon zuvor ausgeführt, besteht über ande- re Förderprogramme die Möglichkeit, die betroffenen Ensembles zu unterstützen. Entsprechende Anträge lagen und liegen vor. Auch im laufenden Haushaltsjahr 2015 können sich die Ensembles um weitere Förderungen, z.B. im Wiederaufnahmefonds und Kofinanzierungsfonds, bemühen. Die Entscheidung über mögliche Unterstützung bleibt hier abzuwarten. Berlin, den 02. Dezember 2014 In Vertretung Tim Renner Der Regierende Bürgermeister von Berlin Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Dez. 2014)