Drucksache 17 / 14 990 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Harald Moritz (GRÜNE) vom 20. November 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. November 2014) und Antwort Eindämmung von Motorradlärm Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie wird sichergestellt, dass im Betrieb von Motorrädern und Mopeds die entsprechenden lärmschutz- technischen Auflagen eingehalten werden? Welche Maß- nahmen stehen wem (Ordnungsamt, Polizei, …) derzeit zur Verfügung, um die Einhaltung dieser Auflagen zu kontrollieren? Antwort zu 1: Im Land Berlin konzentriert sich die polizeiliche Überwachung motorisierter Zweiräder vor- rangig auf die Bekämpfung der Hauptunfallursachen wie z.B. Geschwindigkeitsverstöße. Unabhängig davon, dass im Stadtgebiet bei den vielen allgemeinen Ver- kehrskontrollen im Jahresverlauf auch technisch auffälli- ge Krafträder überprüft werden, sind im vergangenen Jahr insgesamt 327 Schwerpunktkontrollen durchgeführt wor- den, bei denen der motorisierte Zweiradverkehr insbeson- dere im Hinblick auf den technischen Zustand zielgerich- tet überwacht worden ist. Der Umfang der Kontrollen umfasst regelmäßig auch die Prüfung von Schalldämpferanlagen auf evtl. Mängel bzw. Manipulationen, aus denen häufig auch Verstöße gegen die einschlägigen Bau- und Betriebsvorschriften durch unzulässige Lärmemissionen resultieren. Zu diesem Zweck verfügen die schwerpunktmäßig mit der spezialisierten Verkehrsüberwachung betrauten Ver- kehrsdienste insgesamt über vier mobile Schallpegel- messgeräte, mit denen anlassbezogen ausschließlich Standgeräuschmessungen am Kontrollort zur Ver- dachtserhärtung bzw. -entkräftung durchgeführt werden. Frage 2: Sind dem Senat Fallzahlen zu den jährlich durchgeführten Stand- bzw. Vorbeifahrtmessungen bei Motorrädern und Mopeds bekannt? Wenn ja, wie haben sich diese in den letzten fünf Jahren entwickelt? Antwort zu 2: Eine statistische Erfassung von polizei- lichen Standgeräuschmessungen erfolgt nicht. Frage 3: Wie kann von der Polizei nach aktueller Ge- setzeslage eine Geräuschgrenzwertüberschreitung (bei Standgeräuschen und bei Vorbeifahrtgeräuschen) nach- gewiesen werden? Frage 4: Ist eine Sanktionierung vor Ort möglich oder muss das Kraftrad dazu eigens in eine Messstation über- führt werden? Antwort zu 3 und 4: Vor dem Hintergrund, dass die polizeilich eingesetzten Schallpegelmessgeräte keine Beweiskraft haben, kann der Nachweis einer Geräusch- grenzwertüberschreitung am Kontrollort nicht erbracht werden. In entsprechenden Verdachtsfällen werden die Kraftfahrzeuge regelmäßig einem Sachverständigen zur Erstellung eines technischen Gutachtens zugeführt, das im Ordnungswidrigkeitenverfahren als Beweismittel dient. Frage 5: Welchen Reformbedarf sieht der Senat bei der Anwendung der Vorbeifahrtmessung? Antwort zu 5: Diese Frage kann nicht beantwortet werden, da Vorbeifahrtmessungen durch die Polizei Ber- lin nicht stattfinden. Frage 6: Stimmt der Senat der Einschätzung zu, dass der derzeitige Aufwand einer Vorbeifahrtmessung nach UN/ECE Regelung 41 unverhältnismäßig hoch ist und fast nie in einem sinnvollen Verhältnis zu einem ange- messenen Strafmaß steht? Wenn nein, warum nicht? Antwort zu 6: Die UN/ECE Regelung Nummer 41 findet Anwendung im Rahmen der Typprüfung von Kraft- rädern. So ist auch das dort geregelte Verfahren zur Mes- sung und Bewertung der Geräuschemissionen bei Vorbei- fahrt derzeit ausschließlich auf die Typprüfung und nicht für Kontrollen im fließenden Verkehr ausgelegt. Hierzu ist eine Vielzahl an Randbedingungen einzuhalten (z.B. geräumige Freifläche und Schallreflektions- /Schallabsorptionsgegenstände, ISO-Asphalt, genaue Ermittlung der vorgegebenen Geschwindigkeiten und Getriebegangstufen). Deshalb kann eine Vorbeifahrtmes- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 990 2 sung mittels einer stationären Anlage zur Geräuschmes- sung keine praktikable Grundlage für die Überprüfung von im Verkehr befindlichen Krafträdern sein. Die Frage der Verhältnismäßigkeit zwischen dem benötigten Auf- wand für die Vorbeifahrtmessung gemäß UN/ECE Rege- lung Nummer 41 und dem zu erwartenden Strafmaß stellt sich vor diesem Hintergrund nicht. Frage 7: Wie müsste aus Sicht des Senats eine wirk- same und praktikable Vorbeifahrtmessung künftig gere- gelt werden? Frage 8: Wie positioniert sich der Senat zu dem von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) entwickelten vereinfachten Verfahren der Vorbeifahrtmessung? Antwort zu 7 und 8: Die Kontrolle von im Verkehr be- findlichen Krafträdern richtet sich nach der Richtlinie für die Überprüfung des Standgeräuschs von Krafträdern im Rahmen der regelmäßigen technischen Überwachung nach § 29 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) („Richtlinie zur Standgeräuschmessung“) sowie zur Kontrolle der Geräuschemission im Verkehr befindlicher Krafträder vom 9. März 2006 (Verkehrsblatt Heft 7 – 2006, Seite 338). Diese Richtlinie wird derzeit durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur unter Einbeziehung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) mit dem Ziel überarbeitet, Verfahren zur Ge- räuschmessung von im Verkehr befindlichen Krafträdern zu schaffen, die über den derzeitigen Stand der Richtlinie hinausgehen (Stichwort: Vorbeifahrtprüfung „light“). Der Senat begrüßt die Überarbeitung der Richtlinie. Frage 9: Unterstützt der Senat die Forderung nach ei- ner europäischen Typgenehmigungsdatenbank, in der bei Kontrolle zeitnah zulässige Fahrzeugtypen und Motorva- rianten, sowie wichtige technische Merkmale recherchiert werden könnten? Antwort zu 9: Die derzeitigen Bestrebungen innerhalb der Europäischen Union zur Einrichtung einer europäi- schen Typgenehmigungsdatenbank zielen auf die Erfas- sung der Typgenehmigungsdaten für Fahrzeuge der EG- Fahrzeugklassen M (Kraftfahrzeuge zur Personenbeförde- rung mit mindestens vier Rädern), N (Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung mit mindestens vier Rädern) und O (Anhänger) ab. Eine Erweiterung auf Krafträder (Fahr- zeugklasse L) ist derzeit nicht vorgesehen. Die UN/ECE Regelung Nummer 41 in der aktuellen Fassung der Revision 2, Änderung 04 vom 13. April 2012, sieht für die Typgenehmigung vor, dass die maß- geblichen Fahrzeugdaten am Fahrzeug anzugeben sind. Auch besteht beim Führen von Kraftfahrzeugen im öf- fentlichen Straßenverkehr eine Mitführpflicht für die Zulassungsbescheinigung Teil I, die ebenfalls die maß- geblichen technischen Fahrzeugdaten enthält. Eine Typ- genehmigungsdatenbank wäre bei Fahrzeugkontrollen im Verkehr lediglich bedingt hilfreich, weil in einer Typge- nehmigungsdatenbank der Zustand der Fahrzeuge in ih- rem genehmigten Neuzustand erfasst wäre, nachträgliche technische Änderungen, die durchaus Auswirkungen auf die Geräuschemissionen und die anzuwendenden Mess- werte haben können, dagegen nicht. Gleichwohl unterstützt der Senat die Forderung nach einer europäischen Typgenehmigungsdatenbank und würde auch einer Erfassung der Typgenehmigungsdaten für Krafträder positiv gegenüberstehen. Frage 10: Welche Sanktionsmöglichkeiten (Bußgel- der, …) sehen die jetzigen Regelungen gegenüber Motorradfahrern vor, die mit Vorsatz versuchen, die Lautstärke ihrer Zweiräder durch technische Manipulationen zu erhöhen? Antwort zu 10: Werden Veränderungen an Krafträ- dern vorgenommen, durch die das Abgas- oder Geräusch- verhalten verschlechtert wird, erlischt die Betriebserlaub- nis. Personen, die mit einem Kraftrad mit erloschener Betriebserlaubnis am Straßenverkehr teilnehmen, müssen mit einer Geldbuße von 90 Euro sowie dem Eintrag eines Punktes in das Fahreignungsregister rechnen, für Halte- rinnen und Halter ist eine Geldbuße von 135 Euro vorge- sehen. Berlin, den 03. Dezember 2014 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Dez. 2014)