Drucksache 17 / 15 003 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 24. November 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. November 2014) und Antwort Polizeilicher Umgang mit den rassistischen Mobilisierungen gegen die Containerlager für Flüchtlinge am Stadtrand und den Gegenprotesten (I) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Der Senat sieht die Polizei Berlin als Schutzgaranten aller Versammlungen und politischen Veranstaltungen. Dabei wahrt die Polizei in jeder Hinsicht das verfassungsrechtliche Gebot der Neutralität. Sie schützt insofern nicht etwa das jeweilige Demonstrations- anliegen, sondern ungeachtet des jeweiligen Themas stets die Demonstrationsfreiheit als solche. Die Beantwortung der Fragen erfolgt daher ungeachtet der in der Fragestel- lung wertend formulierten Begrifflichkeiten. 1. Wie viele Polizist*innen welcher Einheiten waren am 17.11.2014 in Marzahn im Rahmen der „Montagsdemo “ von Neonazis und Rassist*innen (Motto: “Wir wollen kein Containerdorf!“) und der Gegendemonstration insgesamt im Einsatz? Zu 1.: Es wurden insgesamt 349 Polizeidienstkräfte eingesetzt. Darunter waren  30 Dienstkräfte der Direktion 6,  204 Dienstkräfte der Direktion Zentrale Aufgaben,  46 Dienstkräfte der Direktion 1,  54 Dienstkräfte der Direktion 3,  13 Dienstkräfte der Direktion 5  2 Dienstkräfte des Landeskriminalamts (LKA). 2. Wie viele Polizist*innenwelcher Einheiten haben jeweils die beiden Demonstrationszüge begleitet? (Bitte eine Einzelauflistung nach genauer Anzahl der Polizei- kräfte für den jeweiligen Demonstrationszug.) Zu 2.: Die Dynamik der unterschiedlichen Einsatzsi- tuationen erfordert eine ständige Anpassung der Polizei- dienstkräfte an die aktuelle Lage. Im Verlaufe eines Ein- satzes werden die Einsatzkräfte daher an einer Vielzahl von unterschiedlichen Brennpunkten tätig, sodass eine verlässliche Zuordnung im Nachhinein nicht mehr mög- lich ist. 3. Warum wurden die Gegendemonstrant*innen am Startpunkt der Demonstration (Landsberger Allee/ Blum- berger Damm) von einer Wagenburg von Polizeifahrzeu- gen abgeschirmt und von Polizeikräften eingekesselt, während die Neonazis und Rassist*innen auf der gegen- überliegenden Straßenseite nur von wenigen Einsatzkräf- ten umringt ihre menschenverachtende Gesinnung frei zur Schau stellen konnten? Zu 3.: Da die unmittelbare Gefahr bestand, dass Teil- nehmerinnen und Teilnehmer beider Versammlungen körperlich aufeinander einwirken könnten, fand lediglich eine räumliche Trennung beider Versammlungen statt. Dabei wurde die Hör- und Sichtweite zwischen Unter- kunftsgegnerinnen bzw. Unterkunftsgegnern und Befür- worterinnen bzw. Befürwortern ermöglicht. 4. Aus welchen Gründen, auf welcher Rechtsgrund- lage und aufgrund welcher polizeilichen Lageeinschät- zung wurden Teilnehmer*innen der Gegendemonstration am Startpunkt der Gegendemo Landsberger Al- lee/Blumberger Damm – innerhalb des durch Polizeifahrzeuge und Polizeikräfte errichteten Kessels – durch die Polizei angehalten und durchsucht? Zu 4.: Die Polizei Berlin führte verdachtsabhängige Kontrollen nach §§ 34 ff. des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) Berlin durch. Diese wa- ren erforderlich, weil Tatsachen die Annahme rechtfertig- ten, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Versamm- lung der Unterkunftsbefürworterinnen und Unterkunftsbe- fürworter Gegenstände bei sich führten, die geeignet wären, auf die Versammlung der Unterkunftsgegnerinnen und Unterkunftsgegner einzuwirken, bzw. deren Teil- nehmerinnen und Teilnehmer zu verletzen oder die einen Straftat- bzw. Ordnungswidrigkeitentatbestand erfüllen könnten. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 003 2 5. Wurden auch die Teilnehmer*innen der rassistisch motivierten „Montagsdemo“ am Startpunkt durchsucht und wenn nein, warum nicht? Zu 5.: Da die Gefahrenprognose, unabhängig vom Thema, für beide Versammlungen gleichermaßen galt, wurden auch bei beiden Versammlungen verdachtsabhän- gige Kontrollen jeweils einzelfallbezogen durchgeführt. 6. Aus welchem Grund wurde am Startpunkt der Ge- gendemonstration – in der räumlichen Enge des Kessels aus Polizeifahrzeugen und Einsatzkräften – Pfefferspray eingesetzt und wie bewertet der Senat diesen Einsatz im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Gefährdung von Personen die nicht Ziel der polizeili- chen Maßnahme waren? Zu 6.: Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Ver- sammlung der Unterkunftsbefürworterinnen und Unter- kunftsbefürworter rissen am Antreteplatz den Bauzaun zur Baustelle der Containerunterkunft nieder. Einsatzkräfte der Polizei versuchten daraufhin, den Bauzaun wieder aufzurichten. Dabei wurden sie so massiv angegriffen, dass der Einsatz von Pfefferspray erforder- lich war. 7. Inwieweit wurden die Böllerwürfe von einem Bal- kon eines Hochhauses (Lea-Grundig-Straße 36/Rudolph- Leonhard-Straße) in Richtung der Gegendemonstration durch die Polizei verfolgt? a) Hat die Polizei sich Zutritt zur betreffenden Woh- nung verschafft und wenn ja, mit wie vielen Einsatzkräf- ten? Wie viel Zeit war zu diesem Zeitpunkt seit dem ers- ten Böllerwurf vergangen? b) Ist es im Zusammenhang mit den Böllerwürfen zur Einleitung von Ermittlungsverfahren gekommen und wenn ja, gegen wie viele Personen? Zu 7. a) und b): Durch unverzüglich eingeleitete poli- zeiliche Maßnahmen konnte ein Tatverdächtiger ermittelt werden. In diesem Zusammenhang wurden zwei Ermitt- lungsverfahren eingeleitet. Vom Zeitpunkt der Feststel- lung bis zur Ergreifung des Tatverdächtigen in seiner Wohnung ist eine zeitliche Dauer von acht Minuten do- kumentiert. Die Anzahl der Einsatzkräfte wird nicht sepa- rat erfasst. 8. Warum hat die Berliner Polizei die Teilneh- mer*innen der Gegendemonstration am Endpunkt der Demonstration Landsberger Allee/Blumberger Damm) eingekesselt und daran gehindert, den Heimweg anzutre- ten? 10. Warum wurden Teilnehmer*innen der Gegende- monstration, die den Versammlungsort verlassen wollten, mit einem derart großen Polizeiaufgebot in einem Poli- zeiwanderkessel zum S-Bahnhof Mehrower Allee beglei- tet? Zu 8.und 10.: Noch vor Versammlungsende hatte der Versammlungsleiter der Unterkunftsbefürworterinnen und Unterkunftsbefürworter die Polizei Berlin ausdrücklich gebeten, den gemeinsamen Heimweg der ehemaligen Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu schützen. Dabei wurden Personen weder eingekesselt noch daran gehin- dert, den Heimweg anzutreten. 9. Warum und aufgrund welcher Rechtsgrundlage wurden Teilnehmer*innen, die bereits den Endpunkt der Gegendemo verlassen hatten und den Heimweg antreten wollten von der Polizei verfolgt, eingekesselt und festge- halten? Zu 9.: Auch nach Ende beider Versammlungen be- stand die Gefahr, dass ehemalige Teilnehmerinnen und Teilnehmer unmittelbar zusammentreffen würden. Dabei waren auch körperliche Auseinandersetzungen zu be- fürchten. Ehemalige Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Versammlung der Unterkunftsbefürworterinnen und Un- terkunftsbefürworter wurden aus Gründen der Gefahren- abwehr kurzfristig angehalten und in die durch die Polizei vorgesehene Richtung verwiesen. 11. Welche polizeitaktischen Erwägungen machten die Begleitung der Gegendemo in einem Polizeiwanderkessel durch behelmte Polizist*innen mit vollem Körperschutz erforderlich? Zu 11.: Das Tragen der standardmäßigen Schutzaus- stattung diente der Eigensicherung der Einsatzkräfte bei beiden Versammlungen. 12. Ist dem Senat bekannt, dass Journalist*innen an einer Berichterstattung über die rassistisch motivierten „Montagsdemos“ gehindert wurden, weil sie von Teilnehmer *innendieser Aufzüge bedroht, bedrängt und kör- perlich angegriffen wurden, ohne dass die Polizei geeig- nete Gegenmaßnahmen zum Schutze der Journalist*innen ergriff und wie bewertet er dies? Zu 12.: Dem Senat sind keine Angriffe auf Journalis- tinnen oder Journalisten im Zusammenhang mit Ver- sammlungen gegen geplante Asylunterkünfte bekannt geworden. Entsprechende Anzeigen sind bei der Polizei Berlin nicht eingegangen. 13. Inwieweit kann das Einsatzkonzept der Berliner Polizei für den 17.11.2014 aufgegangen sein, wenn Jour- nalist*innen nicht von der Polizei vor Übergriffen der gewaltbereiten Neonazis geschützt wurden, und die fried- liche Gegendemo hingegen dauerhaft mit einem Wander- kessel begleitet wurde? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 003 3 Zu 13.: Beide Versammlungen konnten im Wesentli- chen ungehindert stattfinden. Gewalttätige Auseinander- setzungen zwischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern beider Versammlungen konnten durch die Polizei Berlin verhindert werden. Der Senat betrachtet das Einsatzkon- zept der Polizei Berlin diesbezüglich als zielführend. 14. Wieso wurden die Sprechchöre der Teilneh- mer*innen der rassistisch motivierten „Montagsdemo“ („Deutsche Presse auf die Fresse“) durch die Berliner Polizei nicht unterbunden? Zu 14.: Der Sachverhalt wurde erst nach dem Einsatz- ende bekannt. Ein Strafermittlungsverfahren wurde hierzu eingeleitet. 15. Welche Sprechchöre sind auf den rassistisch moti- vierten „Montagsdemos“ von der Berliner Polizei bis jetzt registriert worden und welche davon wurden als straf- rechtlich relevant eingestuft? Zu 15.: Sprechchöre werden im Sinne der Fragestel- lung statistisch nicht erfasst. Wenn sie einen strafbaren Inhalt haben, werden entsprechende Strafermittlungsver- fahren eingeleitet. Berlin, den 08. Dezember 2014 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Dez. 2014)