Drucksache 17 / 15 017 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dirk Behrendt (GRÜNE) vom 08. Dezember 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Dezember 2014) und Antwort Was darf ins Zimmer in der Sicherungsverwahrung? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Einrichtungsgegenstände dürfen die Ver- wahrten in ihre neuen, geräumigen Zimmer in der Siche- rungsverwahrung einbringen? Zu 1.: Gemäß § 53 Sicherungsverwahrungsvollzugs- gesetz (SVVollzG) dürfen die Verwahrten ihre Zimmer mit eigenen Gegenständen ausstatten, soweit nicht Grün- de der Sicherheit und Ordnung der Einrichtung, insbeson- dere die Übersichtlichkeit des Zimmers dagegen spre- chen. Genehmigungsfähig sind grundsätzlich neu ange- schaffte (Versandhandel, Anschaffungen im Fachhandel anlässlich von Ausführungen) Kleinmöbel, um die Kon- trollierbarkeit des Zimmers zu erhalten. Bislang wurden auf Antrag von Verwahrten verschiedene Einrichtungsge- genstände genehmigt und eingebracht, zum Beispiel TV- Möbel und Schrankwände, Regale, Sessel, Badkleinmöbel sowie Duschvorhang und Duschstange. 2. Weshalb wird den Verwahrten bisher verwehrt, ei- nen Teppich oder einen Läufer einzubringen? Worauf beruht die Verweigerung konkret? Zu 2.: Die Versagung der Einbringung eines Teppichs oder Läufers ist hier nicht bekannt, vielmehr wurden beispielsweise bereits Bettvorleger genehmigt. Grundsätz- lich muss jedoch auch hier § 53 SVVollzG Beachtung finden, so dass als Beispiel die Anschaffung eines Tep- pichs in Zimmergröße nicht genehmigungsfähig wäre, da die erforderliche Kontrollierbarkeit nicht zu gewährleisten wäre. Außerdem ist stets eine eventuelle Brandlastigkeit zu berücksichtigen. 3. Weshalb wird den Verwahrten bisher verwehrt, Bilder oder Plakate in ihren Zimmern - über den Beriech der Metallpinnwand hinaus - aufzuhängen? Zu 3.: Bilder können zum einen an der bereitgestellten Pinnwand angebracht werden. Poster können zum ande- ren auch außerhalb der Pinnwand angebracht werden, soweit hierdurch die Substanz der Wände nicht geschä- digt wird (z. B. durch Anbringen mit Klebefilm). Sofern im Einzelfall der Wunsch besteht, z. B. einen Bilderrah- men mit Nagel oder Dübel anzubringen, wird dies auf Antrag ermöglicht. Um einen schonenden Umgang mit dem Neubau zu gewährleisten, wird hierüber im Einzel- fall entschieden. 4. Weshalb wird den Verwahrten bisher verweigert ei- nen elektrischen Wasserkocher in ihrer extra vorgesehe- nen Küchenzeile zu nutzen? Worauf beruht die Verweige- rung konkret? 5. Weshalb wird den Verwahrten eine elektrische Saftpresse verweigert? Worauf beruht die Verweigerung konkret? Zu 4. und 5.: Nach der auch für die Einrichtung der Sicherungsverwahrung geltenden Hausverfügung 6/2014 der JVA Tegel sind grundsätzlich aus Gründen der Si- cherheit die Nutzung privater elektrischer Haushaltsgeräte nicht gestattet. Denn sie bieten insbesondere viele Mög- lichkeiten, unerlaubte Gegenstände zu verstecken und sind mit vertretbarem Aufwand (und ohne die Funktion zu beeinträchtigen) nicht zu kontrollieren. Wasserkocher können aus Sicherheitsgründen nicht zugelassen werden, da das darin erhitzte oder sogar ko- chende Wasser (oder andere Flüssigkeiten wie z. B. hei- ßes Öl) als Waffe gegen Bedienstete oder Mitverwahrte/- gefangene eingesetzt werden kann. Bei Saftpressen ist aufgrund ihres starken Motors ein Umbau zu anderen, nicht erlaubten Zwecken möglich und nicht auszuschlie- ßen. Sicherungsverwahrte dürfen aber im Unterschied zu Gefangenen zum Beispiel eine Kaffeemaschine besitzen. Die Wohngruppenküchen auf den Stationen des Neubaus wurden mit den üblichen Haushaltsgeräten wie Mikrowel- le und Brotschneidemaschine ausgestattet. Soweit eine Wohngruppe darüber hinaus Geräte für erforderlich hält, können diese auf Antrag nach individueller Prüfung durch die Einrichtung angeschafft werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 017 2 6. Welche Messer werden in der Sicherungsverwah- rung erlaubt? Wie sollen die Verwahrten Fleisch schnei- den? Zu 6.: In der Einrichtung wurden zum Zwecke der Selbstversorgung (Besteck-) Messer für die Wohnküchen auf den Stationen angeschafft. Für die Kochgruppe wur- den ebenfalls scharfe Messer angeschafft, die den Ver- wahrten aber nur bei Teilnahme an der Gruppe zur Verfü- gung stehen. Darüber hinaus sind gefährliche Gegenstän- de, zu denen auch Fleischmesser zählen, aus Sicherheits- gründen grundsätzlich nicht gestattet. 7. Ist gewährleistet, dass Sicherungsverwahrte Le- bensmittel bei Berliner Supermärkten bestellen können? Wie läuft die Bezahlung? Weshalb wird Sicherungsver- wahrten untersagt, während der Ausgänge Lebensmittel zur Eigenversorgung in Berliner Supermärkten zu kaufen? Zu 7.: Sicherungsverwahrte können anlässlich von Ausgängen und Ausführungen einkaufen. Zu diesem Zweck hat die Einrichtung eigens zwei Einkaufs-Trolleys angeschafft. Im Übrigen erfolgt der Einkauf innerhalb der Anstalt wöchentlich über die Firma Massak. Die Einrichtung hat geprüft, Bestellungen zusätzlich über Berliner Supermärkte zu ermöglichen. Solche Be- stellungen setzen regelmäßig zum einen die Warenbestel- lung per Internet und zum anderen die Bezahlung der bestellten Waren auf elektronischem Wege voraus. Die Abwicklung solcher Warenbestellungen hat sich auch mangels eigenen Internetzugangs der Verwahrten als zu kompliziert herausgestellt. Aufgrund der dargestellten Einkaufsmöglichkeiten ist der Bedarf an Bestellungen über Berliner Supermärkte aber auch gering. 8. Weshalb ist der Freistundenhof in der neuen Siche- rungsverwahrung umfassend kameraüberwacht? Werden die Aufnahmen gespeichert? Wie lange und auf welcher Grundlage? Zu 8.: Der Freistundenhof der Einrichtung kann ge- mäß § 20 Justizvollzugsdatenschutzgesetz Berlin (JVoll- zDSG Bln) kameraüberwacht werden, um in Einzelfällen und - angesichts der langen Aufschlusszeiten und der freien Bewegungsmöglichkeiten der Verwahrten auf dem gesamten Gelände - in Randzeiten und bei einer geringen Anzahl von beaufsichtigenden Mitarbeitenden die Kon- trolle durch die Zentrale zu gewährleisten sowie Flucht- versuche und Überwürfe über die unmittelbar an den Freistundenhof angrenzende Außenmauer zu verhindern oder feststellen zu können. Aktuell sind alle Kameras ausgeschaltet, da sie noch nicht abschließend gemäß den gesetzlichen Vorgaben konfiguriert worden sind. 9. Sieht der Senat die Gefahr mit den geschilderten Restriktionen die eindeutige Rechtsprechung des Bundes- verfassungsgerichts zum Charakter der Sicherungsver- wahrung zu widersprechen? Worin liegt nach Auffassung des Senats neben der Zellengröße der Unterschied zur Strafhaft? Zu 9.: Nach Auffassung des Senats ist mit Umzug der Verwahrten in den Neubau der Einrichtung zum Vollzug der Sicherungsverwahrung der letzte Schritt hin zu einer den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an eine verfassungskonforme Sicherungsverwahrung umfas- send gerecht werdende Unterbringung getan. Soweit das Abstandsgebot im Sinne der Rechtspre- chung des Bundesverfassungsgerichts die Umstände der räumlichen und materiellen Art und Weise der Unterbrin- gung betrifft, ist festzuhalten, dass sich die Restriktionen in diesem Bereich auf das zur Erhaltung von Sicherheit und Ordnung der Anstalt Erforderliche beschränken. Die mit dem Neubau der Sicherungsverwahrung bereitgehal- tenen Zimmer, Gemeinschafts-, Behandlungs-, Arbeits- und Sporträume sowie das Außengelände mit seinen viel- fältigen Angeboten stellen sowohl einen beträchtlichen Abstand zur Art der Unterbringung der Strafgefangenen dar als sie auch den Verwahrten eine Gestaltung ihres Lebensraums, der den Verhältnissen außerhalb der An- stalt mindestens angeglichen ist, bieten. Das Abstandsgebot geht auch über die rein äußerli- chen Bedingungen der Unterbringung hinaus und betrifft insbesondere die inhaltliche Ausgestaltung der Unterbrin- gung der Verwahrten und deren Behandlung und Betreu- ung. Auch hier ist der Abstand zu den Strafgefangenen deutlich gewahrt, wenn man allein die Ausstattung der Einrichtung mit betreuendem und behandelndem Personal betrachtet. Besonders zu erwähnen sind in diesem Zu- sammenhang außerdem die zahlreichen und auch indivi- duellen Angebote zur Behandlung und zur Freizeitgestal- tung, aber auch die - begleitete, von fast allen Verwahrten genutzte - Möglichkeit der Selbstversorgung sowie die verschiedenen Möglichkeiten und die Förderung der Her- stellung von Kontakten zur Außenwelt. Berlin, den 18. Dezember 2014 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Dez. 2014)