Drucksache 17 / 15 046 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 26. November 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. November 2014) und Antwort »Careless whisper« - Personalausstattung in Flüchtlingsunterkünften Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie ist jeweils die vertraglich vereinbarte Personal- ausstattung (Heimleitung, Sozialarbeit/-pädagogik, Sozi- albetreuung, Kinderbetreuung, Verwaltung, sonstige Be- treuung, Haushandwerker*innen, Pforte/Wachschutz o.ä.) für Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschafts- und Not- unterkünfte? (Bitte nach Art der Unterkunft, Kapazität, Betreiber, Ortsteil/Bezirk und Personalausstattung tabella- risch aufschlüsseln.) 2. Wie ist nach Kenntnis des Senats im Vergleich dazu jeweils die tatsächliche Personalausstattung (Heimleitung, Sozialarbeit/-pädagogik, Sozialbetreuung, Kinderbetreu- ung, Verwaltung, sonstige Betreuung, Haushandwer- ker*innen, Pforte/Wachschutz o.ä.) für Erstaufnahmeein- richtungen, Gemeinschafts- und Notunterkünfte? (Bitte nach Art der Unterkunft, Kapazität, Betreiber, Orts- teil/Bezirk und Personalausstattung tabellarisch auf- schlüsseln.) 3. Wie ist aktuell der Betreuungsschlüssel (Anzahl der Sozialarbeiter*innen/Sozialbetreuer*innen pro Bewoh- ner*in) in den Flüchtlingsunterkünften jeweils? (Bitte nach Art der Unterkunft, Kapazität, Betreiber, Orts- teil/Bezirk und Betreuungsschlüssel tabellarisch auf- schlüsseln.) 4. Welcher Betreuungsschlüssel in den Erstaufnahme- einrichtungen, Gemeinschafts- und Notunterkünften wird vonseiten des LAGeSo als notwendig erachtet und bewil- ligt? 5. Inwiefern und durch welche konkreten Maßnahmen kontrolliert das LAGeSo die tatsächliche Einhaltung der vertraglich vereinbarten Personalausstattung durch die Betreiber der Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschafts- und Notunterkünfte (Arbeitsverträge, Lohnabrechnungen, Arbeitszeitnachweise, Anwesenheitskontrollen etc.)? 6. Inwiefern und durch welche konkreten Maßnahmen kontrolliert das LAGeSo, ob die kalkulatorischen monat- lichen Personalkosten im Betreibervertrag den tatsächli- chen Personalkosten der Betreiber entsprechen? 7. Im August 2013 lagen dem Senat keine Hinweise darauf vor, dass die Einrichtungen ihren Verpflichtungen aus dem Betreibervertrag im Hinblick auf das vereinbarte Personal nicht nachkommen würden (vgl. Drucksache 17/12406). Liegen dem Senat mittlerweile entsprechende Hinweise vor? Wenn ja, zu den Betreibern welcher Un- terkünfte liegen dem Senat entsprechende Hinweise vor? Zu 1. bis 7.: In Berlin werden derzeit annährend 50 Gemeinschaftsunterkünfte (einschließlich Aufnahmeein- richtungen) mit einer Kapazität zwischen 70 und 700 Plätzen betrieben. Da sich die Einrichtungen hinsichtlich Größe und Beschaffenheit stark voneinander unter- scheiden, wurden allgemein verbindliche Personalschlüs- sel für Aufnahmeeinrichtungen und vertragsgebundene Gemeinschaftsunterkünfte bislang nicht festgelegt. Viel- mehr wird bei vertragsgebundenen Einrichtungen im jeweiligen Einzelfall – orientiert am unterzubringenden Personenkreis und ggf. den örtlichen/baulichen Gegeben- heiten – Art und Umfang des Personals festgelegt. Im Vertrag werden die Stellenanteile für die folgenden Posi- tionen vereinbart: Leitung, Sozialarbeiterinnen und Sozi- alarbeiter, Sozialbetreuerinnen und Sozialbetreuer, Kin- derbetreuerinnen und Kinderbetreuer, Verwaltungskräfte, nächtlicher Wachschutz. Grundsätzlich geht der Senat davon aus, dass das ver- traglich vorgesehene Personal vorgehalten wird. Sukzes- sive wird dies durch Personalprüfungen aufgrund der in Begehungen durch die Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) gewonnenen Erkenntnisse überprüft. Personalprü- fungen werden in Anlehnung an die Erkenntnisse aus den Einrichtungsbegehungen durch die BUL sukzessive durchgeführt und anschließend ausgewertet. Daher liegt dem Senat ein Gesamtüberblick zum gegenwärtigen Zeit- punkt noch nicht vor. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 046 2 Kosten im Sinne der Frage zu 6. werden nicht verein- bart. Es handelt sich vielmehr um kalkulatorische Pau- schalen. Das gilt auch für andere Positionen einer Kalku- lation, die letztlich als Instrument für die Preisverhand- lungen dient. Einzelpositionen sind nicht verbindlich. Das grenzt dieses Verfahren auch von einem Abrechnungsver- fahren ab. Deswegen ist eine Kontrolle der tatsächlichen Kosten auch nicht vorgesehen. 8. Welchen Heimbetreibern von Erstaufnahmeeinrich- tungen, Gemeinschafts- und Notunterkünften hat das LAGeSo seit dem Jahr 2012 in welcher jeweiligen Höhe Sanktionen wegen festgestellter Mängel wie die Unter- schreitung des vereinbarten Personals angedroht? (Bitte nach Einrichtung, Heimbetreiber, Mängel, Zeitpunkt und Höhe der angedrohten Sanktion aufschlüsseln.) 9. Gegenüber welchen Heimbetreibern von Erstauf- nahmeeinrichtungen, Gemeinschafts- und Notunterkünf- ten hat das LAGeSo bislang im Jahr 2014 Sanktionen (Rückforderungen, Reduzierung des Tagessatzes, Ver- rechnung mit Tagessatz, Vertragsstrafen etc.) wegen festgestellter Mängel wie die Unterschreitung des verein- barten Personals verhängt? (Bitte nach Einrichtung, Heimbetreiber, Mängel, Zeitpunkt und Höhe der verhäng- ten Sanktion aufschlüsseln.) Zu 8. und 9.: Im Rahmen der Personalprüfung zur Einrichtung Levetzowstraße ergab sich eine Rückforde- rung in Höhe von 68.959,10 Euro. Diese wurde in zwei Teilbeträgen von der monatlichen Heimkostenabrechnung für Oktober und November 2014 einbehalten. Entspre- chende Prüfungen für andere Einrichtungen sind derzeit noch nicht abgeschlossen. 10. Liegen dem Senat Hinweise über aktuelle „Personenidentitäten “ von Mitarbeiter*innen in verschiedenen Flüchtlingsunterkünften vor (vgl. Antwort auf Frage 4 der Kleinen Anfrage 17/12406? Wenn ja, welche? (Bitte nach Art der Unterkunft, Kapazität, Betreiber und Orts- teil/Bezirk aufschlüsseln.) Zu 10.: Derartige Hinweise liegen vor. 11. Liegen dem Senat Hinweise über Misshandlungen, sexualisierte Übergriffe etc. von Mitarbeiter*innen in Flüchtlingsunterkünften vor? Wenn ja, welche? (Bitte nach Vorfall, Unterkunft und Betreiber aufschlüsseln.) Zu 11.: Derartige Hinweise liegen weder dem Landes- amt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) noch der für Soziales zuständigen Senatsverwaltung vor. 12. Hält der Senat Mitarbeiter*innen von Heimbetrei- bern, die mit rassistischen und flüchtlingsfeindlichen Parteien/Organisationen sowie Positionen sympathisieren und dies öffentlich – etwa in sozialen Netzwerken – kundtun , geeignet für die Arbeit in Flüchtlingsunterkünften? Wenn nein, welche Maßnahmen unternimmt er, um sol- che Personen von der Arbeit mit Asylsuchenden in Flüchtlingsunterkünften fern zu halten? 13. Hält der Senat den Heimleiter der Flüchtlingsun- terkunft des privaten Betreibers Geo Home Berlin in der Gürtelstraße für geeignet und tragbar, der auf seinem Facebook-Profil mit der AfD, diversen NPD-Politikern, der „Jungen Freiheit“ und der „German Defence League“ verbunden ist? Zu 12. und 13.: Die in Gemeinschaftsunterkünften eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen persönlich und fachlich für die von ihnen ausgeübte Tä- tigkeit geeignet sein. Bei den eingesetzten Personen dür- fen keine Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfer- tigen, dass sie für die Ausübung ihrer Tätigkeit persönlich ungeeignet sind. Zum Nachweis hat die Betreiberin oder der Betreiber von allen in der Einrichtung tätigen Mitar- beiterinnen und Mitarbeitern vor der Einstellung bzw. bei begründeten Zweifeln an der persönlichen Eignung ein Führungszeugnis nach § 30a des Bundeszentralregister- gesetzes (BZRG), das nicht älter als drei Monate ist, an- zufordern und vorlegen zu lassen. Darüber hinaus müssen die Personen, welche die Heimleitung wahrnehmen, nach ihrer Persönlichkeit, der Ausbildung/dem Studium und dem beruflichen Werde- gang die Gewähr dafür bieten, dass die Aufgaben, die im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerberinnen und Asylbewerbern stehen, sach- gerecht und im Interesse und an den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohnern orientiert, erbracht wer- den. Sofern Bedienstete in Gemeinschaftsunterkünften die- se Voraussetzungen nach Kenntnis des LAGeSo erfüllen, ihr verfassungsrechtlich verbrieftes Recht auf Ver- breitung ihrer Meinung – auch in elektronischen Medien – nicht in rechtlich unzulässiger Weise missbrauchen, ver- botenen Organisationen oder Parteien weder angehören noch für diese werben und keine sonstigen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ihre persönlichen Ansichten die Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen ihres Arbeits- verhältnisses zum Nachteil der Bewohnerinnen und Be- wohner der Einrichtung beinträchtigen, ist keine Grundla- ge für die Aufforderung an die Betreiberin oder den Be- treiber erkennbar, das in Rede stehende Beschäftigungs- verhältnis zu beenden. Sofern dem LAGeSo allerdings konkrete Tatsachen bekannt werden sollten, die darauf schließen lassen, dass die private Meinung oder politische Überzeugung der in Gemeinschaftsunterkünften tätigen Personen deren ord- nungsgemäße Aufgabenerledigung konterkariert, wird das LAGeSo diese Angelegenheit umgehend mit der zustän- digen Betreiberin oder dem zuständigen Betreiber erörtern und geeignete und erforderliche Maßnahmen abstimmen, um einen störungsfreien Betrieb der Einrichtung im Inte- resse der Bewohnerinnen und Bewohner zu gewährleis- ten. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 046 3 14. Bei welchen Einrichtungen wurde bei Vertragsver- längerung/-änderung seit Januar 2014 der vertraglich vereinbarte Personalschlüssel geändert und inwiefern wurde er geändert? (Bitte nach Einrichtung, Zeitpunkt der Vertragsänderung sowie Änderung aufschlüsseln.) Zu 14.: Im Regelfall wird ein Vertrag mit dem verein- barten Personalbestand verlängert. 15. Welche Aufgaben sollen Sozialbetreuer*innen und Sozialarbeiter*innen in den Flüchtlingsunterkünften über- nehmen und warum ist dies in den neuen Mindeststan- dards für vertragsgebundene Unterkünfte (Stand: 30.09.2014) nicht mehr definiert? Zu 15.: In den Qualitätsanforderungen für vertragsge- bundene Gemeinschaftsunterkünfte ist vorgesehen, dass in der Gemeinschaftsunterkunft bei Bedarf und in Ab- sprache mit dem LAGeSo über die Unterbringung hin- ausgehende Leistungen mindestens in den folgenden Bereichen organisiert und angeboten werden müssen: a) Beratung in Wohnungsfragen, aktive Unterstüt- zung bei der Wohnungssuche, Abstimmung mit den zuständigen Leistungssachbearbeiterinnen und Leistungs-sachbearbeitern und Wohnungsanbiete- rinnen und Wohnungsanbietern, b) Schuldenberatung und Schuldenregulierung, c) Beratung bei der Schulwahl, Begleitung zur ersten Vorsprache in der Schule, d) grundsätzlich enge Abstimmung mit den Schulen und Kindergärten im Einzugsgebiet, e) Vermittlung von Kontakten zu Ärztinnen und Ärz- ten, zu Krankenhäusern u. a. für die gesundheitli- che Versorgung notwendigen Institutionen, f) Vermittlung zu Konfliktberatungsstellen, vor allem und unverzüglich bei häuslicher Gewalt, g) Organisation von Sprachkursen und Hausaufga- ben. Berlin, den 15. Dezember 2014 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Dez. 2014)