Drucksache 17 / 15 054 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Alexander Spies (PIRATEN) vom 27. November 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. November 2014) und Antwort Frauen mit Behinderung in Berliner Frauenhäusern und Zufluchtswohnungen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele der Plätze in den Berliner Frauenhäusern sind entsprechend den Bedürfnissen von Rollstuhlfahre- rinnen ausgestattet (barrierefreies WC, Dusche, höhenver- stellbares Bett, unterfahrbare Tische, herabgesenkte Tür- schwellen, Zugänglichkeit der Gemeinschaftsräume, ausreichender Wenderadius usw.)? Zu 1.: Die Verbesserung des barrierefreien Zugangs zu Beratungs-, Schutz- und Hilfeangeboten sowie zu barrierefreien Informationen für behinderte Frauen ist ein großes Anliegen des Berliner Senats. Gemeinsam mit der interdisziplinären Arbeitsgruppe „Schutzmaßnahmen für behinderte Frauen“, die seit 2007 bei der BIGKoordinierung (BIG = Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen) angesiedelt ist und die aus Mitarbeiterinnen der jetzigen Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen, des Netzwerks behinderter Frauen Berlin e.V., der Berliner Polizei, der Frauenhäuser und Zufluchtswoh- nungen sowie der BIG-Hotline besteht, wurden nach einer Bestandsanalyse die Schutz- und Hilfeangebote für Frau- en mit Behinderungen kontinuierlich ausgebaut und den behinderungsspezifischen Bedarfen angepasst. Die Finan- zierung der Angebote erfolgt über die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen. Für mobilitätseingeschränkte Frauen im Rollstuhl, auch in einem elektrischen Rollstuhl, stehen insgesamt drei barrierefreie Plätze zur Verfügung, ein Platz in einem Frauenhaus und zwei Plätze in einer Zufluchtswohnung. Die Angebote verfügen über höhenverstellbare und unter- fahrbare Betten und Tische, breite Türrahmen, schwellen- freie Räume, eine Notklingel, ein behindertengerechtes Bad und WC und eine rollstuhlgerechte Küche in der Zufluchtswohnung. Für mobilitätseingeschränkte Frauen im Rollstuhl sind drei Beratungsstellen barrierefrei zu- gänglich. Darüber hinaus wurden Angebote für gehörlose Frau- en entwickelt und umgesetzt, sodass zwei Frauenhäuser, zwei Zufluchtswohnungen und eine Beratungsstelle mit Gehörlosentechnik ausgestattet wurden. Speziell für ge- hörlose Frauen ist die DVD „Häusliche Gewalt ist nie in Ordnung“ entstanden, die Informationen zur häuslichen Gewalt und Schutz- und Beratungsangeboten in Berlin enthält. Die Mitarbeiterinnen verschiedener Antigewalt- projekte erlernen die Gebärdensprache. Je nach Bedarf finden die Beratungen für gehörlose Frauen mit Gebär- dendolmetscherinnen statt. Für blinde und sehbehinderte Frauen ist eine Zu- fluchtswohnung mit Punktmarkierungen zur Orientierung ausgerüstet und kann auch von Frauen mit Führhund genutzt werden. Eine weitere Wohnung für blinde Frauen ist in Planung. Aktuell wird speziell für blinde Frauen ein Hörspot zum Thema Häusliche Gewalt und Hilfeangebote entwickelt. Für psychisch kranke Frauen hält eine therapeutische Wohngemeinschaft ein spezielles Angebot bereit. Für Frauen mit Lernschwierigkeiten ist die Broschüre in Leichter Sprache „Häusliche Gewalt ist nie in Ordnung “ erschienen, mit Informationen über Häusliche Gewalt und bestehenden Beratungs- und Schutzangeboten in Berlin. Die Broschüre wurde gemeinsam mit BIG ent- wickelt und von „Mensch zuerst - Netzwerk people first“ in die Leichte Sprache übersetzt. Die Broschüre wurde flächendeckend in Berlin verteilt, um möglichst viele Frauen mit Lernschwierigkeiten und Informationsdefizi- ten direkt zu erreichen. Geplant ist der weitere barriere- freie Ausbau der Schutz- und Hilfeangebote. 2. Gibt es angesichts der Tatsache, dass psychisch kranke Frauen besonders häufig von Gewalt betroffen sind, Plätze in den Berliner Frauenhäusern, die auf die Bedürfnisse von Frauen mit psychischer Behinderung abgestimmt sind? Wenn ja, welche Maßnahmen wurden getroffen? Wenn nein, warum nicht? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 15 054 2 3. Kann derzeit Frauen mit erhöhtem Pflege- und/oder Unterstützungsbedarf in Frauenhäusern und Zufluchts- wohnung geholfen werden? Wenn ja, wie sieht diese Hilfe aus? Wenn nein, warum nicht? Zu 2. und 3.: Die Berliner Frauenhäuser nehmen im Einzelfall psychisch kranke Frauen auf. In einem Frauen- haus werden gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder bei Bedarf psychologisch betreut. Oft wird erst nach der Aufnahme in ein Frauenhaus oder eine Zufluchtswohnung die psychische Erkrankung der Frau sichtbar. Ein speziel- les Angebot für psychisch kranke gewaltbetroffene Frau- en hält eine therapeutische Wohngemeinschaft bereit. Auch für Frauen mit Assistenzbedarf besteht im Ein- zelfall die Möglichkeit, Unterstützung durch die eigenen Assistenzpersonen im Frauenhaus oder in der Zufluchts- wohnung zu erhalten. Derzeit überprüft der Senat den Ist-Zustand der Schutz- und Beratungsangebote bei häuslicher Gewalt und die konkreten Bedarfe gewaltbetroffener Frauen. Dazu hat die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen eine Studie zur Weiterentwicklung des Berliner Unterstützungssystems bei häuslicher Gewalt gegen Frau- en in Auftrag gegeben. Gegenstand der Studie ist auch die derzeitige Versorgungslage für psychisch kranke Frauen und Frauen mit Assistenz- und Pflegebedarf. Durch die Studie sollen konkrete Bedarfe und Versorgungslücken verifiziert und ein Konzept für eine Versorgungskette entwickelt werden. 4. Überprüft der Senat, ob die Mitarbeiterinnen der Berliner Frauenhäuser und Zufluchtswohnung an fachli- chen Weiterbildungen teilnehmen, die Behinderung und behinderungsspezifische Bedürfnisse thematisieren? Zu 4.: Es besteht sowohl seitens des Senats ein großes Interesse daran, dass sich die Mitarbeiterinnen der Berli- ner Anti-Gewaltprojekte zum Thema Frauen mit Behinde- rungen und ihre behinderungsspezifischen Bedürfnisse fortbilden als auch seitens der Projektmitarbeiterinnen selbst. Bereits 1999 fand für Mitarbeiterinnen der BIG- Hotline, dem telefonischen Informations- und Beratungs- angebot für Opfer häuslicher Gewalt, eine Fortbildung zum Thema „behinderte Frauen als Opfer häuslicher Gewalt “ statt. Die Antigewaltprojekte des Berliner Frauennetzwerks (BFN) wurden 2006 in einer Fortbildung für die besonderen Bedürfnisse behinderter Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt wurden, sensibilisiert. Darüber hinaus hat der BFN „behinderte Frauen“ als Jahresthema 2007/2008 in den Fokus genommen. Die Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser und Zufluchtswohnungen sind zum großen Teil für die besondere Situation behinderter Frau- en sensibilisiert. Die seit Anfang 2007 bei der BIG- Koordinierung eingerichtete interdisziplinäre Arbeits- gruppe „Schutzmaßnahmen und Unterstützungsangebote für von häuslicher Gewalt betroffene Frauen mit Behinde- rungen (und ihre Kinder)“ verfolgt das Ziel, die Hilfean- gebote für behinderte Frauen zu optimieren und gleichzei- tig auch die einzelnen Bereiche im Kooperationsverbund dafür zu sensibilisieren. In der Arbeitsgruppe erfolgt eine intensive Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen be- hinderter Frauen und den unterschiedlichen Anforderun- gen an die Projekte und die Entwicklung von passgenauen behinderungsspezifischen Maßnahmen zur Prävention und Intervention. Die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen führte in den Jahren 2012, 2013 und 2014 den Workshop „HERZLICH WILLKOMMEN – Wie können Frauen mit Behinderungen Ihre Angebote wahrnehmen?“ für Mitarbeiterinnen der von der Abteilung Frauen und Gleichstellung finanzierten Frauenbeschäftigungs-, Bera- tungs- und Qualifizierungsprojekte, der Migrantinnen- und Anti-Gewalt-Projekte sowie der Frauenzentren und Frauenselbsthilfeprojekte durch. In den Workshops ging es nicht darum, verbindliche Maßnahmen und Regeln festzuschreiben, sondern die genannten Mitarbeiterinnen für eine Willkommenskultur für Frauen mit Behinderun- gen zu sensibilisieren. Im Ergebnis erarbeiteten die Work- shop-Teilnehmerinnen konkrete nächste Schritte für ihr Projekt aus, wie z. B die barrierefreie Neugestaltung von Flyern und Websites, den Gebrauch der Leichten Sprache oder die barrierefreie Umgestaltung von Eingängen und WCs. Berlin, den 17. Dezember 2014 In Vertretung Barbara L o t h Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Dez. 2014)